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96. Jahrestagung der Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte

28. - 29.09.2012, Koblenz

Operative Konzepte bei Schnarchen und Schlafapnoe – Behandlung von Form und Funktion

Meeting Abstract

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  • corresponding author Joachim T. Maurer - Schlafmedizinisches Zentrum, Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik, Mannheim

Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte. 96. Jahrestagung der Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte. Koblenz, 28.-29.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12hnoswS19

doi: 10.3205/12hnosw32, urn:nbn:de:0183-12hnosw322

Veröffentlicht: 11. Dezember 2012

© 2012 Maurer.
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Gliederung

Text

Operative Konzepte werden im Erwachsenenalter beim Schnarchen ohne Apnoen meist als eine mögliche primäre Therapie und bei der obstruktiven Schlafapnoe in aller Regel als sekundäre Therapie bei Unverträglichkeit der Beatmungstherapie eingesetzt. Wird eine operative Therapie in Erwägung gezogen, stehen viele Verfahren zur Verfügung. Um die Behandlung mit den geringsten Risiken und gleichzeitig größten Erfolgsaussichten empfehlen zu können, müssen die individuell vorliegenden anatomischen und funktionellen Faktoren erkannt werden, die Schnarchen bzw. Schlafapnoe auslösen und gleichzeitig operativ korrigierbar sind. Die wesentlichen anatomischen Faktoren bestehen in der Tonsillenhyperplasie und der Retrognathie. Die wesentlichen Funktionsstörungen im Schlaf stellen der zu niedrige Muskeltonus der Atemwegsöffner, insbesondere des M. genioglossus, sowie die mangelhafte Koordination zwischen Atmungs- und Atemwegsmuskulatur dar.

Durch die klinisch-endoskopische hals-nasen-ohrenärztliche Untersuchung können Obstruktionen des pharyngealen Atemwegs durch ausgeprägte Hyperplasien des Waldeyerschen Rachenringes einfach erkannt werden. Auch wenn sie deutlich seltener als bei Kindern zu finden sind, kann bei ausgeprägter Tonsillenhyperplasie bereits die alleinige Tonsillektomie in circa 80% der Fälle die OSA beseitigen [1]. Findet sich eine hyperplastische Uvula und ein langes Velum palatinum, lässt sich die Erfolgsrate der in diesen Fällen indizierten Uvulopalatopharyngoplastik (UPPP) verdoppeln, wenn simultan eine Tonsillektomie vorgenommen wird [2]. Auch wenn die vollständige Beseitigung der OSA durch die UPPP langfristig nur in etwa der Hälfte der Fälle gelingt [1], scheint die OSA-bedingte Mortalität durch die UPPP relevant gesenkt zu werden [3]. Bei Schnarchen ist hingegen aufgrund der geringeren Morbidität der Tonsillotomie bzw. Radiofrequenzreduktion der Tonsillen sowie der Radiofrequenz-assistierten Uvulopalatoplastik der Vorzug zu geben.

Um den Pharynx in seiner gesamten Ausdehnung aktiv aufzuweiten, wird die maxillomandibuläre Vorverlagerung um etwa 1 cm vor allem bei bimaxillärer Retrognathie mit durchgehend mehr als 80% Erfolg eingesetzt [2]. In einer randomisierten Studie an Patienten mit mittel- bis schwergradiger OSA war sie genauso erfolgreich wie die automatische CPAP-Therapie [4]. Bei Schnarchen besteht hingegen keine Indikation für diesen Eingriff.

Häufig finden sich jedoch bei schnarchenden Erwachsenen ohne oder mit OSA keine anatomischen Auffälligkeiten. Videoendoskopische Untersuchungen in Sedierung lassen vermuten, dass Schnarchgeräusche ohne Apnoen in der Mehrzahl der Fälle im Bereich des Velums entstehen [5].

Beim Schnarchen lässt sich die Vibrationsneigung des Velums durch eine Versteifung mittels Radiofrequenzbehandlung bzw. Pillar-Implantation nachgewiesenermaßen reduzieren. Beide Verfahren sind bei OSA jedoch in Plazebo-kontrollierten Studien von allenfalls geringer Wirksamkeit [2]. Für die mittel- bis schwergradige OSA sind sie nicht indiziert.

Ein gänzlich anderes Konzept verfolgt die Tonisierung der Atemwegsöffner durch den Einsatz von implantierbaren Neurostimulatoren des N. hypoglossus. In der klinischen Erprobung befinden sich zur Zeit drei Systeme: Die Systeme der Firmen Apnex bzw. Inspire messen die Atmung über die elektrische Impedanz bzw. den intrapleuralen Druck und stimulieren atmungssynchron während der Inspiration [6]. Damit soll einerseits das Verhalten der Atemwegsmuskulatur während des Wachzustandes imitiert und andererseits die Ermüdung ds M. genioglossus vermieden werden. Beide besitzen eine Batterie, sodass der Pulsgenerator in Abständen von 6-10 Jahren ausgetauscht werden muss. Das dritte System der Firma Imthera stimuliert den N. hypoglossus kontinuierlich und begegnet dem Risiko der Ermüdung mit einer zyklisch alternierenden Stimulation unterschiedlicher Nervenfaserbündel. Die Batterie ist wiederaufladbar. Bisher wurde immer einseitig stimuliert. Einen Monat nach der korrekten Platzierung der Elektroden wird das System aktiviert und die funktionell notwendige Stimulationsstärke sowohl im Wachzustand als auch im Schlaf ermittelt. Weckreaktionen treten bei den erforderlichen Stimulationsstärken nicht auf.

Es liegen bereits Ergebnisse aus Pilotstudien vor, in denen einerseits die Sicherheit der Verfahren gezeigt und andererseits Subgruppen identifiziert werden konnten, die besonders gut auf die Therapie ansprachen [7], [8], [9]. Positive Prädiktoren waren beispielsweise ein BMI unter 32 (Inspire) bzw. 35 kg/m² (Apnex), ein AHI<50 und der Ausschluss eines zirkulären Kollaps auf Velumniveau in der Videoendoskopie in Sedierung [7]. Die Ergebnisse blieben über 12 Monate stabil. Für die jetzt laufenden WIrksamkeitsstudien der Firmen Apnex und Inspire werden die Patienten anhand der neu definierten Kriterien selektiert. Mit den Ergebnissen ist in der Mitte bzw. am Ende des kommenden Jahres zu rechnen. Für Schnarcher sind die Neurostimulationssysteme nicht zugelassen.

Vor Durchführung einer operativen Therapie bei Schnarchen und OSA sollten zunächst die oben angeführten anatomischen Malformationen ausgeschlossen oder korrigiert werden. Zeigt sich eine unauffällige Anatomie der oberen Atemwege, stellen die zurzeit in der Erprobung befindlichen funktionellen Therapien mit Neurostimulatoren des N. hypoglossus eine hoffnungsvolle Alternative für eine Subgruppe von Patienten dar, die bisher nicht erfolgreich operativ versorgt werden konnten.

Für alle operativen Therapien scheint zu gelten, dass ihre Erfolgsrate sinkt, wenn der Body Mass Index (BMI) steigt. Ab einem BMI von 35 kg/m² besteht für weichteilchirurgische Eingriffe eine Erfolgschance von unter 33%. Lediglich für die maxillomandibuläre Vorverlagerung gilt dies nicht. Patienten mit Adipositas müssen daher besonders sorgfältig untersucht werden, wenn operative Therapien erwogen werden.


Literatur

1.
Hörmann K, Verse T. Surgery for sleep disordered breathing. 2. Aufl. Heidelberg/New York: Springer Verlag; 2010.
2.
Maurer JT. Surgical treatment of obstructive sleep apnea: standard and emerging techniques. Curr Op Pulm Med. 2010;16:552–558.
3.
Marti S, Sampol G, Munoz X, et al. Mortality in severe sleep apnoea/hypopnoea syndrome patients: impact of treatment. Eur Respir J. 2002;20:1511-8.
4.
Vicini C, Dallan I, Campanini A, De Vito A, Barbanti F, Giorgiomarrano G, Bosi M, Plazzi G, Provini F, Lugaresi E. Surgery vs ventilation in adult severe obstructive sleep apnea syndrome. Am J Otolaryngol. 2010;31:14-20.
5.
Maurer JT, Hörmann K. Endoskopie in der Schlafmedizin. HNO. 2010;58:341-7.
6.
Maurer JT, Van de Heyning P, Lin HS, Baskin J, Anders C, Hohenhorst W, Clemens Anders, Woodson BT. Operative Technique of Upper Airway Stimulation - An Implantable Treatment of Obstructive Sleep Apnea. Operative Techniques in Otolaryngology - Head and Neck Surgery. 2012;23:227-33.
7.
Van de Heyning PH, Badr MS, Baskin JZ, Cramer Bornemann MA, De Backer WA, Dotan Y, Hohenhorst W, Knaack L, Lin HS, Maurer JT, Netzer A, Odland RM, Oliven A, Strohl KP, Vanderveken OM, Verbraecken J, Woodson BT. Implanted upper airway stimulation device for obstructive sleep apnea. Laryngoscope. 2012;122:1626-33.
8.
Eastwood PR, Barnes M, Walsh JH, et al. Treating obstructive sleep apnea with hypoglossal nerve stimulation. SLEEP. 2011;34:1479-86.
9.
Mwenge GB, et al. Eur Respir J. 2012; in press.