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96. Jahrestagung der Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte

28. - 29.09.2012, Koblenz

Stimmerhalt und Stimmrehabilitation bei malignen Erkrankungen des Kehlkopfs und des Hypopharynx

Meeting Abstract

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  • corresponding author Kai J. Lorenz - HNO-Klinik, Bundeswehrkrankenhaus, Ulm
  • H. Maier - HNO-Klinik, Bundeswehrkrankenhaus, Ulm

Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte. 96. Jahrestagung der Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte. Koblenz, 28.-29.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12hnoswF10

doi: 10.3205/12hnosw09, urn:nbn:de:0183-12hnosw099

Veröffentlicht: 11. Dezember 2012

© 2012 Lorenz et al.
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Gliederung

Text

Larynx- und Hypopharynxkarzinome stellen sich häufigsten bösartigen Tumoren im Kopf-Halsbereich dar. In Abhängigkeit vom Tumorstadium ergibt sich ein therapeutischer Algorithmus, der von der transoralen endoskopischen Laserchirurgie über offene Teilresektionen bis hin zur kompletten Laryngektomie führt. Alternativ hierzu stehen Organerhaltungstherapien im Sinne einer kombinierten Radio-/Chemotherapie zur Verfügung. In den letzten 20 Jahren hat sich insbesondere bei den kleinen endolaryngealen Tumoren sowie kleinen Hypopharynxkarzinomen die endoskopische Laserchirurgie als Goldstandard etabliert. Allerdings erfordert diese eine exzellente Kenntnis der Tumorausdehnung und ein hohes Maß an Erfahrung, um eine onkologisch saubere R0-Resektion zu erreichen.

Im Vergleich zur primären Strahlentherapie, die insbesondere noch im angloamerikanischen Raum bei kleinen Tumoren angewendet wird, zeigt die Laserchirurgie wenig Beeinträchtigungen der Stimm- und Lebensqualität, sondern lässt zudem noch die Option der Strahlentherapie bei Rezidivtumoren.

Wenngleich sich durch die transorale Laserchirurgie gerade bei kleinen Endolarynxtumoren hervorragende onkologische Langzeitergebnisse erzielen lassen, werden von den Patienten bei Evaluation der subjektiven Stimm- und Lebenszufriedenheitsparametern häufig nur durchschnittliche Werte angegeben. Dieses als Zufriedenheitsparadoxon bezeichnete Phänomen erklärt sich daraus, dass die Methode der transoralen Laserchirurgie dem Patienten einen minimal invasiven Eingriff mit kurzem stationären Aufenthalt suggeriert und die Erwartungshaltung der völligen Restitutio ad integrum verstärkt wird.

Fortgeschrittene Larynxkarzinome, insbesondere im Bereich des supraglottischen Raumes können ebenfalls laserchirurgisch reseziert werden. Im Vergleich zu offenen chirurgischen Techniken lassen sich durch die Laserchirurgie häufig Tracheotomien vermeiden, die Patienten weisen in der Regel bessere Schluckfunktionen und einen verkürzten Krankenhausaufenthalt auf. Hinsichtlich der Stimmparameter zeigen sich zwischen offen-chirurgischen und laserchirurgischen Therapieansätzen allerdings keine signifikanten Unterschiede. Die Therapie von Stimmlippenkarzinomen, die sich nicht mit dem starren Rohr einstellen lassen, den Sinus Morgagni erreichen oder in die vordere Kommissur einwachsen, sind immer noch Domäne der offenen Teilresektionen. Wird die Glottis rekonstruiert, lassen sich auch mit diesen offenen Techniken hervorragende Stimmergebnisse erzielen, die teilweise besser sind, als bei laserchirurgischen Techniken. Hinsichtlich der Lebensqualität zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen offenen Techniken und Laserresektionstechniken.

Größere glottische Tumoren, die nicht starr einstellbar sind, in den Petiolus reichen, ausgedehnt transglottisch oder supraglottisch wachsen ohne jedoch das Arytenoidgelenk zu infiltrieren, können larynxerhaltend operiert werden. Operationstechniken sind die Cricohyodopexie (CHP) und die Cricohyodoepiglottopexie (CHEP). Diese insbesondere im amerikanischen Raum verbreiteten Verfahren haben sich in den letzten 10 Jahren auch in Deutschland etablieren können. Sie fordern jedoch ein hohes Maß an chirurgischer Erfahrung und bergen ein nicht unerhebliches Risiko für eine Dauertracheotomie und Daueraspiration. In einer Metaanalyse von Schindler et al. aus dem Jahr 2012 konnte nachgewiesen werden, dass ein Tracheostomaverschluss bei den meisten Patienten innerhalb von drei bis vier Monaten möglich ist. Eine orale Ernährung konnte bei ca. ¾ der Patienten innerhalb von 90 Tagen erreicht werden. Hierzu war jedoch ein tägliches intensives logopädisches Schlucktraining notwendig. In immerhin 20% der Fälle kam es zu einer Dauermikroaspiration mit konsekutiven Pneumonien. Bei fast allen Patienten konnte im VHI eine mäßig bis schwergradige Dysphonie nachgewiesen werden.

Ausgedehnte Tumoren des Hypopharynx und des Larynx lassen sich jedoch in der Regel nicht kehlkopferhaltend operieren, so dass hier immer noch die totale Laryngektomie, insbesondere auch unter onkologischen Gesichtspunkten die Therapie der Wahl ist.

Die Stimmrehabilitation nach Laryngektomie war bis 1990 die Anbahnung der Ösophagusstimme, jedoch sind nur ca. 50–60% der Laryngektomierten in der Lage, diese Kommunikationsform überhaupt zu erlernen. Bei nur ca. 30% der Patienten resultiert eine gut verständliche Stimme. Infolge dessen wurden verschiedene Wege zur chirurgischen Stimmrehabilitation übergangen. In Deutschland konnten sich im Wesentlichen drei Operationstechniken, der Sprechsiphon mit Jejunum-Transplantat nach Ehrenberger und Remmert, die Larynxplastik nach Hagen sowie die Sprechfistel nach Maier und Weidauer etablieren. All diesen Operationsverfahren jedoch ist gemeinsam, dass sie zwar gute Erfolgsquoten hinsichtlich der Stimmrehabilitation bieten, jedoch chirurgisch sehr aufwändig sind und teilweise ein hohes peri- und postoperatives Morbiditätsrisiko bieten.

Als Alternative hierzu hat sich seit 1995 auch in Deutschland zunehmend die Stimmrehabilitation nach Laryngektomie durch den Einsatz von Stimmprothesen durchgesetzt. Eine Vielzahl von Verbesserungen der Stimmprothesen hat inzwischen dazu geführt, dass die Rehabilitationsquote mit Stimmprothesen bei 85–95% liegt. Postoperative Komplikationen können durch die Verwendung spezieller Prothesentypen und ein dezidiertes Nachsorgeschema in der Regel weitgehend vermieden werden. Die Verbesserung automatischer Tracheostomaventile ermöglicht auch dem Laryngektomierten inzwischen ein fingerfreies Sprechen.

Organerhaltende Therapien im Sinne einer primären Radio-/Chemotherapie müssen dem Patienten immer noch als Alternative zum chirurgischen Vorgehen, insbesondere wenn eine komplette Laryngektomie notwendig ist, angeboten werden. Einschränkend muss jedoch zu diesem Therapieverfahren gesagt werden, dass teilweise kein funktioneller Organerhalt möglich ist, dies bedeutet, dass sowohl Dauertracheotomien, wie auch ein Daueraspirationsrisiko nach primärer Radio-/Chemotherapie möglich ist und bei ausgedehnten Tumoren teilweise eine Stenosierung oder Atresie sowohl im Bereich des Hypopharynx als auch des Larynx mit nachfolgender Dysphagie und Stimmstörung auftreten kann. Bei Residuen oder Rezidiven nach primärer Radio-/Chemotherapie ist die Salvage-Chirurgie mit einem deutlich erhöhten Komplikationsrisiko behaftet.

Abschließend lässt sich feststellen, dass die Therapie der Larynx-/Hypopharynxkarzinome in den letzten 25 Jahren deutliche Fortschritte erfahren hat. Die zu wählenden Operationsverfahren hängen zum einen von der Tumorgröße und Lokalisation, zum anderen von der Erfahrung des Operateurs ab. Die Stimmqualität ist bei den etablierten Verfahren in der Regel vergleichbar. Allerdings muss beachtet werden, dass bei der Wahl der Therapie nicht ausschließlich die onkologische Kontrolle im Vordergrund steht, sondern die Selbsteinschätzung der Patienten, insbesondere was Gesundheit für ihn selbst bedeutet (Stimmqualität, Lebensqualität) zunehmend an Bedeutung gewinnt. Letztendlich muss der Erfolg einer Tumortherapie im Sinne eines multidimensionalen Konzeptes begriffen werden.