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96. Jahrestagung der Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte

28. - 29.09.2012, Koblenz

Eine Halswirbelsäulenoperation als Ursache für Dysphagie

Meeting Abstract

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  • corresponding author Rudolf Reiter - Sektion für Phoniatrie und Pädaudiologie der HNO Univ.-Klinik Ulm, Ulm, Deutschland
  • author Elisabeth Smith - Sektion für Phoniatrie und Pädaudiologie der HNO Univ.-Klinik Ulm, Ulm, Deutschland
  • author Ulrich Konerding - Akademie für Gesundheitsberufe, Schule für Logopädie, Schlossstrasse 38, 89079 Ulm-Wiblingen, Ulm, Deutschland
  • author Sibylle Brosch - Sektion für Phoniatrie und Pädaudiologie der HNO Univ.-Klinik Ulm, Ulm, Deutschland

Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte. 96. Jahrestagung der Vereinigung Südwestdeutscher Hals-Nasen-Ohrenärzte. Koblenz, 28.-29.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12hnoswF4

doi: 10.3205/12hnosw04, urn:nbn:de:0183-12hnosw047

Veröffentlicht: 11. Dezember 2012

© 2012 Reiter et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Eingriffe an der Halswirbelsäule können aufgrund von verschiednen Ursachen zu einer postoperativen Dysphagie führen, die eine ausführliche Schluckdiagnostik und ggf. die Einleitung eines logopädischen Schlucktrainings erforderlich machen.

Methoden: Eine 51-jährige Patientin stellte sich 4 Monate nach einer Wirbelsäulenoperation aufgrund einer Spinalkanalstenose mit ventraler Verplattung von C5/6 mit einer Schluckstörung in Form von erschwertem Abschlucken vor.

Bei der Überprüfung des Schluckaktes mittels einer flexibel transnasalen Videoendoskopie (FEES, flexible endoscopic evaluation of swallowing) zeigte sich eine Lumeneinengung des Hypopharynx durch eine Ventralverlagerung der Hypopharynxhinterwand. Dies führte zu Residuen im Bereich der Postcricoidregion mit einer postdeglutitiven Penetration für feste und breiige Kost ohne Aspiration. Flüssigkeiten konnten problemlos abgeschluckt werden. In der vorliegenden Röntgendiagnostik zeigt sich eine ventrale Osteosyntheseplatte auf Höhe der Halswirbelkörper C5/6.

Ergebnisse: Wir empfahlen der Patientin die Aufnahme eines logopädischen Schlucktrainings zur Verbesserung des pharyngealen Bolustransportes und im Speziellen der Öffnung des oberen Ösophagussphinkters. Bei der phoniatrischen Kontrolluntersuchung nach 10 Therapieeinheiten Schlucktraining berichtete die Patientin über eine deutliche Verbesserung des Schluckvorgangs, und es waren endoskopisch keine Residuen mehr nachweisbar.

Der Schluckvorgang stellt einen höchst komplexen Funktionsablauf des menschlichen Körpers dar, der von mehr als 50 Muskelpaaren und über 5 Hirnnerven gesteuert wird, so dass schon eine geringe Einschränkung in einem der Bereiche zu massiven Beeinträchtigungen führen kann. Nach Eingriffen an der Halswirbelsäule, insbesondere bei anteriorem Zugang, ist in den ersten Tagen im Rahmen der Wundheilung häufig eine vorübergehenden Dysphagie zu beobachten, wobei es jedoch häufig zu einer Spontanremission kommt. Der operative Eingriff selbst kann aufgrund einer Nerven- oder Muskelschädigung Ursache für eine Schluckstörung sein. Als ursächlich kann auch eine mechanische Einengung der Schluckstrasse, wie bei unserer Patientin durch eingebrachtes Fremdmaterial, angesehen werden. Gerade die enge topographische Beziehung von Hypopharynx, proximalem Ösophagus und ventrale Halswirbelsäule begünstigt die Entstehung von solchen Störungen. Besonders gefährdet ist die krikopharyngeale Region in der Höhe der Halswirbelkörper C5/6.

Eine operative Entfernung des Osteosynthesematerials zur Beseitigung des Passagehindernisses war in unserem Falle kontraindiziert, da eine Instabilität der Halswirbelsäule mit einer drohenden Querschnittslähmung zu erwarten war. Die einzige Therapieoption stellt ein logopädisches Schlucktraining dar. Mit Hilfe des Mendelssohn-Manövers kam es zu einer Besserung der Larynxelevation und einer Verbesserung der Öffnung des oberen Ösophagussphinkters. Konsekutiv waren eine Behebung der Retentionen und eine Verbesserung der pharyngealen Kontraktion zu beobachten.

Schlussfolgerung: Eingriffe an der Halswirbelsäule können zu einer postoperativen Dysphagie führen. Als möglicher Pathomechanismus kommt neben Nervenschädigungen, die zu Sensibilitätsstörungen oder motorischen Ausfällen der am Schluckakt beteiligten Muskeln führen, auch eine mechanische Einengung des oberen Ösophagussphinkters durch eingebrachtes Fremdmaterial in Frage. Eine postoperative Vernarbung kann zudem zu einer eingeschränkten Larynxelevation mit konsekutiver Bolustransportstörung führen. Daher empfehlen wir Schluckstörungen bei Patienten nach Halswirbelsäulenoperationen Ernst zu nehmen und eine ausführliche Schluckdiagnostik einzuleiten, die gegebenenfalls ein logopädisches Schlucktraining erforderlich macht.