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Auftreten von Depression bei Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankung: Eine Analyse deutscher Routinedaten
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Hintergrund: Depressionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) sind zwei häufig auftretende Erkrankungen, die weltweit und in Deutschland für einen hohen Anteil der Morbidität und Mortalität verantwortlich sind. Oft sind die beiden Erkrankungen miteinander verbunden: Studien konnten zeigen, dass Menschen mit HKE ein erhöhtes Risiko für Depressionen haben und umgekehrt [1], [2]. Es gibt mehrere Gründe, warum Depressionen bei Personen mit HKE häufig auftreten. Zum einen können die psychischen Belastungen, die mit der Diagnose und Behandlung von HKE verbunden sind, zu Depressionen führen [3]. Darüber hinaus können z.B. Einschränkungen in der körperlichen Aktivität, Müdigkeit und Schmerzen, sowie Nebenwirkungen von Medikamenten das Risiko für Depressionen erhöhen [3], [4]. Auf der anderen Seite wird eine gemeinsame genetische Disposition für beide Erkrankungen sowie Gemeinsamkeiten in der Pathogenese diskutiert [5].
Studien zur Inzidenz von Depressionen bei bestehender HKE sind eher selten, vor allem fehlen Auswertungen deutscher Routinedaten und nach Geschlecht und Alter stratifizierte Studien.
In dieser Studie wurde untersucht, wie hoch das Risiko für Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen (im Vergleich zu Personen ohne HKE) ist, an Depressionen zu erkranken. Die Analysen wurden stratifiziert nach Art der HKE (rein chronische HKE vs. akute kardiovaskuläre Ereignisse), Geschlecht und Altersgruppen.
Methoden: Datengrundlage sind die Routinedaten der AOK Niedersachsen aus den Jahren 2015-2019. Es wurden zwei Studienpopulationen gebildet: die erste enthält alle volljährigen und in den Jahren 2015-2016 durchgängig Versicherten, bei denen im Jahr 2016 eine chronische HKE (wie z.B. koronare Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz) codiert wurde und die in den Jahren 2015-2016 frei von Depressionsdiagnosen waren. Für die zweite Population wurden anstelle chronischer HKE akute kardiovaskuläre Ereignisse (wie z.B. Herzinfarkt oder Schlaganfall) im Jahr 2016 betrachtet. Für beide Studienpopulationen wurde je eine Kontrollgruppe per direktem 1:1 Matching nach Alter, Geschlecht und Einkommen gezogen. Die Populationen wurden 3 Jahre lang (2017-2019) hinsichtlich des Auftretens von Depressionen beobachtet und Effektschätzer für das Risiko mittels Cox-Regression berechnet.
Ergebnisse: Es konnte gezeigt werden, dass Personen mit HKE ein höheres Risiko haben, an Depressionen zu erkranken, als Menschen ohne HKE. Dies gilt sowohl für akute Ereignisse (HR=1,82; 95%-KI: 1,64-2,03) als auch für rein chronische HKE (HR=1,28; 95%-KI: 1,24-1,33). Männer zeigten höhere Effektstärken als Frauen, wobei Frauen jedoch insgesamt ein höheres Risiko für Depressionen haben als Männer (HR=1,54; 95%-KI: 1,49-1,58). Die Effekte waren außerdem in der jüngsten Altersgruppe (<55 Jahre) am stärksten (HR=2,22; 95%-KI=1,71-2,89 bei Personen mit akutem kardiovaskulären Ereignis vs. Kontrollgruppe) und nahmen mit steigender Altersgruppe ab.
Schlussfolgerungen: Die Verbindung zwischen Depressionen und HKE ist von großer Bedeutung, da beide Zustände die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen können und das Risiko für schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen erhöhen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Menschen mit HKE auch auf Anzeichen von Depressionen untersucht und bei Bedarf behandelt werden. Dies gilt sowohl für Männer als auch für Frauen, sowie für alle Altersgruppen. Der Zusammenhang zwischen HKE und Depressionen scheint jedoch in der Altersgruppe <55 und bei Männern besonders ausgeprägt zu sein. Das komplexe Zusammenspiel vielfältiger Einflussfaktoren erfordert eine ganzheitliche Behandlungsstrategie, die sowohl die körperlichen als auch die psychischen Aspekte der Gesundheit berücksichtigt.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Correll CU, Solmi M, Veronese N, Bortolato B, Rosson S, Santonastaso P, et al. Prevalence, incidence and mortality from cardiovascular disease in patients with pooled and specific severe mental illness: a large-scale meta-analysis of 3,211,768 patients and 113,383,368 controls. World Psychiatry. 2017;16(2):163-80.
- 2.
- Hare DL, Toukhsati SR, Johansson P, Jaarsma T. Depression and cardiovascular disease: a clinical review. Eur Heart J. 2014;35(21):1365-72.
- 3.
- Bunz M, Kindermann I, Karbach J, Wedegärtner S, Böhm M, Lenski D. Psychokardiologie: Wie Herz und Psyche zusammenhängen. Dtsch Med Wochenschr. 2015;140(02):117-24.
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- Qato DM, Ozenberger K, Olfson M. Prevalence of prescription medications with depression as a potential adverse effect among adults in the United States. JAMA. 2018;319(22):2289-98.
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- Kahl KG, Stapel B, Frieling H. Link between depression and cardiovascular diseases due to epigenomics and proteomics: Focus on energy metabolism. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry. 2019;89:146-57.