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Digital-Health-Tools im internationalen Vergleich: Fallstudien zu Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für Implementierung und Nutzung
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Hintergrund: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens verspricht sowohl für Versorgenden als auch Patient:innen Qualitäts- und Effizienzsteigerungen, insbesondere im Hinblick auf Herausforderungen wie die Zunahme chronischer Erkrankungen und der Multimorbidität. Entgegen der wirtschaftlich und technologisch führenden Position Deutschlands, einer Vielzahl gesetzgeberischer Initiativen und umfassender finanzieller Ressourcen, liegt das deutsche Gesundheitswesen bei der Implementierung und Nutzung von Digital-Health-Tools, wie z.B. der elektronischen Patientenakte, im internationalen Vergleich weit zurück. Der Blick in andere Länder zeigt deutlich, dass die digitale Transformation des Gesundheitswesens gelingen kann und dabei nicht nur finanzielle Ressourcen oder zur Verfügung stehende Technologien, sondern vielmehr politische Prozesse und Interessenlagen unterschiedlicher Akteure entscheidend sind [1], [2], [3], [4].
Methoden: Oftmals entsteht der Eindruck, dass die Fallauswahl in Fallstudien zufällig erfolgt. Somit wurde im Rahmen dieser Studie eine wissenschaftliche Methodik ermittelt, um die acht internationalen Fallstudien auszuwählen. Unter der Berücksichtigung diverser relevanter Kriterien (u.a. Digitalisierungsgrad, Geografie, Wirtschaft, Finanzierung des Gesundheitswesens, Zentralisierungsgrad) und mittels Diskussionen und Leitfadeninterviews mit Expert:innen wurde ein systematischer und mehrstufiger Prozess zur Auswahl der Fallstudien entwickelt. Die Implementierung und Nutzung verschiedener Digital-Health-Tools sollen anhand der acht ausgewählten Länder bzw. Gesundheitssysteme, in denen die Digitalisierung des Gesundheitswesens besonders weit fortgeschritten ist, untersucht werden. Da der Fokus auf der Übertragbarkeit liegt, werden insbesondere solche Länder ausgewählt, die Ähnlichkeiten zum deutschen Gesundheitssystem aufweisen. Anschließend werden teilstrukturierte Interviews mit Expert:innen der Gesundheitspolitik, der Kostenträger und der Patientenvertretungen sowie Dienstleistenden/Produktentwickler:innen und Leistungserbringenden geführt.
Um die Übertragbarkeit der zentralen Ergebnisse aus den Fallstudien zu überprüfen, wird im nächsten Schritt ein Online-Fragebogen entwickelt, einem Pretest unterzogen und an relevante Stakeholdergruppen des Gesundheitswesens (Patientenvertretungen, Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen, Berufsverbände etc.) versandt. Es wird ein Rücklauf von etwa 400 Fragebögen angestrebt. Die ausgefüllten Fragebögen werden anschließend subgruppenspezifisch statistisch ausgewertet.
Die Studie ist Teil des Innovationsfondsprojekts NADI zum Thema Nutzen und Akzeptanz von Digital Health. Insofern werden anhand der Erkenntnisse der Fallstudien, der Online-Befragung sowie den Forschungsergebnissen des im Innovationsprojekts durchgeführten Scoping-Reviews, des Delphi-Panels und des Discrete-Choice-Experiments im Anschluss konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik in Deutschland entwickelt.
Diskussion: Die Methodik der Fallstudienforschung ist in der Wissenschaft nicht unumstritten. Dennoch eignet sie sich besonders gut für die Untersuchung internationaler Erfahrungen in Bezug auf die digitale Transformation des Gesundheitswesens. Laut Yin [5] dienen Fallstudien insbesondere der Erforschung von Phänomenen, wie die Digitalisierung von Gesundheitssystemen, bei denen der Kontext von zentraler Relevanz bzw. eine klare Trennung zwischen Phänomen und Kontext nicht möglich ist. Die Auswahl der zu untersuchenden Fällen stellt in diesem Kontext die größte Herausforderung dar.
Eine mögliche Problemstellung im weiteren Studienverlauf könnte die Rekrutierung ausreichend geeigneter Interviewpartner:innen darstellen. Dies soll durch eine sehr gute internationale Vernetzung der beteiligten Kooperationspartner:innen gewährleistet werden. Äquivalent dazu soll ein ausreichend hoher Rücklauf des Online-Fragebogens mithilfe der Kontakte des gesamten Projektteams sichergestellt werden.
Die Studie soll neue Erkenntnisse bezüglich entscheidender Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren im Rahmen der digitalen Transformation von Gesundheitssystemen generieren. Die Handlungsempfehlungen, die spezifisch auf das deutsche Gesundheitssystem zugeschnitten und an die Politik adressiert sind, sollen Entscheidungsträger dabei unterstützen, wesentliche Weichen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung von Digital Health zu stellen.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Berger E, Aurich H, Kretzler M, Busse R. Wie digitalisiert ist die Gesundheitsversorgung in Dänemark im Vergleich zu Deutschland? Gesundheits- und Sozialpolitik. 2020;74(4/5):39-48.
- 2.
- Bertram N, Püschner F, Gon\u231 ?alves ASO, Binder S, Amelung VE. Einführung einer elektronischen Patientenakte in Deutschland vor dem Hintergrund der internationalen Erfahrungen. In: Klauber J, Geraedts M, Friedrich J, Wasem J, editors. Krankenhaus-Report 2019. Berlin, Heidelberg: Springer; 2019. p. 3-16.
- 3.
- Amelung VE, Ex P. Inkrementell oder mit der Brechstange: Wie wird das Gesundheitswesen endlich digital? Gesundheits- und Sozialpolitik. 2019;73(1):15-19.
- 4.
- Ledeganck M, Behmer M, Nüsken J, Amelung VE. Braucht die Digitalisierung im Gesundheitswesen mehr monetäre Anreize? Gesundheits-und Sozialpolitik. 2021;75(4-5):63-68.
- 5.
- Yin RK. Case Study Research and Applications: Design and Methods. 6th ed. Sage; 2017.