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Risiken für Leistungserbringer in der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten und ihr Management: Erkenntnisse aus einer qualitativen Studie zu Stakeholder-Perspektiven
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Gesundheitsdaten aus dem Versorgungsalltag stellen eine wichtige Grundlage u.a. für die Gesundheitsberichterstattung, die Public Health- oder Versorgungsforschung und nicht zuletzt auch für politische Gestaltungsprozesse dar. Wesentliche Voraussetzung für die Sekundärnutzung dieser Daten sind neben geeigneten technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen vor allem auch die Interessenwahrung datengebender Patient*innen. Im Diskurs um den Auf- und Ausbau der Nutzungsmöglichkeiten von Gesundheitsdaten kommen Leistungserbringer (z.B. Krankenhäuser) als Datengeber und ihre Interessen bislang kaum explizit vor. Allerdings sind sie es, die in Initiativen wie der Medizininformatik-Initiative (MII) Daten aus dem Versorgungsalltag für die Sekundärnutzung zur Verfügung stellen. Die von ihnen wahrgenommenen Risiken könnten zu Vorbehalten gegenüber dem Datenteilen führen – und folglich die Nutzungsmöglichkeiten von Gesundheitsdaten begrenzen. Über das Spektrum solcher Risiken und Möglichkeiten, diesen professionell zu begegnen, wird bislang kaum diskutiert.
Methoden: Ziel einer explorativen qualitativen Studie war es, Risiken und Strategien für die Risikominimierung zu eruieren. In Online-Interviews mit Expert*innen (N=21) unterschiedlicher Stakeholdergruppen (z.B. Leistungserbringer, Forscher*innen, Vertretung der Patient*innen) wurde gefragt, a) inwiefern die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten für Leistungserbringer mit Risiken verbunden sein kann, b) welche Bedeutung ihnen aufgrund ihrer Merkmale zugeschrieben wird und c) mit welchen Strategien sie angemessen adressiert werden können. Die Daten wurden qualitativ inhaltsanalytisch im deduktiv-induktiven Verfahren ausgewertet.
Ergebnisse: Das Spektrum wahrgenommener Risiken für Leistungserbringer umfasst u.a. mangelnde Gemeinwohlorientierung in der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten, fehlerhafte Datenanalyse und -interpretation sowie die Offenlegung von Problemen im Versorgungsgeschehen. Mögliche Risikofolgen sehen die Interviewpartner*innen v.a. in Schäden für die Reputation, die wirtschaftliche oder die existenzielle Situation. Ausgehend von einer Risikobewertung stehen für die Befragten Strategien zur a) Verbesserung risikosensitiver Prüf- und Beurteilungsverfahren von Sekundärnutzungsvorhaben, b) Maßnahmen zur Verbesserung der Validität in der Sekundärdatennutzung und c) die konzeptionelle Weiterentwicklung der Sekundärdatennutzung im Zentrum der Risikominimierung.
Schlussfolgerungen: Die hier erarbeiteten Befunde geben wichtige Hinweise auf Risiken, die Leistungserbringer mit der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten verbinden können, ihre Bedeutung und Ansätze für das Risikomanagement. Aufbauend auf den Erkenntnissen schlagen wir zum einen theoriegeleitet Anknüpfungspunkte vor, mit denen in den verantwortlichen Initiativen und Gremien faire Zugangs- und Nutzungsentscheidungen unter Wahrung der (Schutz-)Interessen aller beteiligten Akteure weiterentwickelt werden können. Zum anderen weisen die Ergebnisse unserer Studie zugleich auf weitere Handlungsbedarfe hin, um die Potenziale der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten bestmöglich nutzen zu können. Dazu zählen die Verbesserung von Qualität und Validität in der Sekundärdatennutzung – z.B. durch Stärkung von Daten-, Forschungs- und Berichtsqualität) – und die Entwicklung übergreifender Konzepte für die Sekundärdatennutzung.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.