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Der Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und Erfahrungen von Polizeigewalt in der Wahrnehmung Betroffener: eine qualitative Studie
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs über Polizeigewalt (im Folgenden PG) finden die Perspektiven der Betroffenen und insbesondere psychische Folgen kaum Beachtung. In unserer Forschung haben wir deshalb Betroffene befragt, um herauszufinden, wie sie den Zusammenhang zwischen ihren Erfahrungen mit PG und ihrer psychischen Belastung (im Folgenden pB) wahrnehmen. Als theoretischen Hintergrund haben wir unter anderem das Konzept der Viktimisierung nach Mohr (vgl. 2003) sowie eine Machtdefinition nach Foucault verwendet, nach der Macht sich in Interaktionen manifestiert (vgl. 2021: 37).
Die Befragten für unsere Studie haben wir mittels Ausschreibungen in den Sozialen Medien sowie über eigene Kontakte gefunden. Wir haben nach Menschen gesucht, die sich selbst als betroffen von PG und als betroffen von pB sowie als linkspolitisch aktiv empfinden. Wir haben drei Menschen befragt. Von ihnen identifizieren sich zwei Menschen als weiblich und eine Person als männlich, keine*r von ihnen hat einen gelesenen Migrationshintergrund. Sowohl die Kontexte, als auch die Art der Erfahrungen mit PG und die pB unterscheiden sich, obwohl es Schnittmengen gibt. Mittels qualitativer Leitfadeninterviews haben wir schließlich unsere Daten erhoben, die wir anschließend mit der Methode der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet haben (vgl. Kuckartz/Rädiker 2022).
Zwischen den Erzählungen von PG und Erzählungen von pB in den Transkripten gibt es sehr große Überschneidungen. Ein starker Zusammenhang ist dadurch bestätigt. Des Weiteren sind alle Befragten durch ihre PG-Erfahrung stark psychisch belastet. Spezifisch das Zusammenwirken der beiden Belastungen ist im Alltag stark einschränkend. Für alle Befragten war zudem ein Gefühl von Ohnmacht zentral, das sie gegenüber einzelnen Polizist*innen, der Institution Polizei und auch gegenüber ihrer eigenen Belastung empfinden. In Foucaults Sinne manifestiert sich das Machtgefälle im Empfinden der Betroffenen immer wieder, was zusätzlich belastend ist (vgl. Foucault 2021). Durch die PG-Erfahrung bricht zudem ihr Vertrauen in die Menschlichkeit des Gegenübers, wodurch die Belastung eigentlich erst ausgelöst und in der Folge auch schwer zu verarbeiten wird. Die Betroffenen beschreiben weiter, dass sie mit doppelter Stigmatisierung für ihre beiden Betroffenheiten zu kämpfen haben, was einer sekundären Viktimisierung nach Mohr entspricht. Hinzu kommt, dass es keine Hilfsangebote für die Betroffenen gibt, die ihrer speziellen Situation gerecht werden. Auch dies ist eine zusätzliche Belastung.
Es lässt sich festhalten, dass PG massive, sehr einschränkende psychische Folgen für Betroffene hat. Die Betroffenen empfinden sich als ohnmächtig und werden stigmatisiert, während sie gleichzeitig keinerlei Anlaufstellen haben. Mehr Forschung auf diesem Gebiet, die die Perspektive der Betroffenen und die eklatanten Versorgungslücken in den Fokus stellt, ist dringend notwendig.
Interessenkonflikte: Wir sind beide selbst linkspolitisch aktiv und standen der Institution Polizei schon vor dieser Studie kritisch gegenüber. Teilweise haben wir selbst schon Erfahrungen mit Polizeigewalt und mit psychischer Belastung gemacht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.