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Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) nach SARS-CoV-2-Infektion in Berlin-Neukölln – eine bevölkerungsbasierte Erhebung im Rahmen von NAPKON-POP
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Hintergrund: Nach einer Sars-CoV-2-Infektion können Beschwerden auch über die Akutphase der Erkrankung hinaus bestehen bleiben. Dauert dieser Zustand länger als 3 Monate an, liegt ein Post-COVID-Syndrom vor. Häufige Beschwerden umfassen kardiovaskuläre Probleme, Atembeschwerden und Fatigue, gelegentlich jedoch auch das Myalgische Enzephalomyelitis/Chronische Fatigue Syndrom (ME/CFS). Dieses tritt nach Infektionserkrankungen, u.a. nach SARS-CoV-2, auf. Studien zur Häufigkeit von ME/CFS liefern heterogene Ergebnisse, und es gibt es bislang keine verlässlichen Zahlen zur Prävalenz von ME/CFS nach einer SARS-CoV-2-Infektion. Das Nationale Pandemie-Kohorten-Netz (NAPKON) ist eine von mehreren Studien im „Netzwerk Universitätsmedizin“ (NUM), das die Langzeitfolgen von COVID-19 erforschen will. Daher war es das Ziel der vorliegenden Studie, die Häufigkeit der ME/CFS bei im Gesundheitsamt von Berlin-Neukölln registrierten SARS-CoV-2-Infizierten zu untersuchen.
Methodik: Im Rahmen von NAPKON-POP Berlin wurden über das Gesundheitsamt Berlin/Neukölln alle Personen, die im dortigen Stadtbezirk zwischen März und Dezember 2020 mittels PCR-Test positiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet wurden, angeschrieben und zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Einschlusskriterium war ein mindestens 6-monatiger Abstand zur SARS-CoV-2-Infektion. Die Teilnehmenden wurden im Studienzentrum befragt und medizinisch untersucht. Es wurden soziodemographische Faktoren, Lebensstil, Vorerkrankungen und selbst berichtete Symptome erfasst sowie der Verdacht auf ME/CFS mit Hilfe der kanadischen Konsenskriterien nach Carruthers et al. [1] erhoben. In diesem Screening positive Studienteilnehmende wurden an die ME/CFS-Sprechstunde im Charité Fatigue Centrum weitergeleitet, um die Diagnose ME/CFS durch vertiefende Diagnostik zu bestätigen bzw. auszuschließen.
Ergebnisse: Von 1663 angeschriebenen Personen konnten 284 Personen (50% Frauen, mittleres Alter 43,7±15.5 Jahre) in die Analyse eingeschlossen werden. Die mittlere Dauer zwischen dem positiven PCR-Test und der Befragung betrug 11,7 Monate. Während 201 Personen angaben, keinerlei Beschwerden mehr zu haben, berichteten 70, aufgrund von Beschwerden in ihren alltäglichen Aktivitäten eingeschränkt zu sein. Im ME/CFS-Screening-Fragebogen waren 24 Personen positiv. Von diesen Verdachtsfällen konnten 10 in der ME/CFS-Sprechstunde der Charité weitergehend untersucht werden. Bei 2 Personen wurde ein ME/CFS diagnostiziert. Unter der Annahme, dass alle 24 Personen in der ME/CFS-Sprechstunde untersucht worden und die Eigenschaften der Probanden ähnlich seien, könnten bis zu 5 Personen betroffen sein. Diese Ergebnisse sind noch vorläufig.
Diskussion: Die Häufigkeit von ME/CFS-Fällen bei mit SARS-CoV-2-Infizierten im Berliner Bezirk Neukölln im ersten Jahr Pandemie scheint sehr gering. Die große Diskrepanz zwischen der Anzahl der Verdachtsfälle im Screening-Fragebogen und den klinisch diagnostizierten Fällen unterstreicht die Notwendigkeit einer präzisen klinischen Bewertung zur Vermeidung von Fehldiagnosen und Überschätzungen der Häufigkeit von ME/CFS, besonders bei unspezifischen Symptomen wie Fatigue.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.