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Psychische Belastungen und Beanspruchungen wissenschaftlichen Arbeitens (Teil 3): Befristete Arbeitsverhältnisse und Promovierende im Fokus
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Hintergrund: Die Diskussion über die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten und Promovierenden an deutschen Hochschulen sorgte bereits in den Medien für Beachtung, besonders seit der #IchBinHanna-Bewegung auf Twitter, die auf prekäre Arbeitsbedingungen und psychische Belastungen an Universitäten aufmerksam machte [1]. Der vorliegende Beitrag thematisiert spezifische Belastungs- und Beanspruchungsprofile von Wissenschaftler:innen mit befristeten Arbeitsverhältnissen und geht detaillierter auf die Einschätzung der psychischen Belastungen und Beanspruchungen der Promovierenden ein.
Methode: Der Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) stellt ein etabliertes Instrument zur Analyse psychischer Arbeitsbelastungen dar [2]. Im Zeitraum zwischen 2019 und 2024 führte die Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW) an 28 Hochschulen und Universitäten sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen Mitarbeiter:innenbefragungen mit dem COPSOQ durch. Die Angaben von 2.621 Beschäftigten bilden die Basis der Analyse. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden für 31 COPSOQ-Skalen (fünfstufig, Skala: 0–100 Punkte) mögliche Gruppenunterschiede mithilfe einer Gegenüberstellung der Skalenmittelwerte analysiert.
Ergebnisse: Von den 2.621 Beschäftigten haben 1.627 Personen (37%) einen befristeten und 2.748 Personen (63%) einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Unter allen Beschäftigten befinden sich 170 Promovierende. Die Auswertung der Daten zeigt wesentliche Unterschiede zwischen den befristet und den unbefristet Beschäftigten hinsichtlich verschiedener Skalen: Emotionale Anforderungen (befristet: 35, unbefristet: 47 Punkten), Emotionen verbergen (31 vs. 41 Punkten), Entgrenzung (51 vs. 43 Punkten), Spielraum bei Pausen und Urlaub (85 vs. 76 Punkten) sowie der Menge sozialer Kontakte (69 vs. 59 Punkten) und der Unsicherheit des Arbeitsplatztes (31 vs. 17 Punkten).
Hinsichtlich der Einschätzung der psychischen Belastungen bei der Arbeit lassen sich zwischen den Promovierenden und dem weiteren wissenschaftlichen Personal deutliche Unterschiede feststellen. So weisen die Promovierenden beispielsweise höhere „Work-Privacy-Konflikte“ gegenüber dem sonstigen wissenschaftlichen Personal auf (Promovierende: 51, sonst. wissensch. Personal: 37 Punkte). Ein vergleichbares Bild zeigt sich hinsichtlich der Arbeitsumgebung/ phys. Anforderungen (34 vs. 18 Punkten), der Unsicherheit des Arbeitsplatztes (37 vs. 23 Punkten), dem Gedanken an Berufs-Stellenwechsel (32 vs. 21 Punkten) sowie den Burnout- Symptomen (62 vs. 48 Punkte).
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen insgesamt eine hohe Übereinstimmung mit den Befunden aus anderen Studien zur psychischen Belastung bei der Arbeit im Bereich „Wissenschaft“ [3]. Die Analyse zeigt deutliche Unterschiede in den Belastungsprofilen von Beschäftigten in der Wissenschaft, insbesondere mit Blick auf die Promovierenden und befristet Beschäftigten. Im Vergleich zum sonstigen wissenschaftlichen Personal zeigen Promovierende eine höhere Ausprägung von Work-Privacy-Konflikten sowie eine höhere Burnout-Symptomatik. Für befristet Beschäftigte ist das Thema Entgrenzung von Relevanz. Die Ergebnisse betonen die Notwendigkeit gezielter Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Wohlbefindens dieser Subgruppen. Eine offene Arbeitskultur und soziale Unterstützungssysteme könnten dazu beitragen, die psychische Belastung zu reduzieren und das Wohlbefinden der Beschäftigten zu fördern.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Kunz C, de Vries L, Siegrist J. Promotion 24/7? – Ein Erklärungsversuch der Gesundheitszufriedenheit von Promovierenden durch die psychische Distanzierungsfähigkeit und die Rolle der Betreuenden, .eHf – Zeitschrift für empirische Hochschulforschung. 2021;1:80-97.
- 2.
- Lincke HJ, Vomstein M, Lindner A, Nolle I, Häberle N, Haug A et al. COPSOQ III in Germany: validation of a standard instrument to measure psychosocial factors at work. J Occup Med Toxicol. 2021;16(1):50.
- 3.
- Davidson JD, de Oliveira Lopes FN, Safaei S, Hillemann F, Russell NJ, Schaare HL. Postdoctoral researchers’ perspectives on working conditions and equal opportunities in German academia. Front Psychol. 2023;14:1217823.