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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Welches Potenzial steckt im neuen Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz NRW? Modellierung möglicher Gesundheitsgewinne für die Bevölkerung

Meeting Abstract

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  • Monika Mensing - Landeszentrum Gesundheit NRW, Bochum, Germany
  • Odile CL Mekel - Landeszentrum Gesundheit NRW, Bochum, Germany
  • Thomas Classen - Landeszentrum Gesundheit NRW, Bochum, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 859

doi: 10.3205/24gmds690, urn:nbn:de:0183-24gmds6909

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 Mensing et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Gesundheitsförderliche Nahmobilität wird - auch in Nordrhein-Westfalen (NRW) - oft durch unzureichende Infrastruktur erschwert, besonders in Städten. Mittelfristig soll ein NRW-Radverkehrsanteil von 25% im Modalsplit des Gesamtverkehrsaufkommens erreicht werden (derzeit ca. 11%). Wegweisend ist hierbei das am 01.01.2022 in Kraft getretene Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz Nordrhein-Westfalen (FaNaG NRW in der Fassung vom 09.11.2021). Zielschwerpunkte sind die Gleichrangigkeit des Rad- und Fußverkehrs mit dem motorisierten Individualverkehr, ein verbindlicher Bedarfsplan von Radschnellverbindungen, Förderung von Rad- und Mobilstationen als Verknüpfungspunkte für verschiedene Verkehrsmittel und eine verbesserte Verkehrssicherheit. Ein flankierender Aktionsplan [1], mit strategischen Handlungsfeldern und konkreten Maßnahmen zur FaNaG-Umsetzung, möchte kommunale infrastrukturelle Maßnahmen initiieren, die neben klimaschützenden besonders gesundheitsförderliche Auswirkungen auf die Bevölkerung haben werden. Wie hoch das gesundheitsförderliche Potenzial des FaNaG durch vermehrte körperliche Aktivität für verschiedene NRW-Bevölkerungsgruppen einzuschätzen ist, soll durch Modellierung ermittelt werden.

Methoden: Die dynamische Markov-basierte Modellierung alternativer Risiko-Expositions-Szenarien mit der generischen Software DYNAMO-HIA (‘DYNAmic MOdel for Health Impact Assessment’) [2] ermöglicht die quantitative Abschätzung gesundheitlicher Auswirkungen von politischen Entscheidungen und Interventionen. Die Simulation erfolgt dabei auf Grundlage epidemiologischer kausaler Wirkungsketten. Das Modell benötigt neben Bevölkerungsdaten auch aktuelle Prävalenzdaten zu Risikofaktoren, chronischen Erkrankungen und Angaben zu den verknüpfenden Relativen Risiken. Für NRW wurden 2018 die hier relevante Exposition ‚Körperliche Aktivität‘ und assoziierte Erkrankungen generiert und in die Software eingespeist [3].

Ergebnisse: Für die geplante Modellierung zeigte sich, dass die Exposition ‚Körperliche Aktivität‘ spezifischer und kleinräumiger betrachtet und an das derzeitige und zukünftig avisierte Nahmobilitätsverhalten der Bevölkerung angepasst werden muss. Insbesondere spielen das Ausmaß aktueller E-Bike-/Pedelec-Mobilität eine Rolle und die Frage, inwiefern bis dato verwendete Dosis-Wirkungs-Funktionen für die Beziehung zwischen Fahrradnutzung und Gesundheitsoutcomes für moderne Nahmobilität noch verlässlich anzuwenden sind. Weitere relevante Aspekte sind veränderte Unfall-Wahrscheinlichkeiten und Immissionen bzw. Expositionen (z.B. Feinstaub).

Schlussfolgerung: Auf internationaler Ebene liegen erste Studien vor, die vergleichbare kommunale Vorhaben zum Ausbau Fahrrad- und Fußgänger-freundlicher Infrastruktur bzgl. ihres Plus an körperlicher Bewegung und damit auch zu ihrem krankheitspräventiven Potenzial evaluiert haben [4].

Nach Aktualisierung relevanter Variablen erlaubt die Modellierung mit DYNAMO-HIA auch für NRW eine fundierte Abschätzung, welche Gesundheitsgewinne durch die geplanten Strukturmaßnahmen mittel- bis langfristig erreicht werden können. Besonders stehen der zu erwartende Zuwachs körperlicher Aktivität durch mehr Nahmobilität und ihr präventiver Einfluss auf die künftige Prävalenz einiger chronischer Erkrankungen im Mittelpunkt. Ziel soll dabei auch eine kleinräumige Betrachtung sein, da die gegenwärtigen Radverkehrsanteile in NRW-Kommunen sehr heterogen sind. Im Ergebnis kann mit der Modellierung dann den am Aktionsplan beteiligten Kreisen und kreisfreien Städten NRWs, die eine nachhaltige, klimafreundliche und gesundheitsförderliche Kommunalentwicklung verfolgen, eine wichtige Argumentationshilfe an die Hand gegeben werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
VM NRW. Aktionsplan des Landes Nordrhein-Westfalen zum Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz (FaNaG). 2022 [abgerufen am 30.04.2024]. Verfügbar unter: https://www.agfs-nrw.de/fileadmin/Fachthemen/Nahmobilitaet/aktionsplan-fahrrad-und-nahmobilitaetsgesetz.pdf Externer Link
2.
Lhachimi SK, Nusselder WJ, Smit HA, et al. DYNAMO-HIA–A Dynamic Modeling Tool for Generic Health Impact Assessments. PLoS ONE. 2012;7(5):e33317. DOI: 10.1371/journal.pone.0033317 Externer Link
3.
Mensing M, Mekel OCL. Physical activity in DYNAMO-HIA. Report on data collection for physical activity prevalence in NRW and related relative risks for different health outcomes for dynamic HIA modelling. A methodology report. 1. Auflage. Bochum: Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen; 2018.
4.
Kahlmeier S, Wittowsky D, Fehr R. Mobilität und StadtGesundheit. Gesundheitswesen. 2023;85(Suppl. 5):S304–S310.
5.
Castro A, Gaupp-Berghausen M, Dons E, et al. Physical activity of electric bicycle users compared to conventional bicycle users and non-cyclists: Insights based on health and transport data from an online survey in seven European cities. Transportation Research Interdisciplinary Perspectives. 2019;1:100017. DOI: 10.1016/j.trip.2019.100017 Externer Link