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Bildungsunterschiede beim Rauchverhalten Erwachsener – ein europäischer Vergleich. Ergebnisse des European Health Interview Survey (EHIS 2019/2020)
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Weltweit bleibt Tabakkonsum einer der bedeutendsten Risikofaktoren für die Entstehung nicht-übertragbarer Krankheiten [1]. Für die Entwicklung effektiver Präventionsmaßnahmen ist es entscheidend, Konsumunterschiede in der Bevölkerung, insbesondere zwischen verschiedenen sozialen Gruppen, zu kennen und verstehen [2]. So finden sich höhere Rauchprävalenzen in der niedrigen und mittleren Bildungsgruppe [3]. Bildung hat verglichen mit anderen sozialen Determinanten wie Berufsstatus und Einkommen den größten Einfluss auf das Rauchverhalten [4]. Außerdem bestehen deutliche Geschlechterunterschiede. In den einzelnen Ländern der Europäischen Union (EU) werden Maßnahmen der Tabakkontrolle unterschiedlich umgesetzt. Im europäischen Vergleich belegt Deutschland in der Rangliste zur Umsetzung dieser Maßnahmen einen der unteren Plätze [5]. Mit den EHIS-2019/20-Mikrodaten wird geprüft, ob sich bildungs- und geschlechtsbezogene Unterschiede im Rauchverhalten zwischen Deutschland und dem EU-Durchschnitt zeigen.
Methoden: Datengrundlage ist die dritte Welle der europäischen Gesundheitsbefragung (European Health Interview Survey, EHIS) aus dem Jahr 2019/2020. Die gewichteten Analysen basieren auf Angaben von n=311.385 Personen ab einem Alter von 15 Jahren, die unter anderem Angaben zu ihrem Rauchverhalten, ihrer Bildung (höchster Schul- und Berufsbildung) und weiteren soziodemographischen Fragen gemacht haben. Es werden Prävalenzen (relative Häufigkeiten) mit 95%-Konfidenzintervallen (95%-KI) berechnet. Die deskriptiven Analysen differenzieren das aktuelle Rauchen (täglich oder gelegentlich) nach Geschlecht, Alter (15-29 Jahre, 30-44 Jahre, 45-64 Jahre, 65+ Jahre) und Bildungsgruppen (gemäß International Standard Classification of Education (ISCED): untere Bildungsgruppe, mittlere Bildungsgruppe, obere Bildungsgruppe). Aufgrund der unterschiedlichen Bildungschancen der Generationen in den EU-Ländern werden die Analysen der Unterschiede in den Bildungsgruppen in Deutschland und Europa altersstandardisiert durchgeführt.
Ergebnisse: In Deutschland geben 28,3 % (95%-KI: 27,4-29,3) der Erwachsenen an, täglich oder gelegentlich zu rauchen, unter Frauen 23,5 % (95%-KI: 22,3-24,8), unter Männern 33,3 % (95%-KI: 31,8-34,9). Bei der Betrachtung der einzelnen Bildungsgruppen zeigen sich deutliche Unterschiede in der Rauchprävalenz. Insgesamt rauchen 36,0 % (95%-KI: 32,5-39,6) der Personen in der niedrigen Bildungsgruppe, in der hohen Bildungsgruppe nur 19,4 % (95%-KI: 18,3-20,6). Der Unterschied zwischen der niedrigen und hohen Bildungsgruppe liegt bei Frauen in Deutschland insgesamt bei 15 Prozentpunkten, bei Männern bei 18 Prozentpunkten.
Die Rauchprävalenz im EU-Durchschnitt liegt bei 24,4 % (95%-KI: 24,1-24,7). Auch hier zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede, Männer geben häufiger an zu rauchen als Frauen. Betrachtet man die Rauchprävalenzen in den einzelnen Bildungsgruppen, zeigt sich ein ähnliches Bild wie in Deutschland. Insgesamt rauchen 30,5 % (95%-KI: 29,6-31,5) Personen in der niedrigen Bildungsgruppe, während in der hohen Bildungsgruppe nur 18,2 % (95%-KI: 17,8-18,7) Personen. Der Unterschied zwischen der hohen und der niedrigen Bildungsgruppe im EU-Durchschnitt insgesamt ist mit 12 Prozentpunkten geringer als in Deutschland.
Schlussfolgerung: Die vorliegenden Ergebnisse zeigen eine deutliche soziale Unterschiede im Tabakkonsum. Tabakkontrollmaßnahmen sollten daher nicht nur die Rauchprävalenz, sondern auch die soziale Ungleichheit zu berücksichtigen (sog. equity-impact). Eine Betrachtung derjenigen EU-Länder, die eine vergleichsweise niedrige soziale Ungleichheit beim Rauchverhalten haben, im Zusammenhang mit deren Maßnahmen zur Tabakprävention könnte aufschlussreich sein. In der Literatur sind bislang Preissteigerungen und gezielte Rauchausstiegs-Angebote als „Equity“-positive Maßnahmen beschrieben [2].
Das Ausmaß der der absoluten und relativen Bildungsunterschiede in den Rauchprävalenzen werden bis zum Kongress mittels des Slope Index of Inequality (SII) und des Relative Index of Inequality (RII) untersucht.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Magnussen C, Ojeda FM, Leong DP, Alegre-Diaz J, Amouyel P, Aviles-Santa L, et al. Global Effect of Modifiable Risk Factors on Cardiovascular Disease and Mortality. New England Journal of Medicine. 2023;389(14):1273-85.
- 2.
- Smith CE, Hill SE, Amos A. Impact of population tobacco control interventions on socioeconomic inequalities in smoking: a systematic review and appraisal of future research directions. Tobacco Control. 2020;30(e2):e87-95.
- 3.
- Gallus S, Lugo A, Liu X, Behrakis P, Boffi R, Bosetti C, et al. Who Smokes in Europe? Data From 12 European Countries in the TackSHS Survey (2017–2018). Journal of Epidemiology. 2021;31(2):145-51.
- 4.
- Huisman M, Kunst AE, Mackenbach JP. Inequalities in the prevalence of smoking in the European Union: comparing education and income. Prev Med. 2005;40(6):756-64.
- 5.
- Joossens L, Olefir L, Feliu A, Fernandez E. The Tobacco Control Scale 2021 in Europe. Brussels: Smoke Free Partnership, Catalan Institute of Oncology; 2022.