gms | German Medical Science

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

ADHS-Medikation bei Kindern und Jugendlichen mit administrativ dokumentierter ADHS-Diagnose – Ergebnisse des Konsortialprojekts INTEGRATE-ADHD

Meeting Abstract

  • Ann-Kristin Beyer - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Lilian Beck - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Heike Hölling - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Thomas Jans - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Annalena Berner - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Sophia Weyrich - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Vanessa Scholz - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Marcel Romanos - Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Anne Kaman - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Hamburg, Germany
  • Ulrike Ravens-Sieberer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Hamburg, Germany
  • Katharina Weinert - Vandage Health Economics und Analytics, Bielefeld, Germany
  • Julian Witte - Vandage Health Economics und Analytics, Bielefeld, Germany
  • Cornelia Fiessler - Universität Würzburg, Würzburg, Germany
  • Jonas Widmann - Universität Würzburg, Würzburg, Germany
  • Peter Heuschmann - Universität Würzburg, Würzburg, Germany
  • Cordula Riederer - DAK-Gesundheit, Hamburg, Germany
  • Robert Schlack - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 904

doi: 10.3205/24gmds606, urn:nbn:de:0183-24gmds6067

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 Beyer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. ADHS geht für Betroffene und deren Familien mit Einschränkungen im sozialen, schulischen, gesundheitlichen und familiären Bereich einher und verursacht hohe Kosten in der Gesundheitsversorgung. Fragen zur Prävalenz und medikamentösen Behandlung der ADHS wurden vor dem Hintergrund steigender Diagnoseprävalenzen und Verordnungsraten aus Kassendaten vor allem in der ersten Dekade dieses Jahrtausends oft kontrovers diskutiert. Im Rahmen des Konsortialprojekts INTEGRATE-ADHD wurden erstmals für Deutschland mittels eines Data-Linkage Ansatzes administrative und über eine epidemiologische Befragung der Eltern erhobene ADHS-Diagnosedaten gesetzlich versicherter Kinder und Jugendlicher auf Individualebene miteinander verknüpft. Knapp ein Drittel der befragten Eltern berichtete dabei die administrativ dokumentierte, als gesichert gekennzeichnete ADHS-Diagnose ihres Kindes nicht. Im Rahmen dieses Beitrags wird untersucht, wie häufig Kindern und Jugendlichen mit administrativer ADHS-Diagnose ADHS-Medikation (ATC N06BA02, N06BA04, N06BA09, N06BA12, N06BA21) verordnet wird und wie sich die Verordnungsraten nach verschiedenen, in der Befragung erhobenen soziodemografischen Charakteristika unterscheiden. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, inwiefern sich die Verordnungsraten in Abhängigkeit vom Vorliegen eines Elternberichts der administrativen ADHS-Diagnose unterscheiden.

Methoden: Eltern von 5.461 im Jahr 2020 bei der drittgrößten, bundesweit tätigen gesetzlichen Krankenkasse DAK-Gesundheit versicherten Kindern und Jugendlichen, die in mindestens einem Quartal (M1Q-Kriterium) des Jahres 2020 eine als gesichert gekennzeichnete administrative ADHS-Diagnose (ICD-10 F90.-) aufwiesen, beantworteten online modifizierte epidemiologische Fragebögen der KiGGS- und BELLA-Studie, unter anderem zur ADHS-Diagnose ihres Kindes, der ADHS-Symptomatik, zur Inanspruchnahme des Kindes von Leistungen des Gesundheitssystems sowie zur Soziodemografie. Die Analysen verbinden bi- und multivariat (binär-logistische Regressionen) die epidemiologisch erhobenen Fragebogendaten mit den administrativen Daten zur Verordnung von ADHS-Medikation.

Ergebnisse: Insgesamt 42,7% der Kinder und Jugendlichen mit administrativ dokumentierter ADHS-Diagnose erhielten im Jahr 2020 eine Verordnung von ADHS-spezifischer Medikation. Die Verordnungsrate bei Kindern mit Elternbericht der ADHS-Diagnose lag bei knapp 60%, bei Kindern ohne Elternbericht bei knapp 6%. Die Verordnung von ADHS-Medikation erfolgte signifikant häufiger für Jungen, ältere Kinder, Kinder aus Familien mit niedrigerem Bildungsstand, Kinder aus Familien ohne Migrationshintergrund, aus Stieffamilien und sonstigen Familienformen (im Unterschied zu Kern- und Einelternfamilien) sowie bei höherer Symptomlast. Wurden die Analysen auf Kinder und Jugendliche mit Elternbericht der ADHS-Diagnose eingeschränkt, fanden sich keine Geschlechtsunterschiede mehr.

Schlussfolgerung: Dass überwiegend Kinder, deren Eltern die ADHS-Diagnose berichten und die höhere Symptomlasten aufweisen, Verordnungen von ADHS-Medikation erhalten, wirft Fragen nach der Kodierqualität bei ADHS-Diagnosen von Kindern, deren Eltern die Diagnose des Kindes nicht berichten, sowie nach der Arzt-Patienten-Kommunikation auf. Die nicht mehr bestehenden Häufigkeitsunterschiede in den Verordnungsraten von ADHS-Medikation zwischen Jungen und Mädchen in der Gruppe der Kinder und Jugendliche mit elterlichem Diagnosebericht muss zukünftig bei der Bewertung insbesondere geschlechtsspezifischer Verordnungsraten für ADHS-Medikation aus Routinedaten berücksichtigt werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.