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Wer erinnert Eltern in Deutschland wie an die HPV-Impfung? Ergebnisse bundesweiter Befragungen von Eltern und Pädiater:innen im Rahmen von InveSt HPV, 2023
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Jährlich erkranken in Deutschland etwa 6.250 Frauen und 1.600 Männer an HPV-bedingten Krebserkrankungen. Durch eine zeitgerechte HPV-Impfung könnte ein Großteil dieser Erkrankungen mittelfristig verhindert werden. Aktuell liegen die HPV-Impfquoten in Deutschland für eine vollständige Impfserie bei 15-jährigen Mädchen und Jungen lediglich bei 54% bzw. 27%. Internationale Studien belegen die Wirksamkeit von Erinnerungssystemen zur Impfquotensteigerung, jedoch sind diese in Deutschland bisher nicht flächendeckend etabliert. Im Rahmen der „Interventionsstudie zur Steigerung der HPV-Impfquoten in Deutschland“ (InveSt HPV) des RKI wurden bundesweit Eltern und Pädiater:innen befragt. Ziel der Befragungen war es u.a., die Nutzung solcher Erinnerungssysteme in Deutschland zu erfassen und elterliche Wünsche an Erinnerungssysteme am Beispiel der HPV-Impfung zu identifizieren.
Methoden: Von August bis November 2023 wurden Eltern mit mindestens einem 9-14-jährigen Kind sowie niedergelassene Pädiater:innen aus ganz Deutschland mittels zweier Online-Surveys befragt. Die Eltern wurden unter Berücksichtigung von Quoten nach Bildungsstand (Statistisches Bundesamt, 2022) und nach Geschlecht des Kindes (50:50) rekrutiert. Die Auswertungen erfolgten deskriptiv und Gruppenunterschiede wurden inferenzstatistisch abgesichert.
Ergebnisse: An den Befragungen nahmen 1.805 Eltern und 345 Pädiater:innen teil.
Die Impfstatus-Kontrolle erfolgte bei 27% der Pädiater:innen in der Regel anhand der Patientenakte und bei 21% anhand des vorgelegten Impfausweises. 10% der Pädiater:innen nutzten zur Kontrolle ein Praxisverwaltungssystem. Häufigster Anlass für die Impfstatuskontrolle war die U- oder J-Untersuchung (47%). Pädiater:innen gaben das persönliche Gespräch in der Praxis als primäre Erinnerungsart an (68%), gefolgt von Erinnerungszetteln (11%). 35% der Pädiater:innen nutzten ein softwaregestütztes Erinnerungssystem; von diesen berichteten 40%, dass die Kontaktaufnahme zur HPV-Impferinnerung automatisiert erfolgt. Als häufigste Gründe für die Nicht-Nutzung eines softwaregestützten Erinnerungssystems wurden eine hohe Auslastung der Praxis und ein zu hoher zeitlicher und finanzieller Aufwand der Nutzung genannt.
47% der befragten Eltern wurden schon einmal an die HPV-Impfung erinnert, 76% davon von der versorgenden Arztpraxis: 29% der Eltern im persönlichen Gespräch, 18% per Telefonanruf und 13% mittels Erinnerungszettel. 11% der befragten Eltern mit angegebener Erinnerung erhielten diese von der Krankenkasse: 32% postalisch, 21% per Telefonanruf und 14% mittels SMS/Messenger-Dienst.
Der HPV-Impfstatus der Kinder unterschied sich signifikant danach, ob die Eltern eine Erinnerung erhalten hatten: mind. einmal geimpft waren 70% der erinnerten Kinder vs. 44% der nicht-erinnerten Kinder (p<0,001). 70 % der Eltern wünschten sich generell Impferinnerungen: 57% von der versorgenden Arztpraxis, 20% von der Krankenkasse, am häufigsten in schriftlicher Form (24% per Post, 22% per Email) und personalisiert (68%).
Schlussfolgerung: Kinder in Deutschland, deren Eltern an die HPV-Impfung erinnert wurden, waren signifikant häufiger gegen HPV geimpft. Die HPV-Impferinnerung erfolgte am häufigsten durch das persönliche Gespräch in der versorgenden Arztpraxis. Eltern wünschen sich dagegen eher schriftliche Erinnerungen. Die für eine Erinnerung notwendige Impfstatuskontrolle wurde von Pädiater:innen zumeist analog anhand der Akte oder des mitgebrachten Impfpasses durchgeführt und war in den meisten Fällen an eine U-/J-Untersuchung gekoppelt. Softwaregestützte Erinnerungssysteme sind in Deutschland mit einem Nutzeranteil von einem Drittel bisher wenig verbreitet. Auch bei Pädiater:innen mit softwaregestütztem Erinnerungssystem erfolgte die Kontaktaufnahme zur Impferinnerung mehrheitlich trotzdem zeitaufwendig durch das Praxispersonal. Die Ergebnisse machen deutlich, dass HPV-Impferinnerungen in Deutschland nicht systematisch erfolgen und zumeist an eine aktive Arzt-Patienten-Beziehung mit Praxisbesuchen geknüpft sind.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.