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Generische und indikationsspezifische Aspekte der subjektiven Erwerbsprognose von Patient*innen in der kardiologischen, onkologischen und orthopädischen Anschlussrehabilitation – eine qualitative Vergleichsstudie (BESSER-V)
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Eine von den Patient*innen selbst eingeschätzte, ungünstige Erwerbsprognose ist mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Rückkehr an den Arbeitsplatz nach der Anschlussrehabilitation (AR) verbunden [1]. Bislang fehlen allerdings Studien, die diese subjektive Erwerbsprognose (SE) hinsichtlich generischer und indikationsspezifischer bedeutsamer Aspekte untersuchen.
Methoden: Für diese qualitative Vergleichsstudie wurde zunächst basierend auf einer Literaturrecherche sowie einer Vorstudie [2] in der kardiologischen AR ein konzeptionelles Modell zur Abbildung der subjektiv bedingenden Aspekte einer SE erstellt. Dies diente als Grundlage für den Interviewleitfaden dieser Vergleichsstudie, in der Einzelinterviews (Sep 2023-laufend) mit Patient*innen sowohl in der kardiologischen, onkologischen als auch orthopädischen AR durchgeführt wurden. Sechs Monate nach Klinikentlassung wurden die Patient*innen nochmals interviewt, diesmal telefonisch. Die Stichprobenauswahl erfolgte mittels theoretischen Samplings durch vordefinierte Einschluss- (AR, Alter 18-60 Jahre, ungünstige SE) und Ausschlusskriterien (Arbeitslosigkeit > 3 Monate, vorgezogene Altersrente) bis zur theoretischen Sättigung. Alle Interviews wurden softwaregestützt transkribiert, kodiert und mit der Flexible-Pattern-Matching-Methode [3] analysiert, die einen empirischen als auch literaturbasierten Vergleich der Muster ermöglicht.
Ergebnisse: Die vorläufigen Ergebnisse umfassen insgesamt 32 Interviews (50 % weiblich) mit 20 kardiologischen, fünf orthopädischen und sieben onkologischen Patient*innen mit einem Medianalter von 54 Jahren (33-60). Indikationsübergreifend zeigte sich, dass die meisten Patient*innen nach der AR wieder arbeiten wollten - entweder in Form von einer Rückkehr in den bisherigen Beruf, einen neuen Beruf oder einen anderen Arbeitgeber.
Die SE war durch folgende sieben generische Themen inkl. ihrer hinderlichen und förderlichen Aspekte (teilweise indikationsspezifisch) geprägt: in das Thema „Wahrnehmung der Gesundheit“, schien hauptsächlich bei kardiologischen Patient*innen die erkrankungsbezogene mentale Belastung (z. B. Herzangst) eine Rolle für die SE zu spielen. Im Thema „Wahrnehmung des Umfelds“ waren das persönliche Umfeld, das Arbeitsumfeld und die gesellschaftlichen Umstände besonders wichtig. Die Umsetzbarkeit der Lebensstil- und Arbeitsplatzänderungen waren im Bereich „Gesundheitsverhalten und Lebensstil“ für die Patient*innen bedeutsam. Insbesondere kardiologische Patient*innen wollten primär- als auch sekundärpräventiv ihr Gesundheitsverhalten ändern, um ihren Einstieg in den Alltag und den Beruf zu fördern. Hinsichtlich des Themas „Wahrnehmung der bisherigen Tätigkeit“ prägten vor allem problematische Arbeitsbedingungen (z. B. wahrgenommene psychische und/oder körperliche Belastung) die SE. Im Thema „Verunsicherung über die Zukunft“ ließ der Gesundheitszustand die Patient*innen an ihrer beruflichen Wiedereingliederung zweifeln. Überwiegend onkologische Patient*innen waren unsicher bzgl. des weiteren Verlaufs ihrer Krankheit. Bezüglich des Themas „Motive der Erwerbsabsicht“ wurde die Bedeutung der Berufstätigkeit von den Patient*innen für eine mögliche Rückkehr ins Berufsleben als maßgebend wahrgenommen. Innerhalb des Themas „Wiedereingliederungsmöglichkeiten“ wogen die Patient*innen die Chancen und Barrieren ihrer beruflichen Wiedereingliederung ab und eruierten die Durchführbarkeit der Arbeitsplatzanpassungen. Hierbei hatten insbesondere orthopädische Patient*innen im Vergleich zu onkologischen und kardiologischen Patient*innen öfter konkrete Vorstellungen zu ihrer beruflichen Wiedereingliederung.
Schlussfolgerung: Ein Großteil der kardiologischen, orthopädischen und onkologischen Patient*innen wollte nach der AR wieder in den Beruf zurückkehren. Allerdings ist die SE von generischen Themen und indikationsspezifischen Aspekten geprägt, die die berufliche Wiedereingliederung von Patient*innen einerseits hindern, anderseits fördern. Die hier ermittelten subjektiv bedeutsamen Aspekte der SE sollen im späteren Verlauf der Studie in umsetzbare Reha-Maßnahmen im Sinne eines Maßnahmenkatalogs für Patient*innen mit einer ungünstigen SE (indikationsspezifisch) umgewandelt werden.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Deutsche Rentenversicherung. Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung. Aktualisierte Auflage: 30.10.2023. 2023. Verfügbar unter: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_reha_einrichtungen/konzepte_systemfragen/konzepte/MBOR_AP_2019.pdf
- 2.
- Brehmer N, Wolff L, Völler H, Salzwedel A. Was bestimmt die subjektiven Erwerbsaussichten nach einem akuten kardialen Ereignis? Eine qualitative Studie mit kardiologischen RehabilitandInnen. In: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP e.V.) und der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS); 2022 Sep 07–09; Magdeburg.
- 3.
- Bouncken RB, Qiu Y, Sinkovics N, Kürsten W. Qualitative research: extending the range with flexible pattern matching. Rev Manag Sci. 2021;15:251–273. DOI: 10.1007/s11846-021-00451-2