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Diskriminierungserfahrung, Zugehörigkeitsgefühl und Deutschkenntnisse bei Menschen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten: Zeigen sich Unterschiede in Hinblick auf Risiko, Versorgung und Komplikationen von Typ-2-Diabetes in der Studie GEDA Fokus?
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Gesundheitliche Chancen von Menschen variieren und stehen im Zusammenhang mit Lebensbedingungen und gesammelten Erfahrungen. Auch Migration stellt eine wichtige soziale Determinante der Gesundheit dar. Die Studie Gesundheit in Deutschland aktuell: Fokus (GEDA Fokus) bei Erwachsenen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten zeigte Unterschiede im Gesundheitsverhalten und Gesundheitszustand in Abhängigkeit von Diskriminierungserfahrungen, Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft und Deutschkenntnissen auf [1], [2]. Im vorliegenden Beitrag wird untersucht, ob je nach Ausprägung dieser migrationsbezogenen Merkmale auch Unterschiede hinsichtlich des Risikos, der Versorgung und der Komplikationen von Typ-2-Diabetes bestehen.
Methoden: Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen der bundesweiten Befragungsstudie GEDA Fokus (11/2021-05/2022; Einwohnermeldeamtsstichprobe) unter in Deutschland lebenden Menschen mit italienischer, kroatischer, polnischer, syrischer oder türkischer Staatsangehörigkeit. Bei Erwachsenen ohne bekannten Diabetes mellitus (n = 4.698, 18–79 Jahre) wurde das 5-Jahres-Risiko (in %) für Typ-2-Diabetes über den Deutschen Diabetes-Risiko-Test (DRT) erfasst, der Alter, verhaltensbasierte Risikofaktoren sowie die familiäre Vorbelastung für Typ-2-Diabetes berücksichtigt. Bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes (n = 326, 45–79 Jahre) wurden Informationen zu Versorgungsaspekten (Medikationsmuster, Blutzuckerselbstkontrollen, Blutzuckerkontrollen durch medizinisches Personal im letzten Jahr) und zum Vorliegen diabetesspezifischer Komplikationen erhoben (diabetische Nierenerkrankung, Augenerkrankung, Nervenleiden, diabetischer Fuß und Amputationen). Berichtet werden im Folgenden bevölkerungsgewichtete Prävalenzschätzer mit 95%-Konfidenzintervallen für migrationsbezogene Charakteristika (Diskriminierungserfahrungen im Alltag sowie im Gesundheits- und Pflegebereich, Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft in Deutschland, selbsteingeschätzte Deutschkenntnisse).
Ergebnisse: Ein hohes bis sehr hohes Risiko (≥ 10 %), in den nächsten 5 Jahren einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, liegt insgesamt bei 6,8 % der in die Analyse einbezogenen Erwachsenen ohne bekannten Diabetes vor. Bei Erwachsenen ohne Diabetes mit muttersprachlichen oder sehr guten bzw. guten im Vergleich zu höchstens mittelmäßigen Deutschkenntnissen zeigt sich seltener ein hohes bis sehr hohes Diabetesrisiko (5,7 % vs. 8,8 %). Zwischen dem Diabetesrisiko und den anderen betrachteten migrationsbezogenen Variablen bestand kein Zusammenhang. Unter den 45- bis 79-Jährigen mit Typ-2-Diabetes erhalten 91,2 % blutzuckersenkende Medikamente, darunter 28,3 % Insulin (allein oder kombiniert mit anderen Antidiabetika). 57,4 % berichten über Blutzuckerselbstkontrollen und 93,0 % über Blutzuckerkontrollen durch medizinisches Personal. Hinsichtlich dieser betrachteten Versorgungsaspekte sind keine Unterschiede nach migrationsbezogenen Variablen beobachtbar. Insgesamt 32,6 % der Personen mit Typ-2-Diabetes geben mindestens eine der betrachteten Komplikationen an. Häufigere im Vergleich zu selten oder nie berichteten Diskriminierungserfahrungen im Gesundheits- und Pflegebereich gehen vermehrt mit dem Vorliegen mindestens einer diabetesbedingten Organkomplikation einher (60,3 % vs. 26,2 %). Weitere Zusammenhänge zwischen Diabeteskomplikationen und migrationsbezogenen Variablen zeigen sich nicht.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse dieser bundesweiten Studie zu Erwachsenen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten zeigen, dass eine Reduktion von Diskriminierung und Sprachbarrieren auch für die Prävention und Versorgungsqualität von Typ-2-Diabetes bedeutsam ist. Für die Entwicklung effektiver Präventionsangebote müssen die Zusammenhänge zwischen migrationsbezogenen und sozialen Determinanten, wie Lebens- und Arbeitsbedingungen, besser verstanden werden. Hierzu ist es notwendig Menschen mit Migrationsgeschichte in das bundesweite Gesundheitsmonitoring zu integrieren und migrationsbezogene Charakteristika für eine geplante Surveillance zu nichtübertragbaren Erkrankungen (NCD) am Robert Koch-Institut mit zu berücksichtigen.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Bartig S, Bug M, Koschollek C, Kajikhina K, Blume M, Siegert M, et al. Gesundheit von Menschen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten in Deutschland: Prävalenzen nichtübertragbarer Erkrankungen und damit assoziierte soziale sowie migrationsbezogene Faktoren.Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2023;66(10):1071-82.
- 2.
- Bartig S, Koschollek C, Bug M, Blume M, Kajikhina K, Geerlings J, et al. Gesundheit von Menschen mit ausgewählten Staatsangehörigkeiten in Deutschland – Ergebnisse der Studie GEDA Fokus. J Health Monit. 2023(1):7-35.