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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Verbesserte soziale Teilhabe durch autonome Bedarfsverkehre? – Ergebnisse einer longitudinalen Beobachtungsstudie zum Einfluss eines innovativen Verkehrskonzeptes auf die soziale Teilhabe von Bürger*innen im ländlichen Raum

Meeting Abstract

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  • Patricia von Mallek - Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, IBE, Medizinische Fakultät, LMU München, München, Germany
  • Michaela Coenen - Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, IBE, Medizinische Fakultät, LMU München, München, Germany
  • Sandra Kus - Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung, IBE, Medizinische Fakultät, LMU München, München, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 716

doi: 10.3205/24gmds516, urn:nbn:de:0183-24gmds5167

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 von Mallek et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die soziale Teilhabe einer Person, als ein wichtiger Faktor der körperlichen und mentalen Gesundheit, steht nach dem bio-psycho-sozialen Modell in Wechselwirkung mit Umweltfaktoren, zu denen z.B. das Transportwesen zählt [1]. Insbesondere im ländlichen Raum ist die Bereitstellung von Mobilitätsangeboten essenziell, um für Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, den Zugang zu Kultur-, Freizeit und Gesundheitseinrichtungen sicherzustellen und damit die Teilhabe am sozialen Leben zu ermöglichen [2]. Im Projekt „HEAL“ wird im ländlich gelegenen bayerischen Markt Bad Birnbach ein erweitertes Mobilitätsangebot im Ortskern geschaffen, indem das örtliche Streckennetz eines autonomen Busses ausgebaut und das Angebot bedarfsorientiert, d.h. auf Abruf per App oder Telefon zur Verfügung gestellt wird. In einer im Markt Bad Birnbach durchgeführten Längsschnittstudie wird der Einfluss dieses innovativen Mobilitätsangebots auf die subjektiv wahrgenommene soziale Teilhabe der Bürger*innen erfasst.

Methoden: Es wurde eine longitudinale Beobachtungsstudie mit drei Erhebungszeitpunkten mit erwachsenen Bürger*innen des Marktes Bad Birnbach im Zeitraum von 10/2021 bis 03/2023 durchgeführt. Die Basiserhebung fand vor Start des Mobilitätsangebotes statt, die erste und zweite Nacherhebung sechs und zehn Monate nach Einführung. Eingesetzt wurde ein Fragebogen bestehend aus standardisierten Instrumenten zur Erhebung der subjektiv wahrgenommenen sozialen Teilhabe (PROMIS short form 6A – [3]) und Alltagsmobilität [4]. Ebenfalls wurde die Nutzung von Transportmitteln, zur Nacherhebung die Nutzung des autonomen Bedarfsangebotes, sowie soziodemografische Daten, Daten zur PKW-Verfügbarkeit und zur gesundheitlichen Beeinträchtigung erfasst. Assoziationen erhobener Faktoren auf die soziale Teilhabe wurden zuerst bivariat getestet. Mittels multipler, linearer Regression wurde untersucht, inwiefern die Nutzung des autonomen Bedarfsangebotes mit der sozialen Teilhabe der Bürger*innen assoziiert ist (α=0.1). Weitere assoziierte Variablen wurden mittels LASSO-Verfahren selektiert.

Ergebnisse: Insgesamt nahmen 97 Personen (52% weiblich; 43% über 65 Jahre) an der Studie teil. Für die weiteren Analysen wurden zwei Strata gebildet. Strata eins (n=52; 54%) mit Personen die über 65 Jahre alt und/oder eine gesundheitliche Einschränkung angaben. Strata zwei (n= 45; 46%) mit Personen von 18-65 Jahren und ohne gesundheitliche Einschränkungen. Aus den bivariaten Analysen zeigt sowohl die Zugehörigkeit zum Strata eins (r=-.15), als auch der Wohnort außerhalb des Ortskerns, im Vergleich zum Ortskern Bad Birnbachs eine negative Assoziation (r=-0.18) mit der sozialen Teilhabe. Im LASSO selektierten Regressionsmodell, hatten Personen, die das autonome Bedarfsangebot regelmäßig nutzen eine signifikant bessere soziale Teilhabe (b= 3.64; 90% CI [0.39; 7.12]; p<0.1). Es zeigten sich zudem eine signifikant schlechtere Teilhabe für Angehörige der Strata eins im Vergleich zur Strata zwei (b= -4.61; 90% CI [-7.44; -1.80]; p<0.1). Ebenfalls eine signifikant schlechtere Teilhabe zeigte sich für Personen, die außerhalb des Kernortes Bad Birnbachs wohnten (b= -4.12; 90% CI [-7.12; -0.90]; p<0.1).

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse des Forschungsprojektes zeigten, dass durch die Bereitstellung von neuen Mobilitätsangeboten im ländlichen Raum die Teilhabe am sozialen Leben positiv beeinflusst wird. Die Umsetzung eines autonomen bedarfsorientierten Mobilitätskonzepts und die Betrachtung von Einflüssen auf die soziale Teilhabe eröffnet einen bislang einzigartigen Forschungsansatz in diesem Bereich der Mobilitätsforschung. Die gewonnenen Erkenntnisse liefern die Grundlage für eine Übertragung auf andere Kommunen im ländlichen Raum.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.