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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Verstärkte Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen soll die Lebenserwartung in Deutschland steigern – eine Analyse des Zusammenhangs von kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität mit der Lebenserwartung in Europa zwischen 2000 und 2019

Meeting Abstract

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  • Susanne Stolpe - Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany
  • Bernd Kowall - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 1035

doi: 10.3205/24gmds503, urn:nbn:de:0183-24gmds5030

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 Stolpe et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Lebenserwartung in Europa steigt seit Jahrzehnten – bei gleichzeitigem Rückgang kardiovaskulärer Mortalität, was den Fortschritten in Therapie und Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen zugeschrieben wird [1]; inwieweit dieser Zusammenhang in den letzten Jahrzehnten noch gilt, ist fraglich [2], [3].

Kürzlich wurde für Deutschland die im westeuropäischen Vergleich niedrige Lebenserwartung (2019: 81,3 Jahre; Spanien: 84, Italien 83,6) als Folge hoher kardiovaskulärer Mortalität beschrieben und eine unzureichende kardiovaskuläre Prävention als Ursache identifiziert [4], [5]. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) kündigte daraufhin eine Verstärkung der Präventionsbemühungen an - vor allem im Hinsicht auf kardiovaskuläre Erkrankungen – mit dem Ziel, die kardiovaskuläre Mortalität zu senken und den Abstand in der Lebenserwartung zu den führenden Ländern zu verringern.

Inwieweit Daten zu kardiovaskulärer Mortalität und Morbidität die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Lebenserwartung und kardiovaskulärer Mortalität belegen, soll untersucht werden. werden.

Methode: Mit Daten der OECD, WHO und IHME (Institute for Health Metrics and Evaluation) wurde für 2000-2019 geschlechtsspezifisch für europäische Länder die mittlere jährliche Änderung der Lebenserwartung, der altersstandardisierten Mortalität, sowie der Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen (CVD, ICD-10: I00-I99) berechnet. Anschließend wurde die Assoziation (adjusted R²) zwischen der Lebenserwartung und der kardiovaskulären Mortalität – und der jeweiligen mittleren jährlichen Änderung- über lineare Modelle für West-und Osteuropa geschätzt. Ein linearer Zusammenhang von Inzidenz und Mortalität kardiovaskulärer Erkrankungen wurde landesspezifisch geschätzt.

Ergebnisse: Die mittlere jährliche Änderung der Lebenserwartung in Westeuropa von 2000 bis 2019 betrug bei Männern +0,25 (95%-Konfidenzintervall: 0,22; 0,28) Jahre, bei Frauen +0,17 (0,15; 0,20) Jahre; in Osteuropa lag sie bei Männern bei 0,30 (0,22; 0,38) Jahre und bei Frauen bei 0,22 (0,17; 0,27) Jahre. Die kardiovaskuläre Mortalität in Westeuropa ging gleichzeitig im Mittel jährlich um –6,6 (-7,2; -5,9) je 100.000 Einwohner für Männer und um -4,1 (-6,7; -3,6) für Frauen zurück; in Osteuropa war der Rückgang stärker (-11,1 (-12,8; -9,4) für Männer und -8,0 (-9,2; -6,9) für Frauen).

Während in Osteuropa die mittlere jährliche Änderung der kardiovaskulären Mortalität bei Frauen 21% und bei Männern 43% der Varianz der entsprechenden Änderung der Lebenserwartung erklärte, betrug dieser Wert in Westeuropa bei Männern 24%, bei Frauen nur 1%.

Generell ging der Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und kardiovaskulärer Mortalität zwischen 2000 und 2019 in Westeuropa deutlich zurück.

Die kardiovaskuläre Inzidenz in Deutschland zeigte im linearen Modell einen deutlichen Zusammenhang mit der kardiovaskulären Mortalität (bei Frauen 79%, bei Männern 63%) – im Gegensatz zu Spanien, Portugal, Italien und Frankreich - Länder mit hoher Lebenserwartung, in denen die CVD Inzidenz u- oder wellenförmig verläuft.

Schlussfolgerung: Die Assoziation zwischen Lebenserwartung und kardiovaskulärer Mortalität ist in Osteuropa hoch, in Westeuropa eher gering - besonders bei Frauen. Eine lineare Assoziation zwischen sinkender kardiovaskulärer Inzidenz und Mortalität findet sich in wenigen westeuropäischen Ländern, nicht jedoch in den meisten Ländern mit hoher Lebenserwartung. Ein positiver Einfluss der vom BMG initiierten Intensivierung kardiovaskulärer Prävention auf die Lebenserwartung ist daher fraglich.

Die Unterschiede in der Lebenserwartung in Westeuropa sind seit Jahrzehnten relativ konstant. Daher ist anzunehmen, dass nicht-morbiditätsbezogene (soziale, politische, gesellschaftliche, kulturelle) Faktoren einen starken Einfluss auf die Lebenserwartung einer Bevölkerung haben.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Ahmadi M, Lanphear B. The impact of clinical and population strategies on coronary heart disease mortality: an assessment of Rose’s big idea. BMC Public Health. 2022;22:14.
2.
Stolpe S, Kowall B, Stang A. Decline of coronary heart disease mortality is strongly effected by changing patterns of underlying causes of death: an analysis of mortality data from 27 countries of the WHO European region 2000 and 2013. Eur J Epidemiol. 2021;36(1):57-68.
3.
Mackenbach JP, Hoffman R, Khoshaba B, Plug I, Rey G, Westerling R, Pärna K, Jougla E, Alfonso J, Looman C, McKee M. Using ‘amenable mortality’ as indicator of healthcare effectiveness in international comparisons: results of a validation study. J Epidemiol Community Health. 2013;67:139-46.
4.
Jasilionis D, Van Raalte AA, Klüsener S, Grigoriev P. The underwhelming German life expectancy. Eur J Epidemiol. 2023;38:839-850.
5.
Baldus S, Lauterbach K. Prevention centered health care in Germany – a nation in need to turn the tide. Eur J Epidemiol 2023;38:835-837.