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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Arbeit, Migration und Gesundheit: Berufsbedingte Belastungen im Zusammenhang mit Erkrankungen des Bewegungsapparats. Ergebnisse der Studie GEDA Fokus

Meeting Abstract

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  • Katja Kajikhina - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Carmen Koschollek - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Claudia Hövener - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 1024

doi: 10.3205/24gmds492, urn:nbn:de:0183-24gmds4921

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 Kajikhina et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Geschichte der Migration in Deutschland ist eng mit der Geschichte der Arbeit verbunden. Seit den 1950er Jahren fand im Rahmen von Anwerbeabkommen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt aus Ländern Südeuropas und Nordafrikas statt. Auch die jüngeren Migrationsbewegungen wie die im Zuge des EU-Freizügigkeitsabkommens spiegeln sich in den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt wieder. Zugleich sind Migration und Arbeit auch als soziale Determinanten der Gesundheit höchst relevant: So arbeiteten nicht nur die „Gastarbeiter:innen“ in körperlich anspruchsvollen Berufen, ebenfalls wird für später zugewanderte Migrant:nnen eine Überrepräsentation im Niedriglohnsektor und physisch beanspruchenden systemrelevanten Berufen wie Bau, Transport, Pflege, Reinigung, Lebensmittelverarbeitung oder Einzelhandel festgestellt. Langfristige Tätigkeiten in diesen beruflichen Feldern sind mit stärkeren physischen Abnutzungserscheinungen verbunden, beispielsweise zeigt sich dies im Hinblick auf die Funktionalität des muskuloskelettalen Systems. Der vorliegende Beitrag untersucht die Zusammenhänge zwischen arbeitsbedingten körperlichen Belastungen und der Häufigkeit von Erkrankungen des Bewegungsapparates in einer Stichprobe von Erwerbstätigen mit fünf ausgewählten Staatsangehörigkeiten.

Methoden: Analysiert wurden Daten der mehrsprachigen, multimodalen Befragungsstudie GEDA Fokus (11/2021-05/2022; Einwohnermeldeamtsstichprobe) unter Menschen mit italienischer, kroatischer, polnischer, türkischer oder syrischer Staatsangehörigkeit. Körperliche Arbeitsbelastungen wurden mittels zweier Items erfasst (Heben und Tragen schwerer Lasten, Arbeiten in ungünstigen Positionen, z.B. Hocken oder Knien). Sofern mindestens einmal „häufig“ angegeben wurde, wurde dies als starke Belastung definiert, die Nennung von mindestens einmal „manchmal“ als mittlere Belastung und die durchgängige Nennung von „selten“ oder „nie“ als keine Belastung gewertet, auch wenn für eine Angabe ein fehlender Wert vorlag. Betrachtet wurde das Auftreten von (1) chronischem Rückenschmerz von mindestens dreimonatiger Dauer in den letzten 12 Monaten sowie (2) das Bestehen einer Arthrose oder degenerativen Gelenkerkrankung im selben Zeitraum (selbstberichtete ärztliche Diagnose). Mittels Poisson-Regression wurden Prevalence Ratios (PR) und 95%-Konfidenzintervalle (95%-KI) berechnet und der Einfluss von körperlichen Arbeitsbelastungen auf den chronischen Rückenschmerz bzw. die Arthrose unter statistischer Kontrolle von Geschlecht, Alter, Bildung und Staatsangehörigkeit nach Einwohnermeldeamt untersucht.

Ergebnisse: Von 3.353 Erwerbstätigen (38,3% weiblich, medianes Alter 40 Jahre), gaben 47,6% keine, 20,1% mittlere und 32,3% starke körperliche Arbeitsbelastungen an. Personen mit starker körperlicher Arbeitsbelastung gaben häufiger chronischen Rückenschmerz an (31,2%) als diejenigen ohne körperliche Belastung (18,8%); sie berichteten auch häufiger von Arthrose in den letzten 12 Monaten (65,3%) im Vergleich zu denen mit mittlerer (45,8%) und keiner körperlichen Arbeitsbelastung (40,5%). Starke körperliche Arbeitsbelastungen (PR: 1,70; 95%-KI: 1,31-2,20) waren im Poisson-Regressionsmodell positiv mit chronischem Rückenschmerz in den letzten 12 Monaten assoziiert. Für starke körperliche Arbeitsbelastungen bestand zudem ein positiver Zusammenhang mit dem Bestehen einer Arthrose im selben Zeitraum (PR=1,65; 95%-KI: 1,46-1,87).

Diskussion: Wir beobachten für die vorliegende Stichprobe deutliche Zusammenhänge zwischen physischen Arbeitsbelastungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates in Form von chronischem Rückenschmerz sowie Gelenkleiden. Eine Prävention von Langzeitfolgen körperlicher Arbeitsbelastungen ist daher im Allgemeinen, jedoch insbesondere bei besonders belastenden Tätigkeiten und bei Menschen mit Migrationsgeschichte notwendig. Hierbei spielt der allgemeine Arbeits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz eine Rolle, aber auch die Verbesserung des bislang verminderten Zugangs zu präventiven, kurativen und rehabilitativen Versorgungsangeboten für Menschen mit Migrationsgeschichte. Hierbei ist das gezielte Adressieren der Zugangsbarrieren wichtig wie qualifizierte Sprachmittlung, besserer Zugang zu Informationen, arbeitsplatzbezogener Versicherungsschutz sowie Maßnahmen gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.