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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Entwicklungspfade der körperlichen Gesundheit in der späten Erwerbsphase und mögliche Zusammenhänge mit der Erwerbsperspektive

Meeting Abstract

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  • Max Rohrbacher - Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Germany
  • Hans Martin Hasselhorn - Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 541

doi: 10.3205/24gmds489, urn:nbn:de:0183-24gmds4894

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 Rohrbacher et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Die körperliche Gesundheit nimmt im Alter zunehmend ab (z. B. [1], [2]). Gleichzeitig ist sie eine wichtige Determinante für den Erwerbsverbleib. Bei einigen älteren Beschäftigten trägt eine schlechte Gesundheit zum frühzeitigen Erwerbsausstieg bei; andere arbeiten weiterhin trotz schlechter Gesundheit; wiederum anderen dient eine gute körperliche Gesundheit als Ressource in der späten Erwerbsphase [3]. Aus der Lebenslaufforschung ist bekannt, dass sowohl die Dauer (Akkumulation) als auch das Timing (sensitive Perioden) von Expositionen im Lebenslauf eine wichtige Rolle im Hinblick auf Ursache-Wirkungsbeziehungen haben können. Wir fragen uns daher a) welche differentiellen Entwicklungspfade (Trajektorien) der körperlichen Gesundheit die späte Erwerbsphase kennzeichnen, b) inwiefern sich Zugehörige verschiedener Trajektorien anhand sozio-ökonomischer Merkmale und ihrer Arbeitsqualität unterscheiden und c) ob sich die Gruppen im Hinblick auf ihre Erwerbsperspektive voneinander unterscheiden.

Methoden: Die vorliegende Studie nutzt Daten von N = 2.056 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (Vollzeit, Teilzeit, geringfügig) der deutschen Babyboom-Kohorten 1959 und 1965, die an allen 4 Wellen (W1 = 2011, W2 = 2014, W3 = 2018, W4 = 2022/23) der prospektiven lidA-Kohortenstudie teilgenommen haben. Trajektorien körperlicher Gesundheit (SF-12, PCS) wurden mittels „Groub-based trajectory modelling“ [4] modelliert.

Ergebnisse:

a) Es zeigen sich fünf Trajektorien der körperlichen Gesundheit: (S) dauerhaft schlecht (4,9 %); (SM) schlechter Beginn - kontinuierliche Verbesserung (7,8 %); (MS) moderater Beginn – starke Verschlechterung (11,3 %); (GM) guter Beginn – langsame Verschlechterung (38,1 %); (G) dauerhaft gut (37, 9%)

b) Ältere mit einem niedrigen Bildungsniveau finden sich weniger in den Trajektorien GM (17,4 %) und G (11,9 %) und häufiger in den Trajektorien S (26,5 %), SM (25,6 %) und insbesondere MS (34,3 %). In Bezug auf den Anteil unqualifiziert manuell Tätiger grenzt sich MS (12,4-13,9%) weiterhin von S (5,1-5,2 %) und SM (7,7-11,3 %) durch hohe Anteile ab – dies über alle vier Erhebungswellen. Ähnliches trifft auf niedrige Haushaltseinkommen zu. In allen drei Trajektorien, die mit schlechter oder moderater Gesundheit beginnen (S, SM, MS) finden sich im Vergleich zu G und GM mehr Beschäftigte, die eine schlechte Arbeitsqualität berichten. Dabei nimmt der Anteil derjenigen mit schlechter Arbeitsqualität in Gruppe SM v.a. ab der zweiten Erhebungswelle ab (von 22,9 % in W2 auf 11,2% in W4). Weniger deutlich sinkt der Anteil in S (von 24,5 % in W2 auf 18 % in W4) und MS (20,7 % in W2 auf 16,3 % in W4).

c) Die differentiellen Entwicklungspfade spiegeln sich auch in den Angaben zur Erwerbsperspektive wider. Besonders deutliche Unterschiede zeigen sich hier bzgl. dem Können. In der Gruppe G geben 73,6 % an, bis zum 64. Lebensjahr arbeiten zu können, gefolgt von Gruppe GM (65,6 %) und SM (59,9 %). In der Gruppe MS (41,6 %) und S (36,1 %) geben deutlich weniger an, so lange arbeiten zu können. Bei dem Wollen („ich würde gern …“) zeigt sich ein ähnlicher Gradient, wenn auch deutlich schwächer: G (34,6 %), GM (29 %), SM (29,3 %), S (27,8 %) MS (22,9 %).

Schlussfolgerung: Ältere Beschäftigte, die zu einem frühen Zeitpunkt gute Gesundheit aufweisen (G, GM) sowie diejenigen, deren Gesundheit sich früh in der späten Erwerbsphase verbessert (SM), weisen in Bezug auf die sozio-ökonomische Situation und Arbeitsqualität Vorteile gegenüber den Gruppen auf, die dauerhaft schlechte Gesundheit vorweisen (S) oder zu einem frühen Zeitpunkt eine Verschlechterung erleben (MS).

Sowohl die Zeitspanne, in der Beschäftigte gute oder schlechte Gesundheit erfahren (Akkumulation) als auch das Timing von Verbesserung oder Verschlechterung der Gesundheit scheinen im Hinblick auf die Erwerbsperspektive eine wichtige Rolle zu spielen. Eine differentielle Betrachtung von gesundheitlichen Entwicklungspfaden in verschiedenen Erwerbsphasen ist daher gewinnbringend bei der Betrachtung der Erwerbsperspektive. Weiterhin sind mögliche Selektionseffekte zu bedenken.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Nübling M, Andersen H, Mühlbacher A. Entwicklung eines Verfahrens zur Berechnung der körperlichen und psychischen Summenskalen auf Basis der SOEP-Version des SF 12 (Algorithmus). Berlin; 2006.
2.
Burr H, Kersten N, Kroll L, Hasselhorn HM. Selbstberichteter allgemeiner Gesundheitszustand nach Beruf und Alter in der Erwerbsbevölkerung. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz. 2013;56:349–58. DOI: 10.1007/s00103-012-1645-6 Externer Link
3.
Hasselhorn HM, Leinonen T, Bültmann U, Mehlum IS, du Prel JB, Kiran S, et al. The differentiated roles of health in the transition from work to retirement – conceptual and methodological challenges and avenues for future research. Scand J Work Environ Health. 2022;48:312–21. DOI: 10.5271/sjweh.4017 Externer Link
4.
Nagin DS. Group-Based Modeling of Development. Vol. 43. Cambridge, Massachusetts: Harvard University Press; 2005.