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Bedarfsgerechte Entwicklung und Optimierung einer Intervention KontextSucht (KSI) für abhängigkeitserkrankte Eltern mit und ohne Begleitkinder in der stationären Rehabilitation
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Die Abhängigkeitserkrankung eines Elternteils stellt viele Eltern und Kinder vor alltagsweltliche und gesundheitliche Herausforderungen. Bezüglich der Folgen für die Kinder lassen sich sowohl soziale (z. B. Konflikte, Beziehungsabbrüche), körperliche (z. B. Vernachlässigung, Gewalt) als auch psychische (z. B. affektive Erkrankungen) negative Effekte beobachten [1], [2], [3]. Laut Schätzungen leben in Deutschland ca. drei Millionen Kinder und Jugendliche mit mindestens einem abhängigkeitserkrankten Elternteil zusammen [3]. Eltern müssen sich zeitgleich mit ihrer Erkrankung und ihren elterlichen Aufgaben befassen. Es besteht im Behandlungssystem die Möglichkeit eine stationäre Entwöhnungsbehandlung mit und ohne Begleitkinder anzutreten. Das Projekt KontextSucht befasst sich mit familienspezifischen Herausforderungen für Eltern, welche an einer stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankung leiden. Hierfür wurde in zwei Kliniken (Barbarossa-Klinik Kelbra, MEDIAN Klinik Römhild) die KontextSucht Intervention (KSI) entwickelt und in einer Machbarkeitsuntersuchung erprobt. In diesem Beitrag werden die qualitativen Ergebnisse der Machbarkeitsuntersuchung aus den Interventionskliniken vorgestellt. Ziel war es zu erfassen, welche Inhalte und Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Optimierung der KSI relevant sind. Das Projekt ist Teil des Modellvorhabens rehapro und wird in Kooperation mit den beiden Kliniken und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Mitteldeutschland und DRV Bund durchgeführt.
Methoden: Die Gesamtstudie besteht aus einem zweistufigen Mixed-Methods-Design, das sich in eine bereits erfolgte Machbarkeitsuntersuchung sowie die darauffolgende Nutzenabschätzung aufgliedert. Für den qualitativen Teil der Machbarkeitsuntersuchung wurden leitfadengestützte Interviews zwischen Juni und Oktober 2023 mit Expertinnen (Bezugstherapeutinnen, Funktionstherapeutinnen) (n=4) und Rehabilitand*innen (n=16, weiblich n=10, männlich n=6, mit Begleitkinder n=7, ohne Begleitkinder n=9) geführt. Die Interviews wurden zum Ende der KSI geführt und befassten sich unter anderem mit Fragen zu folgenden Themen: Rolle der Elternschaft in der Therapie, persönliche Bewertung der KSI, strukturelle Aspekte bezüglich der KSI, subjektive Einschätzung erster Veränderungen sowie konkrete Optimierungsbedarfe und Wünsche. Die Interviews wurden mittels deduktiv-induktiver strukturierender Inhaltsanalyse ausgewertet [4], [5].
Ergebnisse: Die KSI umfasst nach der Entwicklung fünf Module à 12 Einheiten, welche zum Teil mit und ohne Anwesenheit der Kinder durchgeführt werden. Das Programm findet über einen Zeitraum von 12 Wochen statt. Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass das Thema „Elternschaft und Erziehung“ für die Betroffenen während der Therapie einen sehr hohen Stellenwert hat. Dies begründet sich unter anderem in den vielschichtigen Herausforderungen ihres Familienalltags (z. B. subjektives Überforderungserleben, Vernachlässigung elterlicher Aufgaben, Bedürfnisse der Kinder erkennen/erfüllen, altersadäquate Förderung). Die befragten Expertinnen und Rehabilitand*innen stimmen überein, dass die KSI die Bedarfe der Zielgruppe grundsätzlich erfüllt. Die Ergebnisse zeigen bereits erste positive Effekte (z. B. erworbenes Bewusstsein für kindliche Bedürfnisse und Verhaltensweisen in Abhängigkeit vom Alter der Kinder, Erweiterung der Möglichkeiten zur positiven Freizeitgestaltung), welche sowohl von Expertinnen als auch Rehabilitand*innen berichtet werden. Nichtsdestotrotz konnten Optimierungspotenziale identifiziert werden. Dazu gehören z. B. die Einbettung der Module in die reguläre Therapieplanung sowie inhaltliche Anpassungen (u. a. zu den Themen Pubertät, Alleinerziehende, Partner*innenschaft).
Schlussfolgerung: Die entwickelte KSI deckt grundlegend die Bedürfnisse der Rehabilitand*innen mit und ohne Begleitkinder an eine Elternschaft fokussierende stationäre Intervention in der Entwöhnungsbehandlung. Die Expertinnen bewerten den Verlauf der Machbarkeitsuntersuchung und die ersten Effekte auf die Rehabilitand*innen überwiegend positiv. Die Ergebnisse der Machbarkeitsuntersuchung legen die Grundlage für die folgende Phase der Nutzenabschätzung.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Moesgen D, Klein M, Dyba J. Abhängigkeitserkrankungen und Elternschaft – Herausforderungen und Möglichkeiten der Hilfe. Suchttherapie. 2017;18:65–72. DOI: 10.1055/s-0043-103060
- 2.
- Solis JM, Shadur JM, Burns AR, Hussong AM. Understanding the diverse needs of children whose parents abuse substances. Curr Drug Abuse Rev. 2012;5:135–47. DOI: 10.2174/1874473711205020135
- 3.
- Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Kinder aus suchtbelasteten Familien. Rostock; 2017.
- 4.
- Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. 12th ed. Wieselburg: Beltz Verlagsgruppe; 2015.
- 5.
- Schreier M. Varianten qualitativer Inhaltsanalyse: Ein Wegweiser im Dickicht der Begrifflichkeiten. Forum Qualitative Sozialforschung. 2014;15(1):18.