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Psychische Belastungen und Beanspruchungen im Kontext wissenschaftlichen Arbeitens (Teil II): Eine Untersuchung der Unterschiede zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Hintergrund: Im Rahmen von Befragungen der gesetzlich geforderten psychischen Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz wurden von der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften (FFAW) mit Hilfe des COPSOQ wissenschaftlich arbeitende und forschende Organisationen untersucht. Vor dem Hintergrund, dass neben der ausgeübten Tätigkeit unterschiedliche Formen der (Arbeits-)Organisation Einfluss auf das psychosoziale Wohlbefinden haben können [1], bietet vorliegender Lagebericht einen Überblick über spezifische Belastungs- und Beanspruchungsprofile von Wissenschaftler:innen, abhängig von den Bedingungen der Beschäftigung an außeruniversitären Forschungseinrichtungen bzw. Hochschulen [2].
Methode:Insgesamt liegen für den Zeitraum von 2019 bis 2024 Daten von 2621 Wissenschaftler:innen vor, erhoben in 28 Stichproben. 1545 Wissenschaftler:innen waren oder sind bei außeruniversitären Forschungseinrichtungen beschäftigt; 1076 Wissenschaftler:innen waren oder sind an Hochschulen beschäftigt. Die Befunde beziehen sich auf alle mit dem COPSOQ standardmäßig erhobenen 31 Skalen und liegen in Form des arithmetischen Mittels vor. Zur Aufdeckung möglicher Gruppenunterschiede wurde nach einer vergleichenden Gegenüberstellung der Skalenmittelwerte eine Varianzanalyse durchgeführt. Zum Messen der Effektstärke von signifikanten Gruppenunterschieden wird mit Bezug auf Cohen’s d bei einem Wert ab ≥ .2 bis < .5 ein schwacher, zwischen ≥ .5 und < .8 ein mittlerer und ab ≥ .8 ein starker Effekt angenommen.
Ergebnisse: Die Unterschiede der gruppenspezifischen Skalenmittelwerte sind zum Teil deutlich ausgeprägt. Insgesamt weichen 8 von 24 Skalenmittelwerten der Belastungen und 1 von 7 Skalenmittelwerten der Beanspruchungen in einem internen Vergleich um 7 oder mehr Mittelwertpunkte ab. Bei 14 von 31 Skalenwerten sind die Gruppenunterschiede signifikant (p < .001).
Die fünf deutlichsten Effekte in Abhängigkeit der Organisationsform der Arbeitsstätte zeigen sich bei den Skalen „Spielraum bei Pausen und Urlaub“ (|d| ≈ .64), „Unsicherheit des Arbeitsplatzes“ (|d| ≈ .58), „Emotionale Anforderungen“ (|d| ≈ .53), „Arbeitsumgebung / phys. Anforderungen“ (|d| ≈ .51) und „Menge sozialer Kontakte“ (|d| ≈ .51). Daneben weisen neun weitere Skalen schwache Effekte zwischen |d| ≈ .37 und |d| ≈ .22 auf. Die Effekte der Arbeitsbedingungen/ -strukturen (Belastungen), die im Zusammenhang mit der Organisationsform stehen, schlagen sich also nicht unmittelbar auf Themen der Auswirkungen nieder.
Schlussfolgerungen: Zum Teil können klare Differenzen zwischen den verglichenen Gruppen ausgemacht werden. Positive wie negative Abweichungen sind dabei nicht einseitig verteilt, sondern zeichnen ein ambivalentes Bild.
Dabei ist ungeklärt, ob einzelne Unterschiede nicht durch Artefakte der Gelegenheitsstichprobe zustande gekommen sind. Beispielsweise könnten Naturwissenschaftler:innen in der Gruppe der Forschungsinstitute überrepräsentiert sein, die sich mit ungünstigeren physischen Arbeitsbedingungen (Umgang mit Gefahrstoffen, Gasen, Lärm, etc.) konfrontiert sehen und den erhöhten Wert der Skala „Arbeitsumgebung / phys. Anforderungen“ bedingen.
Zugleich zeigen sich plausible Unterschiede in den Befunden. Dass Wissenschaftler:innen an Forschungsinstituten die emotionalen Anforderungen geringer bewerten, kann mit Bezug auf ausbleibende Lehrverpflichtungen begründet werden.
Auch wenn Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gegenüber den repräsentativ gewichteten Werten aller Beschäftigten in Deutschland ähnlich gelagerte Abweichungen zeigen, profiliert der interne Vergleich die unterschiedlichen Spezifika der Belastungen und Beanspruchungen abhängige der Organisationsform der Arbeitsstätte – unabhängig davon, dass diese ggf. mit weiteren Merkmalen der Arbeit(-sorganisation) zusammenwirken.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Nübling M, Vomstein M, Haug A, Lincke HJ. Sind Referenzdaten der COPSOQ-Datenbank für eine JEM zu psychosozialen Arbeitsfaktoren geeignet?. Zbl Arbeitsmed. 2017;67:151–154. DOI: 10.1007/s40664-017-0182-4
- 2.
- Petersohn S. Wissenschaft und Organisation. (Recherche Spezial, 2/2013). Köln: GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften; 2013. urn:nbn:de:0168-ssoar-371665 https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-371665