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Partizipation in der Gesundheitsförderung. Was muss Gesundheitsförderung bieten, damit junge Menschen mitwirken?
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Partizipation in der Gesundheitsförderung bedeutet, Adressat*innen der Gesundheitsförderung in die Planung und Durchführung von Maßnahmen einzubinden [1]. Um dieses Merkmal guter Praxis zu erfüllen, bedarf es einerseits der Möglichkeit zu Partizipieren und andererseits ein Ergreifen dieser Möglichkeit durch die Zielgruppe [2]. Der Wunsch sich zu beteiligen ist jedoch nicht immer vorhanden. Wie kann Partizipation dennoch gelingen? Bislang liegen unseres Wissens nach keine systematischen Ansätze zur Untersuchung von Motiven und Barrieren der Partizipation der Zielgruppe im Kontext Gesundheitsförderung mit jungen Erwachsenen vor. Anhand eines explorativen Mixed-Methods-Designs und unter Einbezug eines Partizipationsmodells aus der Citizen Science Forschung, wird dieser Fragestellung nachgegangen [3].
Methode: Anhand leitfadengestützter Interviews (N = 9) wurde eine explorative Untersuchung der Förderfaktoren und Barrieren der Partizipation Studierender im studentischen Gesundheitsmanagement der Hochschule Kempten durchgeführt und mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Die daraus resultierten personen- und verhältnisbezogenen Einflussfaktoren galt es anschließend an einer größeren Stichprobe (N = 561) quantitativ zu überprüfen. Aufgrund fehlender etablierter Instrumente, wurde hierfür der Fragebogen zur Erfassung der motivationalen und organisationalen Funktionen freiwilligen Engagements in der Citizen Science Forschung herangezogen, der sich auf ein entsprechendes Partizipationsmodell [3], [4] stützt und einen Großteil der Einflussfaktoren aus den vorhergehenden qualitativen Erhebung berücksichtigt. Das finale Instrument umfasst 33 Items zu sechs Motiven (z. B. Karriere, Anerkennung) und vier organisatorischen Rahmenbedingungen (z. B. Organisation, Koordination), die auf einer siebenstufigen Likert-Skala bewertet wurden. Darüber hinaus wurde der Wunsch zu partizipieren anhand einer vereinfachten Partizipationsleiter erfasst [5], was eine Aufteilung in „partizipationsbereit“ und „nicht partizipationsbereit“ ermöglichte. Anhand von Gruppenvergleichen (Chi-Quadrat-Test, Mann-Whitney-U-Test, Mixed ANOVA) wurden die Motive der zwei Gruppen miteinander verglichen. Zudem wurde untersucht, ob sich die Motive nach demografischen oder studienbezogenen Eigenschaften unterscheiden.
Ergebnisse: Die vorläufigen Ergebnisse der quantitativen Erhebung zeigen, dass 80.4 % der Befragten grundsätzlich bei Fragen zur gesundheitsförderlichen Gestaltung ihrer Lebenswelt partizipieren möchten. Insgesamt möchten Frauen eher mitwirken als Männer (p < .001). Bezüglich demografischer sowie studienspezifischer Merkmale gibt es dahingehend keine signifikanten Unterschiede. Hinsichtlich der Partizipationsmotive konnten die Ergebnisse der qualitativen Erhebung bestätigt und weiter differenziert werden. Allen Motiven und organisatorischen Faktoren wurde im Durchschnitt mindestens moderat zugestimmt, wobei die Zustimmung zum Teil signifikant variiert (p < .001): Besonders wichtig ist es den jungen Erwachsenen durch die Partizipation einen Mehrwert für ihre berufliche Zukunft zu erlangen. Zudem müssen die Projektziele zu ihren Werten passen. Auf Ebene der Rahmenbedingungen wird insbesondere eine gute Organisation, Koordination und Kommunikation vorausgesetzt. Zwischen den „Partizipationsbereiten“ und den „nicht Partizipationsbereiten“ variiert die Rangfolge der Motive kaum. Die „Partizipationsbereiten“ stimmen den Motiven aber insgesamt stärker zu (p = .009). Weitere Auswertungen innerhalb der Gruppen zeigen zudem bei den „Partizipationsbereiten“ Wechselwirkungen zwischen demografischen sowie studienbezogenen Faktoren und den Motiven. Während beispielsweise das Motiv „Karriere“ mit dem Alter an Bedeutung verliert, bleiben „soziale Motive“ über die Altersgruppen hinweg konstant (Alter x Motive, p < .001).
Schlussfolgerung: Die Studie zeigt, dass junge Menschen überwiegend mitbestimmen möchten und dabei klare Vorstellungen über die Rahmenbedingungen der Partizipation mitbringen. Aufrufe zur Partizipation sollten den gewünschten Nutzen zielgruppenspezifisch hervorheben und Projektziele sowie organisatorische Aspekte transparent kommunizieren. Inwiefern sich die Erkenntnisse außerhalb des Hochschulsettings anwenden lassen, ist noch zu prüfen.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Wright MT, Martina B, von Unger H. Stufen der Partizipation in der Gesundheitsförderung. In: Dokumentation 13. bundesweiter Kongress Armut und Gesundheit. 2007.
- 2.
- Rosenbrock R, Hartung S, editors. Handbuch Partizipation und Gesundheit. 1. Aufl. Bern: Verlag Hans Huber; 2012. (Programmbereich Gesundheit).
- 3.
- Geoghegan H, Dyke A, Pateman R, West S, Everett G. Understanding motivations for citizen science: Final report on behalf of UKEOF, University of Reading, Stockholm Environment Institute (University of York) and University of the West of England. 2016 [cited 2024 Mar 6]. Available from: https://www.ukeof.org.uk/resources/citizen-science-resources/MotivationsforCSREPORTFINALMay2016.pdf
- 4.
- Moczek N. Freiwilliges Engagement für Citizen Science-Projekte im Naturschutz: Konstruktion und Validierung eines Skalensystems zur Messung motivationaler und organisationaler Funktionen. Pabst Science Publishers; 2019. (Umweltpsychologie in Forschung und Praxis).
- 5.
- Schäfer G, Bär G, Lettner D. Partizipativ, kompakt, innovativ arbeiten: Ein Handlungsleitfaden. Publikationsserver der Alice Salomon Hochschule Berlin; 2020. urn:nbn:de:kobv:b1533-opus-5347