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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

„Ich muss mir sicher sein, dass ich mit dieser App den Eltern etwas Gutes tue“ – Eine qualitative Studie mit Kinder- und Jugendmediziner:innen zur App-basierten Prädiktion und Prävention von Nahrungsmittelallergien bei Kindern

Meeting Abstract

  • Katharina Gerhardinger - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg (KUNO-Kliniken), Regensburg, Germany; Klinik St. Hedwig, Barmherzige Brüder Regensburg, Wissenschafts- und Entwicklungscampus Regensburg (WECARE), Regensburg, Germany
  • Madlen Hörold - Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg, Germany
  • Mara König - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg (KUNO-Kliniken), Regensburg, Germany; Klinik St. Hedwig, Barmherzige Brüder Regensburg, Wissenschafts- und Entwicklungscampus Regensburg (WECARE), Regensburg, Germany
  • Magdalena Rohr - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg (KUNO-Kliniken), Regensburg, Germany; Klinik St. Hedwig, Barmherzige Brüder Regensburg, Wissenschafts- und Entwicklungscampus Regensburg (WECARE), Regensburg, Germany
  • Susanne Brandstetter - Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Regensburg (KUNO-Kliniken), Regensburg, Germany; Klinik St. Hedwig, Barmherzige Brüder Regensburg, Wissenschafts- und Entwicklungscampus Regensburg (WECARE), Regensburg, Germany
  • Christian Apfelbacher - Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 526

doi: 10.3205/24gmds430, urn:nbn:de:0183-24gmds4309

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 Gerhardinger et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Nahrungsmittelallergien manifestieren sich üblicherweise bereits in den ersten Lebensjahren und stellen aufgrund ihrer zunehmenden Prävalenz ein wachsendes Problem für die öffentliche Gesundheit dar [1]. Kinder- und Jugendmediziner:innen sind entscheidende Ansprechpersonen für Familien, um mögliche Nahrungsmittelallergie-bezogene Symptome zu untersuchen. Zudem spielen sie eine wichtige Rolle bei der Prädiktion und Prävention von frühkindlichen Nahrungsmittelallergien [2]. Im Rahmen des NAMIBIO-Konsortiums war es unser Ziel zu untersuchen, welche Strategien Kinder- und Jugendmediziner:innen zur Prädiktion und Prävention von frühkindlichen Nahrungsmittelallergien nutzen und welche Einstellung sie zu einer App-basierten Unterstützung haben.

Methoden: Unsere Studie nutzte einen qualitativen Forschungsansatz mit leitfadengestützten Interviews und Fokusgruppendiskussionen [3]. Von Mai 2022 bis Juli 2023 führten wir 11 Interviews und 3 Fokusgruppen mit insgesamt 20 Kinder- und Jugendmediziner:innen (neun weiblich, 11 männlich) durch. Die Stichprobe umfasste ambulant und stationär tätige Kinder- und Jugendmediziner:innen in Deutschland. Wir kodierten und analysierten die transkribierten Daten auf Basis der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz.

Ergebnisse: Kinder- und Jugendmediziner:innen verwendeten unterschiedliche Strategien zur Prädiktion und Prävention von frühkindlichen Nahrungsmittelallergien. Die Teilnehmenden berichteten, dass sie bei der Prädiktion vorrangig auf die Familienanamnese und die Anamnese des Kindes zurückgriffen, einzelne Teilnehmende berichteten über Prädiktionsansätze ohne Evidenz, z.B. das Pendeln. Ergebnisse, die auf ein erhöhtes Risiko hinweisen, wurden aber nicht immer kommuniziert. Die Kinder- und Jugendmediziner:innen diskutierten eine fehlende therapeutische Konsequenz eines ermittelten Risikos, insbesondere da Leitlinienempfehlungen nicht zwischen Kindern mit und ohne Risiko differenzierten. Bei der Prävention verfolgten die Kinder- und Jugendmediziner:innen das Ziel, Ängste und Unsicherheiten bei den Eltern zu reduzieren, Fehlinformationen entgegenzuwirken und eine personalisierte und bedarfsorientierte Beratung zu bieten, wobei primär leitlinienkonforme Empfehlungen vermittelt wurden. Kritik äußerten die Teilnehmenden bezüglich begrenzter zeitlicher Ressourcen für präventive Beratung und der unzureichenden Finanzierung. Des Weiteren hinterfragten sie Verantwortlichkeiten in Bezug auf pränatale Allergieprävention, wie beispielsweise die Möglichkeit der Übernahme von Beratungsleistungen durch Hebammen und Gynäkolog:innen.

Die Befragten offenbarten Bedenken, dass eine App zur Prädiktion und Prävention eine zusätzliche Arbeitsbelastung für sie mit sich bringen könnte. Die Nutzung einer App zur Vorhersage eines Risikos für Nahrungsmittelallergien könnte bei Eltern ohne professionelle Begleitung und Einordnung der Ergebnisse Unsicherheiten hervorrufen. Ein Teil der Kinder- und Jugendmediziner:innen benannte zudem potentielle ethische Bedenken einer App-basierten Prädiktion mit Hilfe von Biomarkern und stellte Sinn und Nutzen einer genetischen Diagnostik zur Prädiktion von Nahrungsmittelallergien infrage. Gleichwohl wurde das Potenzial im Hinblick auf die Verbreitung aktueller und evidenzbasierter Informationen, die wissenschaftliche Nutzung von Daten und den fachlichen Austausch unter Kinder- und Jugendmediziner:innen anerkannt.

Schlussfolgerung: Die Beratung zu Prädiktion und Prävention von frühkindlichen Nahrungsmittelallergien durch Kinder- und Jugendmediziner:innen erfolgt sehr heterogen, jedoch immer mit dem Ziel Unsicherheiten bei Eltern zu vermeiden. Aus Sicht der Behandler:innen könnte eine Verbesserung von strukturellen Gegebenheiten (u.a. Zeit und Finanzierung) und bei entsprechender Evidenz eine Differenzierung der Leitlinienempfehlungen (Risiko/ kein Risiko) die Präventionsbemühungen unterstützen. Auch sind die Behandler:innen offen für eine App-basierte Unterstützung, allerdings mit dem Fokus auf Informationsverbreitung mit dem Ziel das Bewusstsein für das Thema zu erhöhen und die Eltern bei der Auseinandersetzung mit dem Thema zu unterstützten.

Interessenkonflikte: CA is a Grant Holder Scientific Representative of the Core Outcome Measures for Food Allergy Action (COMFA, European COST Action 18227).

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Elghoudi A, Narchi H. Food allergy in children-the current status and the way forward. World J Clin Pediatr. 2022;11:253–69. DOI: 10.5409/wjcp.v11.i3.253 Externer Link
2.
Caimmi D, Caffarelli C, Licari A, Del Miraglia Giudice M, Calvani M, Marseglia GL, et al. Food allergy in primary care. Acta Biomed. 2021;92:e2021521. DOI: 10.23750/abm.v92iS7.12416 Externer Link
3.
Hörold M, Apfelbacher C, Gerhardinger K, Rohr M, Schimmelpfennig M, Weigt J, Brandstetter S. Parents' and Health Care Professionals' Perspectives on Prevention and Prediction of Food Allergies in Children: Protocol for a Qualitative Study. JMIR Res Protoc. 2023;12:e41436. DOI: 10.2196/41436 Externer Link