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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Lessons learned: Einfluss methodischer Spielräume auf Ergebnisse der Sterblichkeitsmessung in der Corona-Pandemie

Meeting Abstract

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  • Bernd Kowall - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 598

doi: 10.3205/24gmds396, urn:nbn:de:0183-24gmds3964

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 Kowall.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Die Exzessmortalität, die im Durchschnitt verlorenen Lebensjahre von an COVID-19 verstorbenen Personen sowie der Rückgang der Lebenserwartung sind zentrale Parameter für die Bewertung des Sterblichkeitsgeschehens während der Pandemie. Das Ziel dieses Beitrags ist es, darzustellen, wie methodische Entscheidungen zu einer erheblichen Varianz bei der Schätzung dieser Parameter geführt haben [1].

Die Zahl der an COVID-19 Gestorbenen ist aufgrund der definitorischen Probleme kaum geeignet, die gesundheitlichen Folgen der Pandemie zu bewerten. Ein besser geeigneter Parameter ist die Exzess-Mortalität. Obwohl nur verhältnismäßig wenige Variablen zu ihrer Schätzung erforderlich sind, variierten die publizierten Ergebnisse zur Exzess-Mortalität erheblich. Beispielsweise lagen publizierte Schätzungen für die Zahl der Exzesstoten in fünf nordeuropäischen Staaten zwischen 14779 und 37708 [2]. Generell unterscheiden sich die Schätzungen durch eine Reihe legitimer, subjektiver methodischer Entscheidungen. Dazu gehört unter anderem die Wahl der Referenzperiode, die dazu dient, die Zahl der für die betrachteten Pandemiejahre erwarteten Todesfälle zu berechnen unter der Annahme, dass keine neuen, das Mortalitätsgeschehen bestimmenden Einflussfaktoren auftreten. Von besonderer Relevanz ist die Methode der Fortschreibung der Mortalitätsraten aus dem Referenzzeitraum (z.B. durch Verwendung des Mittelwerts oder Benutzung von Spline-Funktionen). Weitere relevante Faktoren sind die Länge der Indexperiode, für die eine Aussage zur Exzess-Mortalität gemacht werden soll, und der Umgang mit ungewöhnlichen Ereignissen in der Referenzperiode (z.B. Hitzewellen).

Auch die Fragen, wie viele Lebensjahre an COVID-19 Verstorbene verloren haben, und wie stark sich die Lebenserwartung während der Pandemie verändert hat, werfen methodische Fragen auf. Einer Publikation im Ärzteblatt zufolge verlor eine an COVID-19 verstorbene Person 9,6 Jahre [3]. Diese Berechnung ignorierte die Vorerkrankungen und hohe Vulnerabilität der Verstorbenen und die Interpretation implizierte, dass die Zahl der verlorenen Lebensjahre jemals Null sein könnte. Für den Rückgang der Lebenserwartung wurden für europäische Länder Ergebnisse publiziert, die von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten reichten [4], [5]. Ein hoher Wert ergibt sich dabei, wenn bei der Erstellung von Sterbetafeln die Sterbewahrscheinlichkeiten für die einzelnen Altersstufen für die gesamte Lebensspanne angesetzt werden, was formal korrekt ist, aber die Annahme impliziert, dass Menschen ihr gesamtes Leben unter Pandemiebedingungen verbringen.

Um die Schätzungen der genannten Parameter weniger von zwar legitimen, aber doch oft subjektiven Entscheidungen abhängig zu machen, könnte eine Schlussfolgerung darin bestehen, von vornherein die Ergebnisse mehrerer Berechnungen zu veröffentlichen, die der Spannweite der möglichen Vorgehensweisen Rechnung tragen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Kowall B, Stang A. Estimates of excess mortality during the COVID-19 pandemic strongly depend on subjective methodological choices. Herz. 2023 Jun;48(3):180-183. DOI: 10.1007/s00059-023-05166-6 Externer Link
2.
Kepp KP, Björk J, Kontis V, Parks RM, B\u230 ?k KT, Emilsson L, Lallukka T. Estimates of excess mortality for the five Nordic countries during the COVID-19 pandemic 2020-2021. Int J Epidemiol. 2022 Dec 13;51(6):1722-1732. DOI: 10.1093/ije/dyac204 Externer Link
3.
Rommel A, Lippe EV, Plass D, Ziese T, Diercke M, Heiden MA, Haller S, Wengler A; BURDEN 2020 Study Group. The COVID-19 Disease Burden in Germany in 2020—Years of Life Lost to Death and Disease Over the Course of the Pandemic. Dtsch Arztebl Int. 2021 Mar 5;118(9):145-151. DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0147 Externer Link
4.
Morfeld P, Timmermann B, Groß JV, Lewis P, Cocco P, Erren TC. COVID-19: Heterogeneous Excess Mortality and "Burden of Disease" in Germany and Italy and Their States and Regions, January-June 2020. Front Public Health. 2021 May 7;9:663259. DOI: 10.3389/fpubh.2021.663259 Externer Link
5.
Aburto JM, Schöley J, Kashnitsky I, Zhang L, Rahal C, Missov TI, Mills MC, Dowd JB, Kashyap R. Quantifying impacts of the COVID-19 pandemic through life-expectancy losses: a population-level study of 29 countries. Int J Epidemiol. 2022 Feb 18;51(1):63-74. doi: 10.1093/ije/dyab207 Externer Link