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Inzidenz von Post-COVID-19-Diagnosen in unterschiedlichen Berufsgruppen: Eine Analyse von Mustern in Daten der gesetzlichen Krankenversicherung
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Hintergrund: Die Inzidenz von COVID-19 unterschied sich während der Pandemie stark zwischen einzelnen Berufen sowie Berufs- und Beschäftigtengruppen. Wiederholt wurden etwa höhere Infektionsrisiken bei Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie weiteren ‚systemrelevanten‘ Berufen bzw. Berufsgruppen beschrieben [1], [2]. Ob sich vergleichbare berufsbezogene Unterschiede auch bei persistierenden Symptomen (hier als ‚Post-COVID-19‘ bezeichnet) zeigen, ist Gegenstand der Diskussion. Die Häufigkeit von Long-COVID-Fällen könnte in Berufen überdurchschnittlich hoch sein, in denen auch die COVID-19-Inzidenzen hoch waren. Zugleich sind aber auch Abweichungen vorstellbar. Beispielsweise könnte die Persistenz von Symptomen davon beeinflusst werden, inwiefern im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zeitweise Schonung möglich ist oder Diagnosewahrscheinlichkeiten könnten in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit arbeitsmedizinischer Versorgung variieren. Da aber zur berufsspezifischen Diagnose-Inzidenz von Post-COVID-19 national wie auch international kaum Studien vorliegen [3], sind wir dieser Frage mit Daten eines großen Samples gesetzlich Versicherter in Deutschland nachgegangen.
Methoden: Grundlage der Analyse war die Forschungsdatenbank des Instituts für angewandte Gesundheitsforschung (InGef), die anonymisierte Routinedaten von 58 gesetzlichen Krankenkassen nach einheitlichen Standards zusammenfasst [4]. Eingeschlossen wurden 3.173.157 Versicherte (davon 47% Frauen), die am 01.01.2020 bei einer der Kassen versichert, im Erwerbsalter (18 bis 67 Jahre) und im Beobachtungszeitraum 01.01.2020 – 31.12.2021 durchgängig versichert waren. Die teilnehmenden Krankenkassen liefern seit 2014 vollständige Informationen zu Diagnosen, Prozeduren, und Medikamentenverschreibungen. Zusätzlich werden für jeden Versicherten Stammdaten wie Alter und Geschlecht erfasst. Angaben zum Beruf stammen aus verpflichtenden Meldungen der Arbeitgeber. Berufe wurden für diese Analyse auf Basis des Tätigkeitsschlüssels (Klassifikation der Berufe, KldB) in 14 Berufssegmente gruppiert. Eine Einstufung als COVID-19-Fall erfolgte, wenn eine ICD U07.1!-Diagnose ambulant oder als Haupt- oder Nebendiagnose einer stationären Versorgung vorlag. Long COVID wurde über die Diagnosen U09.9 (Post-COVID-19-Zustand) oder U10.9* (Multisystemisches Entzündungssyndrom) oder G93.3 (Chronisches Fatigue Syndrom) operationalisiert. Da es sich um eine explorative Arbeit handelt, wurden einfache Inzidenzvergleiche nach Geschlecht getrennt durchgeführt (Vergleich der altersstandardisierten Inzidenzen einzelner Berufssegmente mit der Inzidenz aller Berufssegmente).
Ergebnisse: COVID-19 wurde bei 139.126 Versicherte mit verwertbaren Berufsangaben diagnostiziert. In dieser Gruppe hatten 9.503 Versicherte (davon 9.016 mit U09.9) mindestens eine der Post-COVID-19-Diagnosen, was einer kumulativen Diagnose-Inzidenz in der COVID-19-Population von 6,8% entspricht. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern variierten die altersstandardisierten Diagnose-Inzidenzen zwischen den Berufsgruppen, wobei das Muster der Abweichungen nur teilweise mit ebenfalls bestehenden Unterschieden in der COVID-19-Diagnose-Inzidenz deckungsgleich war. Während beispielsweise Post-COVID-19-Diagnosen bei Gesundheitsberufen häufiger vorkamen als im Durchschnitt aller Berufe, wurde im Lebensmittel- und Gastgewerbe eine geringere Inzidenz als erwartbar beobachtet.
Diskussion: Die Ergebnisse dieser explorativen Auswertung von Daten gesetzlich krankenversicherter Beschäftigter zeigen, dass sich das Risiko nach einer COVID-19-Diagnose eine ärztliche Diagnose mit Hinweis auf Post-COVID-19 Zustände (ICD-10: U09.9, U10.9*, G93.3) zu erhalten, nach Berufsgruppen unterscheidet. Dass die Inzidenzen berufsgruppenspezifisch variieren, spricht für mit dem Beruf korrelierende Mechanismen, welche die Wahrscheinlichkeit einer Post-COVID-19-Diagnosebeeinflussen. Einschränkend ist anzumerken, dass nur Diagnosen betrachtet und entsprechend undiagnostizierte oder asymptomatische Infektionen und Post-COVID-19 Zustände nicht erfasst werden konnten. Zudem ist die Generalisierbarkeit aufgrund der Beschränkung auf sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und einer selektiven Auswahl beteiligter Krankenkassen eingeschränkt.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Magnusson K, Nygård K, Methi F, et al. Occupational risk of COVID-19 in the first versus second epidemic wave in Norway, 2020. Eurosurveillance. 2021;26(40):2001875.
- 2.
- Reuter M, Rigó M, Formazin M, et al. Occupation and SARS-CoV-2 infection risk among 108 960 workers during the first pandemic wave in Germany. Scand J Work Environ Health. 2022;48(6):446–56.
- 3.
- Kromydas T, Demou E, Edge R, et al. Occupational differences in the prevalence and severity of long-COVID: Analysis of the ONS Coronavirus (COVID-19) Infection Survey. Occup Environ Med. 2023;80:545–52.
- 4.
- Ludwig M, Enders D, Basedow F, et al. Sampling strategy, characteristics and representativeness of the InGef research database. Public Health. 2022;206:57–62.