gms | German Medical Science

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Sozioökonomische Ungleichheit in Post-COVID-19-Symptomen und -Diagnosen. Eine Analyse von Krankenkassendaten von 3,17 Millionen gesetzlich Versicherten

Meeting Abstract

  • Benjamin Wachtler - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Florian Beese - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Christina Poethko-Müller - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Marco Alibone - InGef - Institute for Applied Health Research Berlin GmbH, Berlin, Germany
  • Annika Vivirito - InGef - Institute for Applied Health Research Berlin GmbH, Berlin, Germany
  • Robert Gutu - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Germany
  • Morten Wahrendorf - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Germany
  • Jens Hoebel - Robert Koch-Institut, Berlin, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 549

doi: 10.3205/24gmds310, urn:nbn:de:0183-24gmds3100

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 Wachtler et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Umfangreiche internationale Forschungsergebnisse zeigen, dass sozial benachteiligte Menschen ein höheres Risiko haben sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren, schwer an COVID-19 zu erkranken oder daran zu versterben. Weniger ist hingegen über die sozialepidemiologischen Muster von Post-COVID-19 bekannt. Insbesondere für Deutschland liegen hierzu bisher nur sehr wenige Befunde vor. Ziel dieser Analyse war es, das Risiko von Post-COVID-19-Symptomen und Post-COVID-19-Diagnosen nach formaler Bildung und beruflichem Status in Deutschland zu schätzen.

Methoden: Es wurden anonymisierte Daten der Forschungsdatenbank des Instituts für angewandte Gesundheitsforschung (InGef) von insgesamt 3,17 Millionen vollbeobachtbaren gesetzlich Versicherten, im Alter von 18 bis 67 Jahren über den Zeitraum vom 01.01.2020 bis 31.12.2021 analysiert. Ein positives Outcome lag entweder vor, wenn (1) ab dem zweiten Quartal nach einer COVID-19-Indexdiagnose (ICD-10 Code U07.1!) Symptome oder Krankheiten diagnostiziert wurden, die in den 4 Quartalen vor Indexdiagnose nicht diagnostiziert wurden und auf einen Post-COVID-19-Zustand hindeuten, oder (2) ab dem zweiten Quartal nach Indexdiagnose ein Post-COVID-19-Zustand diagnostiziert wurde (ICD-10 Codes U09.9, U10.9 und G93.3). Es wurden altersstandardisierte Inzidenzraten (aIR) und multivariabel adjustierte Hazard Ratios (aHR, adjustiert für Alter, Geschlecht, Bundesland, Berufssektor) mittels Cox-Regression nach formaler Bildung (CASMIN-Klassifikation) und beruflichem Status (ISEI-Index) getrennt für Männer und Frauen berechnet.

Ergebnisse: Es konnten insgesamt 139.515 Personen in die Analysen eingeschlossen werden, die bis zum 30.06.2021 eine COVID-19-Diagnose erhalten hatten. Von diesen hatten insgesamt 53,1% Post-COVID-19-Symptome (Frauen 58,9%, Männer 46,7%) und 6,8% hatten eine Post-COVID-19-Diagnose erhalten (Frauen 7,6%, Männer 6%). Menschen mit einer niedrigen formalen Bildung hatten höhere aIR für das Auftreten von Post-COVID-19-Symptomen, aber niedrigere aIR für eine Post-COVID-19-Diagnose. Das Risiko für das Auftreten von Post-COVID-19-Symptomen war für die Gruppe mit der niedrigen Bildung im Vergleich zur Gruppe mit der hohen Bildung um ca. 20% erhöht (aHR 1,19; 95%CI=1,16 – 1,23; p<0,0001). Bei den Post-COVID-19-Diagnosen zeigten sich hingegen keine Bildungsunterschiede (aHR 1,03; 95%CI=0,95-1,12; p=0,4514). In den Analysen nach Berufsstatus zeigte sich, dass v.a. Männer mit einem niedrigen Berufsstatus höhere aIR für Post-COVID-19-Symptome hatten. Bei Frauen hatten hingegen die Gruppen mit dem mittleren Berufsstatus die höchsten aIR. Das Risiko für Post-COVID-19-Symptome war insgesamt für die Gruppe mit dem niedrigen Berufsstatus um ca. 10% erhöht (aHR 1,09; 95%CI=1,05 – 1,13; p<0,0001) und für das Vorliegen einer Post-COVID-19-Diagnose um ca. 10% reduziert (aHR 0,89 (95%CI 0,81 – 0,98; p=0,0151).

Schlussfolgerungen: Unsere Analysen zeigen, dass gesetzlich Versicherte mit niedrigerer sozioökonomischer Position tendenziell ein höheres Risiko für das Auftreten von Post-COVID-19-Symptomen hatten und weniger wahrscheinlich eine Post-COVID-19-Diagnose erhielten. Diese Ergebnisse deuten möglicherweise auf einen höheren Versorgungsbedarf für Menschen mit sozialer Benachteiligung hin, der bisher nur unzureichend gedeckt sein könnte. Bei der Interpretation der Ergebnisse sollten allerdings die methodischen Limitationen dieser Studie, insbesondere das Fehlen einer Kontrollgruppe, beachtet werden. Weitere sozialepidemiologische Forschung ist hier notwendig, um diese Fragestellung weiter zu untersuchen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.