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Wege zur Therapie – Förderfaktoren für die Behandlungsaufnahme bei Männern mit depressiven Erkrankungen
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Bisherige Forschungen zeigen, dass die Geschlechtsidentität bei depressiven Erkrankungen zentrale Auswirkungen auf das Hilfesuchverhalten hat. Dabei fällt auf, dass Männer seltener professionelle Behandlung in Anspruch nehmen. Davon ausgehend untersuchen die meisten Studien Barrieren für eine ausbleibende oder verspätete Behandlungsaufnahme. Ausschlaggebend sind dabei vermutete oder erlebte Selbst- und Fremdstigmatisierung aufgrund abweichender Geschlechterrollen. Hinzu kommen Selbstmanagement, mangelndes Wissen über Depressionen und Vorbehalte gegenüber dem professionellen Hilfesystem. Bisher gibt es nur wenige Studien zu förderlichen Faktoren in Bezug auf den Behandlungseintritt. Ziel dieser Studie ist es deshalb, zu untersuchen, welche Faktoren die Behandlungsaufnahme von Männern mit depressiver Erkrankung fördern können.
Methoden: Im Rahmen des DFG-geförderten Projekts Transformation von Männlichkeitsorientierungen und berufsbezogenen Einstellungen im Kontext depressiver Erkrankungen bei Männern (TRANSMODE) wurden auf Grundlage eines semistrukturierten Leitfadens 60 Interviews mit Männern mit depressiver Erkrankung geführt und inhaltsanalytisch nach Kuckartz ausgewertet. Nachdem das gesamte Material mittels deduktiver Kategorien thematisch vorstrukturiert wurde, erfolgte die induktive Kodierung und konsensuelle Validierung.
Ergebnisse: Zentral für den Behandlungseintritt der betroffenen Männer ist die Motivation, den eigenen Gesundheitszustand zu verbessern. Für die Befragten ist damit das Ziel verbunden, spezifische Symptome behandeln zu lassen sowie deren allgemeine Zuspitzung zu verhindern. Die Behandlungsaufnahme erfolgt häufig zu dem Zeitpunkt, wenn die Befragten „selber nicht mehr weiterwissen“. Darüber hinaus ist der Einfluss von psychiatrischen Fachkräften ausschlaggebend für den Behandlungseintritt. Die Befragten folgen den Empfehlungen von Akteur*innen aus dem professionellen Hilfesystem und sehen Psycholog*innen und Psychiater*innen als Profis in der Lage, adäquate Unterstützung zu leisten. Zudem spielt das private Umfeld für die Entscheidung zum Behandlungsbeginn eine entscheidende Rolle. Einerseits kann das Umfeld – häufig in Form der Partner*innen – die Behandlungsaufnahme fordern, gerade wenn der Gesundheitszustand als nicht mehr akzeptabel betrachtet wird. Andererseits kann das soziale Umfeld zum Bezugspunkt werden, sich selbstständig in Behandlung zu begeben, um beispielsweise niemandem „zur Last zu fallen“. Von besonderer Bedeutung für die Entscheidung zum Behandlungseintritt sind Personen aus dem privaten Umfeld, die bereits Behandlungserfahrung haben. Diese Personen können einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Depressionen und deren Behandlung haben und durch Hinweise und Ratschläge spezifische Unterstützung leisten.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen eine Vielzahl förderlicher Faktoren für den Behandlungseintritt von depressiv erkrankten Männern. Eine bedeutsame Rolle nimmt das private Umfeld bei der Behandlungsaufnahme ein. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass Männer mit depressiven Erkrankungen mehr Eigeninitiative für die Behandlungsaufnahme zeigen, als stereotype Rollenerwartungen annehmen. Beispielsweise versuchen die Männer, durch einen selbstgewählten Behandlungseintritt ihr privates Umfeld zu entlasten oder ihren eigenen Gesundheitszustand zu verbessern. Im Gegensatz zu anderen Studienergebnissen zeigen die Ergebnisse, dass psychiatrische Fachkräfte nicht abgelehnt, sondern als kompetent und vertrauenswürdig betrachtet werden. Es wird deutlich, dass Männer professionelle Behandlung nicht pauschal ablehnen, sondern eine positive und rationalisierte Einstellung zum Behandlungseintritt in ihre Männlichkeitskonstruktion integrieren.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.