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Entwicklungsgefährdungen von 3–6-Jährigen in Kitas in sozialräumlich schwieriger Lage: Prädiktion des Screening-Ergebnisses durch ausgewählte Prädiktoren
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: In Mecklenburg-Vorpommern (M-V) erfolgt seit 2011 in Kitas in sozialräumlich schwieriger Lage eine gesetzlich geregelte jährliche Früherkennung sprachlich-kognitiver, motorischer und sozial-emotionaler Entwicklungsgefährdungen bei 3-6-Jährigen [1], [2], [3], [4], [5]. Welche Faktoren beeinflussen die Screening-Ergebnisse im Folgejahr? Denkbar sind hier das DESK-Vorjahres-Ergebnis, Facetten der Struktur-/Prozessqualität der Kitas (SPQ) sowie die Höhe zusätzlich erhaltener Fördermittel. Forschungsfrage: Wie stark ist der Einfluss dieser Prädiktoren?
Methoden: Die Forschungsfrage wurde im Rahmen einer dynamischen prospektiven Kohortenstudie untersucht, an der sich jährlich etwa 160 Kitas (ca. 15% aller Kitas in M-V) mit insgesamt etwa 8.000 Kindern beteiligen. Die Erfassung von Entwicklungsgefährdungen erfolgte mit dem „Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten (DESK 3-6 R)“. Zur Erfassung der SPQ wurden dem Kitaleitungspersonal 22 Items des Fragebogens „K2ID – Kinder und Kitas in Deutschland“ des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) im Rahmen einer schriftlichen Befragung vorgelegt. Diese erlauben eine Zufriedenheitseinschätzung in den Kita-Bereichen Kinderbetreuungsverhältnis, Organisation/Struktur, Ausstattung, Aktivitäten zur gezielten Anregung der kindlichen Entwicklung sowie Zusammenarbeit mit den Eltern. Zur Anwendung kamen Multilevel-Modelle (Ebene Kita; random intercept-Modelle MLM1 – MLM 7), mit denen das Outcome „DESK-Wert Erhebung 2022 (Fokus: DESK-Domäne Sprache und Kommunikation)“ durch jeweils 1 der folgenden Prädiktoren vorhergesagt werden sollte: MLM 1: DESK-Score Erhebung 2021; MLM 2: Kinderbetreuungsverhältnis; MLM 3: Organisation/Struktur; MLM 4: Ausstattung; MLM 5: Aktivitäten zur gezielten Anregung der kindlichen Entwicklung; MLM 6: Zusammenarbeit mit den Eltern; MLM 7: Höhe zusätzlich erhaltener finanzieller Mittel pro 10.000 €.
Ergebnisse: Als statistisch signifikante Prädiktoren erweisen sich das DESK-Vorjahres-Ergebnis (B: 0,75; SE B: 0,01; p < 0,01) sowie der SPQ-Bereich „Kinderbetreuungsverhältnis“ (B: 0,12; SE B: 0,04; p < 0,01). Der p-Wert des SPQ-Bereichs „Zusammenarbeit mit den Eltern“ liegt nur knapp oberhalb der gesetzten Grenze für statistische Signifikanz (B: 0,18; SE B: 0,09; p = 0,06)
Diskussion: Die Ergebnisse liefern Hinweise für die Vorhersagekraft von DESK-Vorjahreswerten für die DESK-Ergebnisse im Folgejahr. Deshalb sollte dieses Entwicklungsscreening in regelmäßigen jährlichen Abständen, also nicht nur einmalig eingesetzt werden. Dass der Regressionskoeffizient bei dem Prädiktor „DESK Score 2021“ nur 0,75 beträgt, verwundert nicht. Denn eine Erhöhung des Prädiktors „DESK-Vorjahres-Ergebnis“ um den Wert 1 würde bedeuten, dass solche Kinder dann wenigstens so viele Kompetenzen aufweisen, dass sie nicht mehr zwangsläufig der Gruppe der entwicklungsgefährdeten Kinder angehören (dies ist die Zielgruppe der gezielten individuellen Förderung). Stattdessen wären sie der Zielgruppe „usual care“ („alltagsintegrierte Förderung“) zuzuordnen, die im Vergleich zur gezielten individuellen Förderung mit einem geringeren personellen Ressourceneinsatz einhergeht. Eine Änderung der Zuordnung von Kindern zu einer der beiden o.g. Gruppen hat vermutlich Auswirkungen auf die Größe der Veränderung des DESK-Ergebnisses. Dieser Befund deckt sich mit einem Ziel des KiföG, nämlich der Spezifizierung der Förderung in Abhängigkeit vom DESK-Ergebnis. Eine weitere bedeutsame Einflussgröße ist die Struktur- und Prozessqualität von „DESK-Kitas“. Zwar fällt dieser Einfluss im Vergleich zum DESK-Vorjahres-Ergebnis quantitativ geringer, aber zumindest bei dem SPQ-Bereich „Kinderbetreuungsverhältnis“ statistisch signifikant aus. Dies bedeutet, dass Verbesserungen speziell in diesem Bereich mit besseren DESK-Ergebnissen assoziiert sind. Die Analyseergebnisse liefern Hinweise dafür, dass eine Erhöhung der Zufriedenheit des Leitungspersonals bzgl. dieser Qualitätsdimension auf der Kita-Ebene ebenso zu einer Verbesserung des DESK-Ergebnisses im Folgejahr auf der Kind-Ebene führen würde.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Franze M, Biermann J, Kästner A, Ernst V, Hoffmann W. Effects of the targeted individual promotion for five- to six-year olds affected by attentional and concentration related developmental risks: results of a dynamic prospective cohort study in preschools in socially deprived regions in Mecklenburg-Western Pomerania, Germany. Prev Sci. 2022 Aug;23(6):996-1006.
- 2.
- Franze M, Biermann J, Weitmann K, Hoffmann W. Reducing developmental risks by additional staff hours: Effects of a government program to support day care centers with socially deprived children. CHILDREN AND YOUTH SERVICES REVIEW. 2018;93:240-247.
- 3.
- Biermann J, Franze M, Hoffmann W. Social-Emotional Skills in Five-to-Six-Year-Olds in Social Hotspots in Germany: Individual Trajectories in a Prospective Cohort. IJEC. 2023. DOI: 10.1007/s13158-023-00367-w
- 4.
- Kästner A, Ernst V, Hoffmann W, Franze M. Changes in developmental risks in social behavior in three- to four-year-old children from preschools in socially disadvantaged regions after first COVID-19 wave – results from a prospective cohort study. Sci Rep. 2023 Apr 6;13(1):5615.
- 5.
- Ernst V, Franze M, Kästner A, Hoffmann W. Cohort Profile: Evaluation of the targeted individual promotion in German preschools using the revised Dortmund Developmental Screening for Preschools DESK 3-6 R (project “GIF MV”). BMC Public Health. 2023;23:414.