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The Working Mind-Uni: Mixed-Methods-Evaluation einer settingbasierten Intervention zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und zur Förderung psychischer Gesundheit im Hochschulkontext
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Im Laufe eines Jahres ist mehr ein Viertel der deutschen Bevölkerung von einer psychischen Erkrankung betroffen [1]. Trotz zunehmender gesellschaftlicher Offenheit für das Thema sind psychische Erkrankungen weiterhin mit einem Stigma behaftet [2]. Stigmatisierung psychischer Erkrankungen geht für Betroffene mit einer Reihe negativer Konsequenzen einher, darunter einer verringerten Bereitschaft, (früh) Unterstützung in Anspruch zu nehmen [3], was das Risiko einer Verschlechterung oder Chronifizierung der psychischen Beschwerden birgt. Vor diesem Hintergrund sind Maßnahmen vonnöten, welche dazu beitragen, psychische Gesundheit in Lebenswelten (z. B. am Arbeitsplatz) zu stärken und Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen abzubauen. Effektive Interventionen, wie das in Kanada entwickelte Programm The Working Mind (TWM) [4], [5], adressieren mehrere Ebenen, auf denen Stigmatisierung stattfinden kann: die intrapersonelle (persönliches oder Selbststigma), die interpersonelle (öffentliches Stigma), und in Ansätzen auch die gesellschaftliche (strukturelles Stigma). Darüber hinaus stärkt TWM die psychische Gesundheitskompetenz, indem Anzeichen psychischer Gesundheit und Krankheit im Sinne eines Kontinuums diskutiert, Stressbewältigungsstrategien geübt und Unterstützungsangebote vorgestellt werden [4], [5]. Ziel des vorgestellten Projekts ist es, TWM an den deutschen Hochschulkontext anzupassen, dort zu implementieren und zu evaluieren. Hierbei werden mehrere Zielgruppen adressiert: Studierende, Beschäftigte und Führungskräfte an Hochschulen/Universitäten.
Methode: Das Programm wird pilotiert und hinsichtlich seiner Wirkung auf Stigmatisierung und psychische Gesundheitskompetenz evaluiert. Dabei untersuchen wir stigmatisierende Einstellungen gegenüber psychischen Erkrankungen, Offenheit gegenüber psychischen Problemen und Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Unterstützung sowie Resilienz, subjektives Wohlbefinden und psychische Gesundheitskompetenz. Darüber hinaus wird analysiert, inwiefern das Geschlecht und die persönlichen Werte der Teilnehmenden die Wirksamkeit des Programms beeinflussen. Dafür verwenden wir ein sequenzielles explanatorisches Mixed-Methods-Evaluationsdesign (QUANà qual): (1) quasi-experimentelle Online-Befragung mit Programmteilnehmenden und einer passiven Kontrollgruppe zu drei Messzeitpunkten; (2) Fokusgruppen und Interviews mit Programmteilnehmenden nach der Intervention. Die quantitativen Daten werden mit 2x3-ANOVAs bzw. ANCOVAs analysiert, die qualitativen Daten mittels inhaltlich-strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse.
Ergebnisse: Da der Datenerhebungsprozess noch im Gange ist, sind aktuell nur vorläufige Evaluationsergebnisse verfügbar. Der erste Datenerhebungsdurchgang wird Ende Juni abgeschlossen sein und die ersten Daten anschließend gemäß den oben dargestellten Methoden analysiert werden. Im Rahmen der Implementierung zeigte sich, dass die Intervention hohen Zulauf von Beschäftigten verzeichnete, wohingegen Studierende und Führungskräfte schwerer zu erreichen waren. Unter den Teilnehmenden berichteten einige von Erfahrungen mit psychischen Belastungen/Erkrankungen aus dem privaten und/oder professionellen Umfeld. Die Intervention wurde gut angenommen; die Teilnehmenden äußerten sowohl im Rahmen der Workshops als auch im Rahmen der Fokusgruppe/Interviews den Wunsch nach Verstetigung.
Schlussfolgerung: Der erste Workshop-Durchgang zeigte, dass das Programm von den Teilnehmenden als hilfreich wahrgenommen wurde. Der recht offene Austausch der Programmteilnehmenden über persönliche Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen (des Umfelds) könnte darauf schließen lassen, dass verstärkt Personen teilnahmen, die dem Thema gegenüber bereits aufgeschlossen waren. Für weitere Durchgänge sowie eine Verstetigung gilt es zu überlegen, wie vermehrt Führungskräfte und Studierende sowie Personen, die bislang wenig Berührungspunkte mit dem Thema haben, erreicht werden können. Sobald der erste Datenerhebungsdurchgang abgeschlossen ist, sollen die ersten quantitativen und qualitativen Evaluationsergebnisse integriert und diskutiert werden sowie daraus weiterführende Forschungsbedarfe abgeleitet werden.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.
Literatur
- 1.
- Jacobi F, Höfler M, Strehle J, Mack S, Gerschler A, Scholl L, et al. Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Nervenarzt. 2014;85(1):77-87.
- 2.
- Schomerus G, Schindler S, Sander C, Baumann E, Angermeyer MC. Changes in mental illness stigma over 30 years – Improvement, persistence, or deterioration?. Eur Psychiatr. 2022;65(1):1-7. DOI: 10.1192/j.eurpsy.2022.2337
- 3.
- Sickel AE, Seacat JD, Nabors NA. Mental health stigma update: a review of consequences. Advances in Mental Health. 2014;12(3):202-15. DOI: 10.1080/18374905.2014.11081898
- 4.
- Dobson KS, Szeto A, Knaak S. The working mind: a meta-analysis of a workplace mental health and stigma reduction program. Can J Psychiatry. 2019;64(1S):39-47. DOI: 10.1177/0706743719842559
- 5.
- Szeto A, Dobson KS, Knaak S. The road to mental readiness for first responders: a meta-analysis of program outcomes. Can J Psychiatry. 2019;64(1S):18-29. DOI: 10.1177/0706743719842562