Artikel
Hitzealarm in Mitteldeutschland: Frühgeburten im Fokus
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
---|
Gliederung
Text
Hintergrund: Frühgeburtlichkeit („preterm birth“, PTB) ist ein wichtiges Problem der öffentlichen Gesundheit, das mit erhöhter neonataler Morbidität und Mortalität sowie mit langfristigen gesundheitlichen Folgen verbunden ist. Sie ist definiert als Geburt vor der 37. Vollendeten Schwangerschaftswoche (SSW). Schwangere sind besonders anfällig für Hitzestress und hohe Temperaturen, die als potenzielle Risikofaktoren für Frühgeburten identifiziert wurden [1]. Während der Schwangerschaft erfahrener Hitzestress kann zeitlich verzögert zu unerwünschten Ereignissen führen und diese Hitzstress-Effekte können sich sogar während der begrenzten Zeit einer Schwangerschaft akkumulieren. Anzahl und Dauer der Hitzewellen in Europa haben im letzten Jahrzehnt infolge der globalen Erwärmung erheblich zugenommen [2]. Die Auswirkung von Hitzestress auf die PTB-Rate wurde in mehreren Analysen aus verschiedenen Regionen weltweit gezeigt, aber bisher nur begrenzt für Deutschland [3].
Methoden: Die Studienkohorte basiert auf dem deutschen Geburtenregister des Landes Thüringen von 2014–2018 mit 84 568 Schwangerschaften. Für die Analyse der Temperaturen wurden frei zugängliche Daten von 134 Thüringer Messstationen während des Studienzeitraums abgerufen. Für jede Station wurden Maximaltemperatur-Perzentilen pro Jahr berechnet und Tage mit Maximaltemperaturen oberhalb des 75., 90., 95. und 98. Perzentils kategorisiert. Die Stationsdaten wurden dann mit den Postleitzahlen der Frauen verknüpft, wobei eine Genauigkeit von 0,5° in Bezug auf Längen- und Breitengrad verwendet wurde. Die Koordinaten der Postleitzahlen bezeichnen dabei den geographischen Mittelpunkt der Fläche.
Ein Case-Cross-Over-Modell wurde verwendet, um die relativen Risiken einer Frühgeburt nach Cochran-Mantel-Haenszel in den Kategorien Termingeburt, unter 37., 32. und 28. SSW zu schätzen. Das Modell berücksichtigte die Häufigkeit von Hitzeereignissen während der Schwangerschaft und untersuchte die Auswirkungen von hohen Temperaturen in den letzten 7 Tagen vor der Frühgeburt. Dieser Ansatz ermöglichte eine Abschätzung der Auswirkungen der Temperaturexposition während des kritischen Zeitraums vor der PTB.
Da die Wahrscheinlichkeit einer Geburt mit dem Näherrücken des geschätzten Geburtstermins zunimmt, wurden die relativen Risiken (RR) einer Frühgeburt proportional zu denen einer Termingeburt angepasst. Diese Anpassung berücksichtigt die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Spontangeburt, die näher am geschätzten Geburtstermin liegt, und stellt sicher, dass die geschätzten Risiken einer Frühgeburt in der Analyse korrekt wiedergegeben werden.
Ergebnisse: Nach Ausschluss von Geburtseinleitungen, elektiven Kaiserschnitten und Geburten ohne zugehörige Temperaturdaten wurden insgesamt 31 273 Fälle in die Analyse einbezogen, von denen 6,4 % Frühgeburten waren. Unsere Analyse zeigte einen Zusammenhang zwischen Höchsttemperaturen über dem 98. Perzentil in der letzten Woche vor der Entbindung und Frühgeburtenraten für alle Gestationsalterkategorien: unter 37 Wochen (RR: 1,2; 95% CI: 1,09-1,31), 32 Wochen (RR: 1,8, 95% CI: 1,37-2,36) und 28 Wochen (RR: 2,35, 95% CI: 1,51-3,66).
Fazit: Wir konnten einen Zusammenhang zwischen Frühgeburtlichkeit und erhöhten Temperaturen nachweisen. Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit aktuellen internationalen Forschungsergebnissen und Studien aus mitteleuropäischen Ländern [4], [5]. Mit unserer Analyse konnten wir erstmals Ergebnisse für ein zentrales deutsches Bundesland vorlegen.
Interessenkonflikte: Ekkehard Schleußner: Chair of the EAPM Special Interest Group Climate Change, Environmental Pollution and Perinatal Health
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Chersich MF, Pham MD, Areal A, et al. Associations between high temperatures in pregnancy and risk of preterm birth, low birth weight, and stillbirths: systematic review and meta-analysis. BMJ. 2020;371:m3811.
- 2.
- European Environment Agency (EEA). Indicator Assessment. Global and European temperatures. [cited 2024 Apr 23] Available from: https://www.eea.europa.eu/ds_resolveuid/2bd0fdd6e2d146c3ba16cc9e56dff958
- 3.
- Yüzen D, Graf I, Tallarek AC, et al. Heat stress increases late preterm birth risk in Hamburg. Journal of Reproductive Immunology. 2023;159:104105.
- 4.
- Cox B, Vicedo-Cabrera AM, Gasparrini A, et al. Ambient temperature as a trigger of preterm delivery in a temperate climate. Journal of Epidemiology and Community Health. 2016;70:1191-9.
- 5.
- DeBont J, Stafoggia M, Nakstad B, et al. Associations between ambient temperature and risk of preterm birth in Sweden: A comparison of analytical approaches. Environ Res. 2022;213:113586.