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ProMoThE – ein Prozessmodell der Individualisierung therapeutischer Übungen in der Physiotherapie
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Physiotherapeutische Übungen bilden einen wesentlichen Bestandteil der physiotherapeutischen Behandlung [1]. Die therapeutischen Übungen haben Modellcharakter, und Therapeut*innen passen sie an die individuellen Eigenschaften ihrer Patient*innen an [2], [3]. Das explizite Wissen über diesen Vorgang ist begrenzt. Eine adäquate Wissensrepräsentation der Behandlung mit physiotherapeutischen Übungen kann die interdisziplinäre Kommunikation und damit die Entwicklung assistierender Gesundheitstechnologien und die (interdisziplinäre) Lehre unterstützen. Vor diesem Hintergrund wird der erste Entwurf eines Prozessmodells für die Individualisierung von therapeutischen Übungen in der Physiotherapie (ProMoThE) vorgestellt.
Methodik: Zur Erstellung der ersten Version des ProMoThE wurden Prozessfaktoren zur Individualisierung von physiotherapeutischen Übungen aus einem systematischen Literaturreview zur Individualisierung physiotherapeutischer Übungen bei Patient*innen mit muskuloskelettalen Schulterbeschwerden herangezogen [4]. Eine nicht systematische Lehrbuchanalyse, sowie nicht strukturierte Expertengespräche mit zwei Physiotherapeutinnen und drei Medizininformatiker*innen generierten weiteres Wissen. Die gemeinsame Fragestellung war: „Wie werden physiotherapeutische Übungen individuell? Wie kann der Prozess der Individualisierung von physiotherapeutischen Übungen dargestellt werden, so dass die Darstellung interdisziplinäre Gespräche unterstützt?“ Der Plan Do Check Act (PDCA) Zyklus, auch als Deming Kreis bekannt, wurde dafür als geeignete Darstellungsform identifiziert. Die in den vier Phasen des PDCA Zyklus identifizierten Subprozesse, wurden weiter analysiert und systematisiert mithilfe von Turtle Diagrammen.
Ergebnisse: Die erste Version des ProMoThE zeigt den Prozess der Behandlung mit physiotherapeutischen Übungen in den vier Phasen „Analyse Ist-Zustand und Konzeptentwicklung“, „Probedurchlauf“, „Bewertung Probedurchlauf“ und „Festlegung und Ausführung der Übung(en)“. Im Laufe der physiotherapeutischen Behandlung wird ein Übungsprogramm in der Regel zunehmend individueller an die Patient*innen angepasst. Evidenz-basierte Praxis, Clinical Reasoning und partizipative Entscheidungsfindung sind entscheidend dafür und stehen daher im Zentrum des ProMoThE. Die erste Phase des Prozesses „Analyse Ist-Zustand und Konzeptentwicklung“ beginnt, sobald physiotherapeutische Übungen im Rahmen der Behandlung angezeigt sind. Ein neuer PDCA Zyklus beginnt, sobald eine Änderung der Übung(en) notwendig und eingeleitet wird. Jeder Teilprozess der vier Phasen des ProMoThE ist mit einem Turtle Diagramm modelliert. Beispielhaft wird der Subprozess „Vereinbaren der Übung(en) / des Übungsprogramms“ gezeigt. Er ist der Phase „Festlegung und Ausführung der Übung(en)“ zugeordnet. Prozessbeteiligte sind der Physiotherapeut, bzw. die Physiotherapeutin in der Rolle als Prozessmanager*in und die Patientin, bzw. der Patient in aktiver Rolle. In diesem Subprozess können Angehörige oder Betreuer*innen zusätzliche Akteur*innen sein.
Schlussfolgerung: Das ProMoThE stellt Prozesse für die Behandlung mit physiotherapeutischen Übungen basierend auf dem PDCA Zyklus und Turtle Diagrammen dar. Das Modell wirkt leicht verständlich und könnte ersten Gesprächen mit Kolleg*innen zufolge in der Lehre unterstützen und das interdisziplinäre Verständnis fördern. Im Modell sind Subprozesse und Prozessschritte getrennt, die sich in der Realität überschneiden. Clinical Reasoning Prozesse beispielsweise ziehen sich durch den gesamten Prozess, sind aber auch einzelnen Teilprozessen explizit zugeordnet. Projektbedingt liegt der Fokus der gesichteten Literatur auf der Individualisierung von therapeutischen Übungen für Patient*innen mit muskuloskelettalen Erkrankungen der Schulter. Eine Überarbeitung des ProMoThE auf Basis weiterer Literaturrecherchen sowie den Ergebnissen von Experteninterviews ist im nächsten Schritt geplant. Nachfolgend wird eine strukturierte Evaluation des finalen Modells für den Einsatz in der Lehre und zur Unterstützung bei der Entwicklung assistierender Gesundheitstechnologien angestrebt.
The authors declare that they have no competing interests.
The authors declare that an ethics committee vote is not required.
References
- 1.
- Kisner C, Colby LA. Grundlagen der Physiotherapie: Vom Griff zur Behandlung. 65 Tabellen. 3., überarb. und erw. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2010.
- 2.
- Zalpour C. Springer Lexikon Physiotherapie. 2. Aufl. Berlin: Springer; 2014.
- 3.
- Klein-Vogelbach S. Therapeutische Übungen zur funktionellen Bewegungslehre: Analyse und Instruktion individuell anpaßbarer Übungen. Mit 111 Abbildungen in 275 Teilabbildungen. 3., überarb. Aufl., 1., korr. Nachdr. Berlin: Springer; 1994.
- 4.
- Elgert L, Steiner B, Saalfeld B, Marschollek M, Wolf KH. Factors for Individualization of Therapeutic Exercises for the Design of Health-Enabling Technologies. Stud Health Technol Inform. 2022;289:136–9.