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Verordnungen von oral anzuwendenden Antidiabetika und Inkretin-Mimetika zwischen 2018 und 2023 in Schleswig-Holstein im Spannungsfeld zwischen Nutzenbewertungen und dem Medienrummel um die „Abnehmspritze“
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Veröffentlicht: | 6. September 2024 |
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Einleitung: Gemäß des aktuellen Arzneiverordnungs-Reports haben orale Antidiabetika und Inkretin-Mimetika im Jahr 2022 mit 3,6 Milliarden € den zweithöchsten Nettokostenzuwachs gegenüber dem Vorjahr und Platz 3 der umsatzstärksten Arzneimittelgruppen erreicht. Im vergangenen Jahr führten der Hype um den GLP-1-Rezeptor-Agonisten Semaglutid in den sozialen Medien zu Engpässen in der Versorgung von Typ-2-Diabetikern, zu Präparate-Fälschungen und Off-label-Anwendungen von Semaglutid. Andererseits erkannte der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) in zahlreichen Bewertungsverfahren häufig keinen Zusatznutzen von oralen Antidiabetika in Bezug auf die Vergleichstherapie eines Diabetes Typ 2.
Methodik: Um potenzielle Einflüsse der Ergebnisse einer Nutzenbewertung oder anderer Faktoren auf das Verordnungsverhalten von niedergelassenen Ärzten in Schleswig-Holstein zu identifizieren, wurden die Verordnungen (VO) von oralen Antidiabetika und Inkretin-Mimetika (α-Glucosidasehemmer, DPP-4-Inhibitoren, Glinide, GLP-1-Agonisten, Metformin, SGLT2-Inhibitoren, Sulfonylharnstoffe), welche von den Krankenkassen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in den Quartalen 01/2018 bis 02/2023 erstattet wurden, analysiert.
Ergebnisse: Den stärksten Rückgang der Verordnungszahlen erfuhren die DPP-4-Inhibitoren und hier insbesondere Sitagliptin. Betrug die Verordnungszahl im Quartal 01/18 noch 14.471, sank diese auf 1.248 im Quartal 02/2023. Die Verordnungen von Saxagliptin und Vildagliptin bewegten sich durchgehend in einem Bereich von wenigen hunderten Verordnungen und nahmen im Verlauf ebenfalls ab. Diese Zahlen waren vergleichbar mit den Verordnungszahlen fixer Kombinationen aus Saxagliptin oder Vildagliptin mit Metformin. Ebenfalls rückläufig waren die Verordnungszahlen der GLP-1-Rezeptoragonisten Exenatid und Liraglutid in Form des Präparats Victoza®. Deutliche Zunahmen der Verordnungszahlen erfuhren hingegen Dulaglutid (1.283 VO im Quartal 01/2018 auf 4.776 VO im Quartal 02/2023) und insbesondere Semaglutid (559 VO im Quartal 01/2020, 7.862 VO im Quartal 02/2023). Lixisenatid in fixer Kombination mit Insulin glargin wurde ebenfalls zunehmend häufiger verordnet. Die höchste Zunahme an Verordnungen erfuhren die SGLT2-Inhibitoren. Dementsprechend stieg die Zahl der Verordnungen von Dapagliflozin von 2.906 im Quartal 01/2018 auf 18.134 im Quartal 02/2023, die von Empagliflozin in demselben Zeitraum von 4.735 auf 18.594 Verordnungen. Die fixe Kombination von Dapagliflozin mit Metformin zeigte trotz eines bis Dezember 2019 noch nicht belegten Zusatznutzens eine deutliche Zunahme an Verordnungen (1.109 VO im Quartal 01/2018 auf 4.564 VO im Quartal 02/2023). Ertugliflozin, für welches der G-BA 2022 keinen zusätzlichen Nutzen erkannte, wies ebenfalls eine steigende Anzahl von Verordnungen auf (85 VO im Quartal 01/2022, 1.257 VO im Quartal 02/2023). Die fixe Kombination von Ertugliflozin mit Sitagliptin hingegen wurde über die Zeit hinweg konstant in einer Größenordnung von etwa 200 VO / Quartal verordnet.
Diskussion: Zusammenfassend fand sich in den Jahre 2018 bis 2023 eine deutliche Abnahme der Verordnungszahlen von DPP-4-Inhibitoren. Im Gegensatz dazu war eine beträchtliche Zunahme von Verordnungen der SGLT2-Inhibitoren zu beobachten, welche sich durch die beschriebenen günstigen Wirkungen bei Diabetespatienten mit hohem kardiovaskulären Risiko und die Zulassungen für die Behandlung einer Herzinsuffizienz und einer chronischen Niereninsuffizienz erklären lässt. Auch bestätigte sich der bereits beschriebene, seit Jahren anhaltende Trend, dass „ältere“ orale Antidiabetika mit Ausnahme von Metformin zunehmend seltener verordnet werden.
Schlussfolgerung: Aus den Verordnungsdaten ließen sich keine eindeutigen Faktoren erkennen, die einen Einfluss auf das Verordnungsverhalten in Bezug auf orale Antidiabetik und Inkretin-Mimetika nahmen.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
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- Freichel M, Klinge A. Diabetes mellitus. In: Ludwig WD, Mühlbauer M, Seifert R, editors. Arzneiverordnungs-Report 2023. Berlin, Heidelberg; Springer; 2023. p. 291-310.
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- Clark L. GLP-1 Receptor Agonists: A Review of Glycemic Benefits and Beyond. JAAPA. 2024,37:1-4. DOI: 10.1097/01.JAA.0001007388.97793.41
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- Wang S, Wang S, Wang Y, Luan J. Glycemic Control, Weight Management, Cardiovascular Safety, and Cost-Effectiveness of Semaglutide for Patients with Type 2 Diabetes Mellitus: A Rapid Review and Meta-analysis of Real-World Studies. Diabetes Ther. 2024;15:497-519. DOI: 10.1007/s13300-023-01520-3.