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Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH)

08.09. - 13.09.2024, Dresden

Kriteriengeleitete Evaluation innovativer Pflegetechnologien in der Praxis

Meeting Abstract

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  • Kirsten Harms - OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg, Germany
  • Tobias Krahn - OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg, Germany
  • Fynn Bredehorn - OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg, Germany
  • Andreas Hein - Universität Oldenburg, Abteilung für Assistenzsysteme und Medizintechnik, Oldenburg, Germany; OFFIS - Institut für Informatik, Oldenburg, Germany

Gesundheit – gemeinsam. Kooperationstagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS), Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi), Deutschen Gesellschaft für Medizinische Soziologie (DGMS) und der Deutschen Gesellschaft für Public Health (DGPH). Dresden, 08.-13.09.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. DocAbstr. 816

doi: 10.3205/24gmds065, urn:nbn:de:0183-24gmds0658

Veröffentlicht: 6. September 2024

© 2024 Harms et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Die Pflege steht unter einem enormen Handlungsdruck – einer stark ansteigenden Anzahl Pflegebedürftiger steht zu wenig Fachpersonal gegenüber. Die Digitalisierung kann hier Entlastung bringen [1], [2]. Im Rahmen eines vom BMBF geförderten Projekts zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege (VAPiAR – FKZ 02L20B054) wurden Technologien in der Pflegepraxis evaluiert [3]. Diese Technologien adressierten partizipativ ermittelte, pflegerische Schwerpunkte: eine (i) Sturzerkennung und ein (ii) intelligenter Trinkbecher für den Bereich „Risikoerkennung & Prävention“, ein (iii) Telepräsenzroboter zur Erleichterung der „Kommunikation“ z.B. zwischen zu Pflegenden und dem Pflegedienst und ein (iv) Hebekissen für gestürzte Personen mit dem Ziel der „körperlichen Entlastung“.

Methodik: Angestrebt wurde eine Testung dieser vier Technologien im Pflegealltag dreier ambulanter Pflegedienste. Dazu wurden die (i) Sturzerkennung und der (iii) Telepräsenzroboter in Wohnungen von Kunden integriert und das (iv) Hebekissen von den Pflegefachpersonen bei Bedarf eingesetzt. Der (ii) intelligente Trinkbecher wurde aufgrund unzuverlässiger Funktionalität von den Praxiserprobungen ausgenommen und auf Basis von Laborerprobungen evaluiert. Die Testzeiträume betrugen zwischen zwei und vier Wochen; die anschließende Evaluation fand anhand eines Fragebogens statt, dessen Items sich an den Kategorien des NASSS-Frameworks orientieren [4].

Ergebnisse: Aufgrund unterschiedlicher Aspekte konnte eine Praxiserprobung nur bei einer geringen Anzahl von Kund*innen stattfinden: dazu gehörten hohe Belastungen und personelle Fluktuationen bei den Pflegediensten sowie eine häufig fehlende WLAN-Verbindung in den Wohnungen.

Das (iv) Hebekissen (n=6) und die (i) Sturzerkennung (n=2) wurden als nützlich und zuverlässig bewertet (5 von 6 bzw. 2 von 2 Personen). Fünf von sechs Pflegefachpersonen möchten das Hebekissen weiter einsetzen. Der Pflegedienst, welcher die Sturzerkennung testete, nutzt bereits ein ähnliches System – daher bestand hier kein Interesse an einer Weiternutzung.

Die Rückmeldungen zum (ii) intelligenten Trinkbecher (n=5) und zum (iii) Telepräsenzroboter (n=2) fielen gemischt aus. Während die Bedienbarkeit eher positiv bewertet wurde (3 von 5 bzw. 2 von 2 Personen), schätzten die Pflegefachpersonen die Funktionalität als (eher) nicht zuverlässig ein und sahen keinen klaren Nutzen im Arbeitsalltag (3 von 5 bzw. 2 von 2 Personen).

Diskussion: Die Schwierigkeiten der Pflegedienste, Ressourcen für die Technologieerprobungen zu finden, verdeutlichen die Auswirkungen des Fachkräftemangels. Die Tatsache, dass Testungen an einer fehlenden WLAN-Verbindung scheiterten, weist auf das Fehlen grundlegender Infrastruktur für den Einsatz von Pflegetechnologien hin.

Die positiven Bewertungen von zwei der getesteten Technologien zeigen, dass Geräte erhältlich sind, die eine Erleichterung im Pflegealltag darstellen. Die gemischten Rückmeldungen zum intelligenten Trinkbecher und zum Telepräsenzroboter weisen allerdings darauf hin, dass manche Technologien technisch unausgereift sind oder am Bedarf der Nutzer*innen vorbei entwickelt wurden. Die genannten Aspekte werden auch durch weitere Studien gestützt, siehe z.B. [5].

Aufgrund der kleinen Stichprobe wäre eine qualitative Erhebung besser geeignet gewesen. Wir hatten ursprünglich mit mehr Teilnehmenden gerechnet und haben die gewählte Methodik beibehalten, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse der unterschiedlichen Evaluationen zu gewährleisten.

Schlussfolgerung: Durch punktuelle Testungen von innovativen Pflegetechnologien können Pflegedienste neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Pflegesituation erschließen. Hierzu benötigen sie allerdings ausreichende Ressourcen. Weiterhin ist das Vorhandensein grundlegender Infrastruktur häufig Voraussetzung für den Einsatz der Technologien. Technologiehersteller sollten sich (noch) stärker an den tatsächlichen Bedarfen des Pflegealltags orientieren und partizipative Entwicklungsmethoden einsetzen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Lutze M, Trauzettel F, Busch-Heizmann A, Bovenschulte M. Potenziale einer Pflege 4.0: Wie innovative Technologien Entlastung schaffen und die Arbeitszufriedenheit von Pflegefachpersonen in der Langzeitpflege verändern. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung; 2021. DOI: 10.11586/2021037 Externer Link
2.
Gliesche P, Seibert K, Kowalski C, Domhoff D, Pfingsthorn M, Wolf-Ostermann K, et al. Robotic Assistance in Nursing Care: Survey on Challenges and Scenarios. Int J of Biomedical and Biological Eng. 2020;14(9):257-262.
3.
ILAG - Institut Leistung Arbeit Gesundheit GbR. VAPiAR - Arbeitswelt Pflege gestalten [Internet]. [cited 2024 Apr 30]. Available from: https://vapiar.de/ Externer Link
4.
Greenhalgh T, Wherton J, Papoutsi C, Lynch J, Hughes G, A’Court C, et al. Analysing the role of complexity in explaining the fortunes of technology programmes: empirical application of the NASSS framework. BMC Med. 2018;16(1):1-15. DOI: 10.1186/s12916-018-1050-6 Externer Link
5.
Krick T, Zerth J, Klawunn R. Pflegeinnovationen in der Praxis: Erfahrungen und Empfehlungen aus dem „Cluster Zukunft der Pflege“. Wiesbaden: Springer Fachmedien; 2023.