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68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

17.09. - 21.09.23, Heilbronn

Anforderungsanalyse, Spezifikation und Entwicklung eines Epilepsie-Dashboards zur Darstellung personalisierter, genetischer Informationen (EpiReq)

Meeting Abstract

  • Beatrice Coldewey - Medizinische Fakultät der RWTH Aachen, Aachen, Germany
  • Ariadna Pérez Garriga - Medizinische Fakultät der RWTH Aachen, Aachen, Germany
  • Stefan Wolking - Uniklinikum RWTH Aachen, Aachen, Germany
  • Patrick May - University of Luxembourg, Esch-sur-Alzette, Luxembourg
  • Rainer Röhrig - Medizinische Fakultät der RWTH Aachen, Aachen, Germany
  • Yvonne Weber - Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Germany
  • Myriam Lipprandt - Medizinische Fakultät der RWTH Aachen, Aachen, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS). Heilbronn, 17.-21.09.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. DocAbstr. 127

doi: 10.3205/23gmds092, urn:nbn:de:0183-23gmds0929

Veröffentlicht: 15. September 2023

© 2023 Coldewey et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Für genetisch bedingte Epilepsien gibt es zahlreiche Therapien, die auf den jeweiligen molekularen Pathomechanismus der Genmutationen abzielen. Die Menge an verfügbaren Informationen zur Diagnostik und zu möglichen personalisierten Therapieoptionen nimmt stetig zu [1], [2]. Ärzt*innen müssen diese aus verschiedenen Datenbanken und Publikationen anhand der ihnen vorliegenden klinischen Patientendaten zusammentragen und bewerten. Während im Bereich der molekularen Tumordiagnostik bereits prozessunterstützende Anwendungen existieren [3], stehen diese für die genetischen Epilepsien bisher noch nicht zur Verfügung.

Ziel der Studie ist Erhebung des Diagnoseprozesses und die Ableitung von Anforderungen im Rahmen des Requirements Engineering für die Entwicklung eines Dashboards zur grafischen Darstellung von Informationen zu genetisch bedingten Epilepsien. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für die Entwicklung von Mock-Ups und die Softwareentwicklung.

Methodik: In der Studie werden Interviews und Fokusgruppen mit am Behandlungsprozess beteiligten Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen sowie teilnehmende Beobachtungen von Fallanalysen und Fallbesprechungen durchgeführt [4], [5]. Insgesamt werden je nach Informationsbedarf ca. 3-15 Personen einbezogen. Die Interviews und Fokusgruppen werden mit Ton aufgezeichnet, die teilnehmenden Beobachtungen mit einem mobilen Eyetracker (Tobi Pro Glasses 2), der von den Probanden getragen wird. Die Aufnahmen werden qualitativ ausgewertet. Die Informationen dienen der Ableitung von Erfordernissen und Anforderungen, der Definition von Nutzergruppen/Personas, der Modellierung von Prozessen/Kernaufgaben sowie der Identifikation möglicher Gefährdungen und Risiken. Die Studie wird im Rahmen des BMBF Forschungsprojektes TreatION (Fkz.: 01GM2210B) durchgeführt und wurde von der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen (EK 23-082, Vorsitzender: R. Hausmann) positiv bewertet.

Ergebnisse: Es wurden erste Kontextinterviews und teilnehmende Beobachtungen mit Epileptologen, einem Bioinformatiker und einer Genetikerin zum Vorgehen und Informationsbedarf bei der Beurteilung der klinischen Signifikanz (z.B. Pathogenität der Genvariante) und der Identifikation von Therapieoptionen anhand von Fallbeispielen durchgeführt. Zur Überprüfung der bisher erhobenen Daten und Klärung offener Fragen werden weitere Expert*innen befragt. Die bisher erhobenen Informationen, z.B. zum Diagnose- und Therapieprozess, wurden in Anforderungen an eine Prozessunterstützung und einer grafischen Darstellung von Informationen zu genetisch bedingten Epilepsien überführt.

Der diagnostische Prozess beinhaltet aufbauend auf den Patientendaten die Recherche zu der Pathologie des Gens und der Genvariante sowie assoziierter Phänotypen bis hin zur Therapieempfehlung, die auf das Wirkprinzip der Genmutationen abgestimmt ist. Bisher werden die Informationen aus verschiedenen, zum Teil genspezifischen Datenbanken wie OMIM, gnomAD, ClinVar oder auch PubMed manuell zusammengetragen. Abhängig von der Bekanntheit des Gens bzw. der Genvariante lassen sich ungesicherte Erkenntnisse aus einzelnen Fällen bis hin zu detaillierten Informationen aus umfangreichen Studien finden.

Diskussion und Schlussfolgerungen: Für die Diagnose und Therapie genetisch bedingter Epilepsien müssen unterschiedlichste Datenquellen zusammengeführt werden. Der Umgang mit ständig wachsenden, teilweise unstrukturierten Daten stellt dabei eine Herausforderung dar. Der nächste Schritt ist, die erhobenen Anforderungen in ein System zur Unterstützung bei Diagnose und Therapie zu überführen. Die Daten müssen explorierbar gemacht, der Grad an Unsicherheit und Unschärfe dargestellt und geeignete Darstellungsformen für die komplexen Daten gefunden werden. Des Weiteren sind aggregierte Daten aus KI-Modulen in die Informationsarchitektur einzubetten. Das Zusammenführen von relevanten Informationen, die bisher verteilt vorlagen, kann den Diagnose- und Therapieprozess unterstützen und birgt die Möglichkeit, Fehler bei der Informationsaquise zu verringern.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Lemke JR. Diagnostik genetisch bedingter Epilepsien. medizinische genetik. 2019;31(3):303–12. DOI: 10.1007/s11825-019-00255-6 Externer Link
2.
Ellis CA, Petrovski S, Berkovic SF. Epilepsy genetics: clinical impacts and biological insights. Lancet Neurol. 2020;19(1):93–100. DOI: 10.1016/S1474-4422(19)30269-8 Externer Link
3.
Buechner P, Hinderer M, Unberath P, Metzger P, Boeker M, Acker T, et al. Requirements Analysis and Specification for a Molecular Tumor Board Platform Based on cBioPortal. Diagnostics. 2020;10(2):93. DOI: 10.3390/diagnostics10020093 Externer Link
4.
Geis T, Johner C. Usability Engineering als Erfolgsfaktor: Effizient IEC 62366- und FDA-konform dokumentieren. Beuth Verlag GmbH; 2015. (Beuth Praxis).
5.
IEC 62366-1:2015. Medical devices - Part 1: Application of usability engineering to medical devices.