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Lernportfolios als kompetenzorientierte Prüfungsform in der Medizininformatik: Erfahrungen aus Sicht der Lehrenden
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Veröffentlicht: | 15. September 2023 |
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Einleitung: Innerhalb der Medizininformatik-Initiative wurden mehrere neue Studienangebote etabliert. Masterstudiengänge wie „Medical Data Science“ an der RWTH Aachen oder „Medizininformatik“ an der Universität Leipzig sind dabei für berufserfahrene Absolvent*innen grundständiger Informatikstudiengänge, der Medizin sowie der Gesundheits- und Naturwissenschaften offen. Die Heterogenität und die Berufserfahrung der Studierenden erfordern die Berücksichtigung des individuellen Vorwissens in der Lehre und in der Prüfungssituation. Lernportfolios, in denen Studierende „Wissen in Sachzusammenhängen [..] kontextualisieren und mithilfe einer systematischen Reflexion der eigenen Lernprozesse kritisch [..] hinterfragen“ [1], erscheinen hier als eine geeignete Prüfungsform. Anhand der Konzeption, Durchführung und Bewertung einer Portfolioprüfung im Modul „Information Systems for Medical Care and Research: Architecture and Management“ im Masterstudiengang „Medical Data Science“ der RWTH Aachen sollen Vor- und Nachteile der Prüfungsform für medizininformatische Studiengänge aufgezeigt werden.
Methodik: Konzeption: Die Lehrveranstaltung wird mit Hilfe des „Constructive Alignment“ [2] konzipiert. Die angestrebten Lernergebnisse zur Modellierung und zur Bewertung von Informationssystemarchitekturen erscheinen geeignet, lehrveranstaltungsbegleitend in Form eines Lernportfolios dokumentiert zu werden.
Durchführung: Das Szenario für die zu untersuchende Informationssystemarchitektur kann aus dem persönlichen beruflichen oder privaten Erfahrungsbereich frei gewählt werden, die Aufgabenstellung, die sich konsequent auf das Szenario bezieht, ist für alle identisch. Während der Lehrveranstaltung werden Zeiten für die Bearbeitung von Teilaufgaben eingeräumt und einzelne Zwischenergebnisse im Plenum präsentiert. Die Beantwortung der Fragestellungen erfordert das Anfertigen von Textbeiträgen und 3LGM²-Modellen; der Umfang der abzugebenden Textbeiträge inklusive Grafiken soll neun DIN-A4-Seiten nicht überschreiten.
Bewertung: Das Bewertungsschema wird den Studierenden vorab zur Verfügung gestellt; inhaltliche Kriterien (z. B. Plausibilität und Korrektheit) werden darin stärker gewichtet als reflexionsbezogene Kriterien (z. B. Reflexion der eigenen Erwartungen / des Lernfortschritts).
Ergebnisse: In zwei Studienkohorten (n1 = 20, n2 = 11) wurde eine Portfolioprüfung im eingangs erwähnten Modul durchgeführt. Der Aufwand für die Konzeption einer Portfolioprüfung ist nicht höher als bei anderen Prüfungsformaten. Die Präsentation von Zwischenergebnissen während der Lehrveranstaltung ermöglicht Feedback vor der Abgabe des Endprodukts. Die Qualität der erzielten Lernergebnisse, insbesondere die inhaltliche Plausibilität und Korrektheit der Abgaben, übertrifft die Erwartungen der Lehrenden, auch im Vergleich zu ähnlichen Lehrveranstaltungen in der Vergangenheit. Dies spiegelt sich in einem wenig differenzierten Notenspiegel mit guten bis sehr guten Noten wider. Der Aufwand für die Korrektur der Portfolios übersteigt den zeitlichen Korrekturaufwand von Klausuren deutlich und kann mit Haus- oder Seminararbeiten verglichen werden.
Diskussion: Lernportfolios eignen sich aus Sicht der Autoren für Lehrveranstaltungen, in denen anwendungs-, analyse- und reflexionsorientierte Lernziele im Vordergrund stehen. Gerade für Studierende mit Berufserfahrung, aber unterschiedlichem Studienhintergrund ist eine Einbeziehung des Vorwissens und eine individuelle Bewertung möglich. Durch Reflexionsaufgaben kann zudem eine Einordnung in persönliche Lern- oder Karriereziele unterstützt werden. Diese subjektiven Befunde werden auch durch die Literatur gestützt [3]. Der von den Lehrenden positiv bewertete Lernerfolg könnte zum einen durch die eigenständige Wahl des zu untersuchenden Szenarios, aber auch auf die hohe Motivation der Studierenden mit beruflichem Hintergrund zurückzuführen sein.
Um den Korrekturaufwand überschaubar zu halten, empfiehlt es sich, eine Obergrenze für den Umfang festzulegen, dessen Einhaltung auch in die Bewertung einfließt.
Die hier vorgenommene Bewertung von Lernportfolios aus Sicht der Lehrenden sollte in weiteren Untersuchungen durch die Sicht der Studierenden ergänzt werden.
Schlussfolgerung: Lernportfolios stellen in medizininformatischen Studiengängen eine sinnvolle Alternative zu konventionellen Prüfungsformen dar, wenn die Einbeziehung individueller berufspraktischer Erfahrungen und Vorkenntnisse, die Überprüfung von Anwendungswissen und die Reflexion des eigenen Lernfortschritts mit den gewünschten Lernergebnissen und spezifischen Charakteristika der Studierendenkohorte korrespondieren.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Quellmelz M, Ruschin S. Kompetenzorientiert prüfen mit Lernportfolios. Journal Hochschuldidaktik. 2013;24(1+2):19-22. DOI: 10.17877/DE290R-7014
- 2.
- Biggs JB, Tang C. Teaching For Quality Learning At University: What the student does. 4th ed. Maidenhead: McGraw-Hill Education; 2011.
- 3.
- Tochel C, Haig A, Hesketh A, Cadzow A, Beggs K, Colthart I, Peacock H. The effectiveness of portfolios for post-graduate assessment and education: BEME Guide No 12. Med Teach. 2009;31(4):299-318.