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67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF)

21.08. - 25.08.2022, online

Nichtparametrische Kontrollkarten in der Mortalitätssurveillance 2020–2021

Meeting Abstract

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  • Iris Zöllner - Universität Hohenheim, Stuttgart, Germany
  • Rainer Brosch - Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Stuttgart, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF). sine loco [digital], 21.-25.08.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAbstr. 121

doi: 10.3205/22gmds101, urn:nbn:de:0183-22gmds1011

Veröffentlicht: 19. August 2022

© 2022 Zöllner et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: In den vergangenen Jahren wurden spezielle nichtparametrische Kontrollkarten für die Infektionssurveillance in Baden-Württemberg entwickelt und eingesetzt [1], [2], [3], da die Verteilungen der Daten zu meldepflichtigen Infektionskrankheiten unterschiedliche saisonale Schwankungen und Abweichungen von Normalverteilungen aufwiesen. In den Jahren 2020 und 2021 war die zeitnahe Surveillance der Mortalität von großem Interesse, um eine zusätzliche Sterblichkeit durch die COVID-19-Pandemie zu erkennen. Für diesen Zweck wurden Kontrollkarten eingesetzt, in denen die monatlichen Todesfallzahlen in Deutschland und Baden-Württemberg im Vergleich zur Spannweite der entsprechenden Fallzahlen in den Jahren 2016–2019 (Referenzzeitraum) vor der Pandemie dargestellt wurden. Hauptziel dieser Auswertung und Visualisierung von Mortalitätsdaten war der direkte Vergleich mit dem Referenzzeitraum und die Einschätzung der Gesamtsterblichkeit in den Jahren 2020 und 2021.

Methodik: Die Grundlage der Analysen bildeten monatliche Sterbefallzahlen in Deutschland und Baden-Württemberg, die in Sonderauswertungen vom Statistischen Bundesamt auf der Basis vorläufiger Meldungen veröffentlicht wurden [4]. Anhand dieser Daten wurden nichtparametrische Kontrollkarten für Deutschland und Baden-Württemberg entwickelt, indem als Referenzbereiche die Spannweiten der monatlichen Todesfallzahlen von 2016-2019 über der Zeitachse von Januar 2020 bis Dezember 2021 abgebildet wurden. Die Darstellung als farbige Fläche ermöglichte die Berücksichtigung von saisonalen Variationen in den Streubereichen, die durch die entsprechenden Spannweiten geschätzt wurden. Die monatlichen Todesfallzahlen von 2020 und 2021 wurden als Zeitreihenlinie dargestellt. Eventuelle Abweichungen gegenüber den Spannweiten in den Jahren vor der Pandemie (Referenzbereichen) waren so schnell erkennbar.

Ergebnisse: Die höchsten Sterbefallzahlen traten in den Jahren 2020 und 2021 sowohl in Deutschland als auch in Baden-Württemberg jeweils im Dezember auf, während Maxima in den Vorjahren im Januar (2017, 2019) oder März (2016, 2018) beobachtet wurden. Die Gesamtsterblichkeit in Deutschland und Baden-Württemberg lag in folgenden Monaten über den Maxima der Vorjahre 2016-2029: im April 2020, von September 2020 bis Januar 2021, von April bis Juni 2021 und von September bis Dezember 2021. Die Mortalitätsverläufe für Deutschland und Baden-Württemberg zeigen eine sehr große Ähnlichkeit.

Insgesamt lag die Zahl der Todesfälle in Deutschland im Jahr 2020 etwa 4,9 Prozent über der im Jahr 2019, und im Jahr 2021 traten etwa 8,7 Prozent mehr Todesfälle auf als im Jahr 2019. In Baden-Württemberg lag die Zahl der Todesfälle im Jahr 2020 etwa 4,0 Prozent höher als 2019. Im Jahr 2021 gab es in Baden-Württemberg insgesamt etwa 6,4 Prozent mehrTodesfälle als im Jahr 2019.

Diskussion: Die graphische Gestaltung der Kontrollkarten ermöglichte die kontinuierliche Surveillance der Mortalität in Baden-Württemberg und Deutschland im Vergleich zu den Vorjahren. Dieses Verfahren ist auch auf andere Bundesländer übertragbar. Die Verwendung der monatlichen Spannweiten zur empirischen Abschätzung der Variabilität unter Verzicht auf Verteilungsannahmen ermöglicht die Anwendung auf nichtnormalverteilte Daten mit wechselnder Varianz und die schnelle Erkennung von Monaten erhöhter Gesamtsterblichkeit. Andere Ansätze zur Erkennung von Exzessmortalität, die auf Normalverteilungs- und weiteren Modellannahmen beruhen, sind mit dem Risiko der Verletzung dieser Annahmen behaftet [5], [6]. Auch die Wahl des Referenzzeitraumes (hier: Jahre vor Pandemie) hat Einfluss auf die Erkennung erhöhter Sterblichkeit.

Schlussfolgerung: Die Verwendung von nichtparametrischen Kontrollkarten in der Mortalitätssurveillance bietet die Möglichkeit zur direkten Erkennung von Zeiträumen mit erhöhter Mortalität durch einfachen visuellen Vergleich mit empirisch geschätzten Referenzbereichen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Zöllner I, Köhler F, Lohr D, Göhring-Zwacka E. Grafische Kontrollkarten für die Surveillance meldepflichtiger Infektionskrankheiten. In: Kongress Medizin und Gesellschaft. Augsburg 07.-21.9.2007. German Medical Science; 2007. Available from: https://www.egms.de/de/meetings/gmds2007/07gmds761.shtml Externer Link
2.
Zöllner I, Köhler F, Lohr D, Langhans C, Aichinger E. Surveillance of infectious diseases in the South of Germany. In: Congress of European Epidemiology; 2015 Jun 25-27; Maastricht, The Netherlands.
3.
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Hrsg. InfektNews. Available from: https://www.gesundheitsamt-bw.de/lga/de/fachinformationen/infodienste-newsletter/infektnews/ Externer Link
4.
Statistisches Bundesamt, Hrsg. Sonderauswertungen: Sterbefälle – Fallzahlen nach Tagen, Wochen, Monaten, Altersgruppen, Geschlecht und Bundesländern für Deutschland 2016-2021. Available from: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/Tabellen/sonderauswertung-sterbefaelle.html?nn=209016 Externer Link
5.
EUROMO, Hrsg. Graphs and maps. Available from: https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps Externer Link
6.
Robert Koch-Institut, Hrsg. Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland - Saison 2018/2019. Berlin: RKI; 2019. p. 46-47. DOI: 10.25646/6232 Externer Link