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67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. (TMF)

21.08. - 25.08.2022, online

Vulnerable Patient*innen im Katastrophenfall – Probleme, Handlungskonzepte & Lösungen am Beispiel Stromausfall

Meeting Abstract

  • Julia S. Volmerg - Medizinische Fakultät der RWTH Aachen, Aachen, Germany
  • Beatrice Coldewey - RWTH Aachen University, Aachen, Germany
  • Stefan Thate - Stadt Oldenburg - Feuerwehr, Oldenburg, Germany
  • Rainer Röhrig - Medizinische Fakultät der RWTH Aachen, Aachen, Germany
  • Myriam Lipprandt - Medical Faculty, RWTH University, Aachen, Aachen, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS), 13. Jahreskongress der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF). sine loco [digital], 21.-25.08.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAbstr. 162

doi: 10.3205/22gmds061, urn:nbn:de:0183-22gmds0612

Veröffentlicht: 19. August 2022

© 2022 Volmerg et al.
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Gliederung

Text

Einführung: Stromausfälle können die Patientensicherheit gefährden. In der außerklinischen Intensivpflege von Patient*innen, die abhängig sind von einem Beatmungsgerät, sind länger andauernde Stromausfälle mit einer hohen Gefahr für die Gesundheit der Patient*innen verbunden. Notfallkonzepte für solche Situationen beinhalten neben den Handlungsoptionen der Pflegekräfte auch eine Hinzunahme von Leitstelle, Rettungswagen und allgemein Kommunikationsinfrastruktur. Diese Alamierungsketten gilt es beim Stromausfallszenario zu identifizieren und geeignete Maßnahmen und technische Unterstützung zu erarbeiten, um eine Patientengefährdung abzuwenden.

Methoden: Mit den Methoden der Prozessanalyse und des Risikomanagements werden in einem ersten Schritt die Bestandteile der Alarmierungs- und Eskalationskette identifiziert und modelliert. In einem weiteren Schritt werden Funktion, Funktionsdauer, Kritikalität im Prozess und zeitlicher Ablauf der Meldekette identifiziert. Hier sind Informationen von Betreibern der Funkmasten, Herstellern von Beatmungsgeräten und allen weiten Protagonisten innerhalb des soziotechnischen Systems notwendig. In einem dritten Schritt werden Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Stromausfall gegeben.

Ergebnisse:

Schritt 1 – Identifikation der Systeme: Beatmungsgerät, Telefon (Voice over IP (VoIP)), ggf. Hausnotruf, Router, Smartphone, Kommunikationsinfrastruktur (Handymasten), Notstromaggregat

Schritt 2 – Funktionsdauer: Telefon funktioniert sofort nicht mehr, ebenso die Hausnotruf-Box, trotz interner Batterie für 24-72 Stunden, da über VoIP verbunden. Die durchschnittliche Laufzeit von Beatmungsgeräten, wenn nur der interne Akku vorhanden ist, beträgt ca. 6 Stunden 48 Minuten [1], [2], [3], [4], [5]. Da auch die Funknetze für das Handy überlastet sind, dauert es lange, bis die Leitstelle erreicht ist. Sowohl Funkmasten des Mobilfunknetzes als auch die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) Funkmasten haben einen Backup-Akku von ca. 2 Stunden [6]. Ausnahme sind Knotenpunkte, die noch ein Notstromaggregat angeschlossen haben können. Dieses Netz aus Knotenpunkten soll nach Empfehlung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ausgebaut werden. Im Rahmen einer Übung des BBK 2015 wurde jedoch festgestellt, dass die Empfehlungen zur Ausweitung dieses Netzes nur teilweise umgesetzt wurden [7]. Ab einem Zeitpunkt wird es zu einer Überlastung des Rettungswesens kommen [8], wodurch eine Evakuierung vulnerabler Gruppen erschwert wird. Weiterhin kommt es zu einer Unwissenheit, denn ab dem Ausfall der Kommunikation kann der Leitstelle nicht mehr mitgeteilt werden, dass ein heimbeatmeter Patient in dieser Wohnung ist.

Schritt 3 – Handlungsempfehlungen:

  • Kommunikation nach außen: Hinterlegen von Alarmnachrichten (Datensatz Stromausfall) mit Dauer des Akkus für Beatmungsgerät, Gerätetyp, Adresse, Name, Erkrankung und Eigenatmung des Patienten, Rückkanal auf Smartphone der Pflegekraft.
  • Kommunikation nach innen: Information über Verfügbarkeit und Dauer von Kommunikationskanälen, Handlungsempfehlung für Kommunikation nach außen anhand der verbleibenden Zeit. Umgang mit Alarmmeldungen des Akkus vom Beatmungsgerät, Notstromaggregat bedienen, Vorbereitung für den Ausfall des Beatmungsgeräts durch manuelle Beatmung, falls eine externe Hilfe nicht möglich ist.
  • Schulung: Einübung vom Notfallszenario „Stromausfall“. Lernen der zeitlichen Abhängigkeiten für Kommunikationsinfrastruktur. Umgang mit Alarmen des Beatmungsgeräts und Übergang zur Maskenbeatmung.

Diskussion: Es sollten regionale Strukturen wie die Kommunikation zwischen vulnerablen Patient*innen und Leitstelle etabliert und verbessert werden. Weiterhin müsste eine Lösung innerhalb der ersten zwei Stunden angeboten werden, in denen Funkmasten noch eine sichere Kommunikation zwischen Patient*innen und Leitstelle ermöglichen. Hierzu sollten beispielsweise Stammdaten und Daten des Beatmungsgerätes vorgehalten werden. Weiterhin wäre eine Aufnahme solcher Patient*innengruppen in Katastrophenpläne eine Möglichkeit, frühzeitig organisatorische Maßnahmen zu ergreifen.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Hoffrichter GmbH. CARAT II pro / Beatmungsgerät: Gebrauchsanleitung für Ärzte und medizinisches Fachpersonal gültig ab Gerätesoftware 1.101. Schwerin; 06/2015.
2.
Löwenstein medical Technology GmbH + Co. KG. LUISA Beatmungsgeräte: Gebrauchsanweisung für Patienten für Geräte des Typs LMT150TD. Hamburg; 06/2021.
3.
Philips Respironics Inc. Trilogy Evo: Benutzerhandbuch. Herrsching; 03/2019.
4.
ResMed Paris SAS. Astral Serie: Gebrauchsanweisung. San Diego CA; 2014.
5.
Weinmann Geräte für Medizin GmbH + Co. KG. VENTIlogic LS, VENTIlogic plus: Beatmungsgerät Gebrauchsanweisung für Geräte ab Seriennummer 20.000. Hamburg; 11/2015.
6.
Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Netzhärtung. 2022 [Accessed 2022 Apr 13]. Available from: https://www.bdbos.bund.de/DE/Fachthemen/netzhaertung/netzhaertung_inhalt.html Externer Link
7.
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Erfahrungsbericht LÜKEX 15: Sturmflut an der deutschen Nordseeküste. Bonn; 2016.
8.
Klöpper M. Überregionaler Stromausfall: Die Folgen für den Rettungsdienst. 2019 [Accessed 2022 Apr 13]. Available from: https://www.rettungsdienst.de/tipps-wissen/ueberregionaler-stromausfall-die-folgen-fuer-den-rettungsdienst-46482 Externer Link