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Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und der Lockdown-Maßnahmen auf die körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen: ein systematisches Review
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Veröffentlicht: | 24. September 2021 |
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Einleitung: Die Bedeutung körperlicher Aktivität für die gesundheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, wie die physische Fitness, die kardiometabolische Gesundheit, kognitive Outcomes und psychische Gesundheit, ist unbestritten [1]. Die aus der gegenwärtigen Corona-Pandemie resultierenden Lockdowns bedeuten für sie einen Zustand der Isolation mit stark eingeschränkter Bewegungsmöglichkeit. Die negativen Auswirkungen von unzureichender körperlicher Aktivität lassen vermuten, dass die Lockdown-Maßnahmen die gesundheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ungünstig beeinflussen.
Das hier vorgestellte systematische Review gibt eine Übersicht über die aktuelle Studienlage zur Veränderung der körperlichen Aktivität von Kindern und Jugendlichen im Lockdown.
Methodik: Die Durchführung des systematischen Reviews folgt den Methoden des Cochrane Handbooks of Systematic Reviews [2] sowie den PRISMA-Richtlinien [3]. Die Literaturrecherche (zuletzt am 28.04.21; Datenbanken: „Medline“, „PsycArticles“, „Web of Science“, „EBSCOhost Research Datenbank“) berücksichtigt deutsch- oder englischsprachige Publikationen von Januar 2020 bis April 2021. Eingeschlossen wurden Studien mit einer Studienpopulation mit Teilnehmern bis 18 Jahre, die Original-Daten berichteten, und eine ausreichende Studienqualität (gemessen mittels “Study Quality Assessment Tool” [4]) aufwiesen.
Ergebnisse: Die 21 identifizierten Studien umfassten zwischen 41 und 6.491 Teilnehmer im Alter von 3 bis 18 Jahren; das Durchschnittsalter reichte von 4,3 (± 0,8) bis 16,5 (± 2,1) Jahre. Elf Studien wurden in Westeuropa durchgeführt, hierunter eine Studie aus Deutschland [5]. Sieben prospektive Kohortenstudien erfassten die körperliche Aktivität sowohl vor der Corona-Pandemie als auch während bzw. direkt nach den Lockdowns, während die übrigen Studien im Querschnittdesign die körperliche Aktivität vor Ausbruch der Pandemie retrospektiv erhoben.
Die körperliche Aktivität wurde mittels verschiedener Fragebögen (u.a. IPAQ in Lang- oder Kurzform, YAP, MoMo PAQ, PACE+-Assessment) erfasst. Fünf Studien erhoben Bewegungsdaten über Smartphone-Sensoren oder Fitnessarmbänder, zwei prospektive Kohortenstudien führten Prä-Corona einen Fitnesstest durch.
Alle Studien berichten eine Verringerung der körperlichen Aktivität während der Lockdowns. Mehrere Studien berichten von signifikant geringerer Bewegung bei Mädchen im Vergleich zu Jungen und / oder bei Jugendlichen im Vergleich zu Kindern.
Drei Studien zeigen für Jugendliche mit gutem Fitnesszustand vor dem Lockdown auch im Lockdown ein höheres Maß an körperlicher Aktivität, während insbesondere die körperliche Aktivität bei wenig aktiven und übergewichtigen Kindern und Jugendlichen im Lockdown abnahm.
Neben den Veränderungen in der körperlichen Aktivität berichten 16 Studien einen signifikanten Anstieg sitzenden Verhaltens, neun Studien zeigen signifikante Veränderungen der Schlafdauer- oder Qualität auf, sechs Studien stellen ungünstige Veränderungen des Ernährungsverhaltens im Zusammenhang mit Lockdown-Maßnahmen fest und fünf Studien untersuchten psychologische Faktoren und berichten eine Zunahme von gefühlter Einsamkeit, Verhaltensauffälligkeiten oder einer Abnahme der Zufriedenheit.
Diskussion: Alle Studien zeigten unabhängig von Studiendesign und gewählten Erhebungsinstrumenten eine signifikante Abnahme der körperlichen Aktivität bei gleichzeitiger Zunahme des sitzenden Verhaltens über alle Geschlechter und Altersgruppen hinweg. Kinder und Jugendliche ernährten sich zudem ungesünder, wiesen in einzelnen Studien eine reduzierte Schlafeffizienz bei gesteigerter Schlafdauer auf und hatten zunehmend Verhaltensprobleme.
Schlussfolgerung: Die Lockdown-Maßnahmen zeigen erwartungsgemäß erhebliche Auswirkungen auf die körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen und mittel- oder langfristige negative Auswirkungen auf ihre gesundheitliche Entwicklung sind zu befürchten. Ein zusätzliches und intensiviertes Förderangebot, insbesondere für vulnerable Gruppen, könnte helfen, diese negativen Auswirkungen zu kompensieren.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Carson V, Lee EY, Hewitt L, Jennings C, Hunter S, Kuzik N, et al. Systematic review of the relationships between physical activity and health indicators in the early years (0-4 years). BMC Public Health. 2017;17:854. DOI: 10.1186/s12889-017-4860-0
- 2.
- Higgins JPT, Thomas J, Chandler J, Cumpston M, Li T, Page MJ, Welch VA, editors. Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions. Version 6.2 (updated February 2021). Cochrane; 2021. Available from: https://training.cochrane.org/handbook
- 3.
- Moher D, Shamseer L, Clarke M, Ghersi D, Liberati A, Petticrew M, et al. Preferred reporting items for systematic review and meta-analysis protocols (PRISMA-P) 2015 statement. Syst Rev. 2015;4:1. DOI: 10.1186/2046-4053-4-1
- 4.
- National Heart, Lung, and Blood Institute. Study Quality Assessment Tools. Available from: https://www.nhlbi.nih.gov/health-topics/study-quality-assessment-tools
- 5.
- Schmidt SCE, Anedda B, Burchartz A, Eichsteller A, Kolb S, Nigg C, et al. Physical activity and screen time of children and adolescents before and during the COVID-19 lockdown in Germany: a natural experiment. Scientific Reports. 2020;10:1–12. DOI: 10.1038/s41598-020-78438-4