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Intersektorales Telemedizinnetzwerk im ländlichen Raum: Modellprojekt MeDiLand
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Veröffentlicht: | 24. September 2021 |
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Einleitung: Die ländliche Gesundheitsversorgung wird aufgrund der Demografie und des Ärztemangels zunehmend zur Herausforderung (vgl. [1], S. 6.). Telemedizin stellt eine Lösungsstrategie zur Minimierung von Belastungen für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter dar (vgl. [2] hier: S. 2, [3]).
Methodik: In der Pilotregion „Digitales Dorf Südbayern“ wurde von Juli 2018 bis Oktober 2020 der Aufbau eines intersektoralen, patientenzentrierten Telemedizinnetzwerks aus Hausärzten, Pflegeheimen, Pflegediensten, Kliniken und einer Bergschutzhütte erprobt. Dabei wurde audiovisuelle Kommunikation (MeyDoc®) samt Vitaldatenübertragung (DynaVision®) zwischen Ärzten und nicht-ärztlichen Fachkräften bzw. Patienten sowie eine kommerzielle elektronische Gesundheitsakte (Vitabook®) als Informationsbasis eingesetzt.
Ziel war es, zu erforschen, inwieweit telemedizinische Verfahren die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum unterstützen können. Die Implementierung der sieben Use Cases erfolgte stufenweise unter wissenschaftlicher Begleitung. Abschließend fand eine Mixed-Methods-Evaluation mittels Fragebögen sowie qualitativen Leitfadeninterviews statt.
Ergebnisse: Anwendungsfälle wurden in der telemedizinischen Vernetzung von Hausärzten mit deren VERAHs® (N = 170) und in der Vernetzung von Fachklinik und Intensivpflegedienst (N=15) generiert. Die Hausärzte setzten die audiovisuelle Kommunikation, inklusive verschlüsseltem Bild- und Textversand, in 38% aller Fälle für die Wundversorgung und zu 26% für das Medikamentenmanagement ein. In der Intensivpflege wurden audiovisuelle Klinikvisiten geführt und Vitaldaten ausgetauscht, um Beatmungsparameter einzustellen und Klinikeinweisungen zu vermeiden. Die Vitaldatenübertragung fand zudem Anwendung (N=4) in der Vernetzung von Regelklinik und Bergschutzhütte, um bei einem Bergunfall die Ersthilfe zu unterstützen. Entsprechende Testversuche mit medizinischem und nicht-medizinischen Personal waren erfolgreich, jedoch gab es im Projektzeitraum keine Notfälle, wo eine Verwendung indiziert gewesen wäre. Im Hinblick auf COVID-19 konnten die Pflegeeinrichtungen Hausärzte im Rahmen einer Digitalsprechstunde (N=3) und eine Regelklinik für Unterstützung im Wundmanagement (N=6) digital konsultieren. Zudem wurden Videosprechstunden für Patienten (N=30) durch die Hausärzte angeboten, um Infektionen zu reduzieren. Die elektronische Gesundheitsakte unterstützte die Informationsbasis (N=10).
Die qualitative Evaluation zeigt, dass die eingesetzten Telemedizinanwendungen als nutzbringend eingeschätzt und von allen Leistungserbringern akzeptiert wurden. Die audiovisuelle Kommunikation reduzierte nicht-indizierte Klinikeinweisungen nachweislich (N=2), vermied zeitaufwendige fernmündliche Absprachen und diente dem Infektionsschutz. Insbesondere während der Coronapandemie zeigten sich digitale Wundvisiten und Digitalsprechstunden als besonders sinnvolle Anwendungsfelder. Die kommerzielle elektronische Gesundheitsakte (eGA) konnte sich ungeachtet intensiver Akquise bei keiner breiten Basis durchsetzen. Die Patienten sahen keine Vorteile und monierten den Datenschutz, sodass der hohe Überzeugungsaufwand im Versorgungsalltag nicht realisierbar war.
Die Akzeptanz und der Erfolg von Telemedizinanwendungen sind von Faktoren, wie der Sensibilisierung, Schulung sowie der Anpassung von Prozessen und Strukturen, abhängig. Es benötigt eine verbindliche Organisation der intersektoralen Zusammenarbeit. Herausforderung ist die unzureichende Refinanzierung von Telemedizinanwendungen und die ausbaufähige Mobilfunkabdeckung im Projektgebiet. Im Use Case der Hausärzte konnten 26% aller Verbindungen (N=170) wegen Letzterer nicht vollständig geführt werden.
Diskussion: Audiovisuelle Telemedizinanwendungen können bei der Beatmungstherapie und im Bereich Wundmanagement adäquate Ergebnisse erzielen (vgl. [4], hier: S. 348). Ferner ist eine hohe Akzeptanz von Telemedizinanwendungen gegeben, sofern ein umfassendes Change Management erfolgt (vgl.[5], hier: S. 791). MeDiLand erweitert den aktuellen Forschungsstand, insbesondere im ländlichen Raum und ist auch auf diesen limitiert. Das Empowerment des nicht-ärztlichen Personals durch Telemedizin sollte mit größeren Grundgesamtheiten erforscht werden.
Schlussfolgerungen: Ein sektorenübergreifender Telemedizineinsatz kann mehrdimensional bei Patienten und Leistungserbringern zur Verbesserung der ländlichen Gesundheitsversorgung beitragen. Bestimmte Bedingungen, wie der Ausbau des Mobilfunknetzes und Sensibilisierung sind unablässig für den Einsatz in der Regelversorgung.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.
Literatur
- 1.
- Bayerisches Landesamt für Statistik. Landkreis Freyung-Grafenau: Eine Auswahl wichtiger statistischer Daten. 2019 [Stand: 18.11.2019]. Verfügbar unter: https://www.statistik.bayern.de/mam/produkte/statistik_kommunal/2018/09272.pdf
- 2.
- Schwab T. Pilotprojekt Telearzt [Gesundheitstelematik]. KVB Forum. 2020;(3):28–9. Verfügbar unter: https://www.kvb.de/fileadmin/kvb/dokumente/Presse/Publikation/KVB-FORUM/FORUM-2020-03/KVB-FORUM-3-2020.pdf
- 3.
- Paulsen N, Schenk A, Hesse A. Deutschlands Patienten fordern mehr digitale Gesundheitsangebote. 2020 [Stand: 18.11.2020]. Verfügbar unter: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Deutschlands-Patienten-fordern-mehr-digitale-Gesundheitsangebote
- 4.
- Eber EL, Arzberger E, Michor C, Hofmann-Wellenhof R, Salmhofer W. Mobile Teledermatologie in der Behandlung chronischer Ulzera. Hautarzt. 2019;70(5):346–53. DOI: 10.1007/s00105-019-4397-5 .
- 5.
- van den Berg N, Meinke C, Hoffmann W. Möglichkeiten und Grenzen der Telemedizin in der Flächenversorgung. Ophthalmologe. 2009;106(9):788–94. DOI: 10.1007/s00347-009-1961-x