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65th Annual Meeting of the German Association for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology (GMDS), Meeting of the Central European Network (CEN: German Region, Austro-Swiss Region and Polish Region) of the International Biometric Society (IBS)

06.09. - 09.09.2020, Berlin (online conference)

Koronare Herzerkrankung in Europa 2000-2013: Spiegeln sinkende Mortalitätsraten Veränderungen in der Morbidität?

Meeting Abstract

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  • Susanne Stolpe - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany
  • Bernd Kowall - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany
  • Andreas Stang - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Germany; School of Public Health, Department of Epidemiology, Boston University, Boston, United States

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 65th Annual Meeting of the German Association for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology (GMDS), Meeting of the Central European Network (CEN: German Region, Austro-Swiss Region and Polish Region) of the International Biometric Society (IBS). Berlin, 06.-09.09.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAbstr. 298

doi: 10.3205/20gmds230, urn:nbn:de:0183-20gmds2301

Veröffentlicht: 26. Februar 2021

© 2021 Stolpe et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Mortalitätsraten für koronare Herzerkrankungen (ICD10: I20-I25, KHK) gehen seit Jahrzehnten weltweit zurück, “the success story of the last 4 decades of the 20th century” [1]. In zahlreichen Analysen wurden zum einen Prävention durch Kontrolle der Risikofaktoren wie Rauchen oder Bluthochdruck, zum anderen bessere Diagnostik sowie Fortschritte in der Behandlung gleichrangig als Gründe für den Rückgang der Mortalität an KHK genannt [2], [3], [4]. Trotz des allgemeinen Rückgangs unterscheiden sich KHK-Mortalitätsraten in den europäischen Ländern deutlich [5], [6]. Nationale Besonderheiten bei der Feststellung der zugrundeliegenden Todesursache könnten dabei einen Einfluss auf die KHK-Mortalitätsraten haben [7], [8]. Dies wurde bisher in den vergleichenden internationalen Analysen der KHK-Mortalität nicht berücksichtigt.

Methoden: Mit Daten der WHO ‚Detailed European Mortality Database’ wurden die Todesursachen der Jahre 2000 und 2013 von 25 Ländern der europäischen Region der WHO für die Bevölkerung ≥35 Jahre untersucht. Dazu wurden die altersstandardisierten Mortalitätsraten für folgende ausgewählte Todesursachen geladen: kardiovaskuläre Erkrankungen (I00-I99), KHK, Vorhofflimmern/-flattern, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Krebserkrankungen, Demenz sowie nicht-informative Todesursachen [8]. Als nicht-informative Todesursachen wurden essentielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, Atherosclerose, Herzstillstand und ICD-10 R00-99 codierte Todesursachen berücksichtigt. Die Anteile dieser Todesursachen an der Gesamtmortalität sowie die Anteile einzelner kardiovaskulärer Todesursachen an der kardiovaskulären Mortalität wurden berechnet. Mit linearer Regression wurde der Zusammenhang zwischen der KHK-Mortalitätsrate und a) dem Anteil von KHK an der Gesamtmortalität sowie b) dem Anteil nicht-informativer Todesursachen an der Gesamtmortalität beschrieben.

Ergebnisse: Die KHK-Mortalitätsraten gingen von 2000 bis 2013 in Europa zwischen 10% (Litauen, Tschechien) und 80% (Georgien) zurück. In den westeuropäischen Ländern verringerten sich die Mortalitätsraten zwischen 40% und 60%. Unterschiede in der Höhe der KHK-Mortalität waren jedoch beachtlich: Im Vergleich zu Frankreich mit der niedrigsten Mortalitätsrate von 53/100,000 betrug 2013 die KHK-Mortalität in Deutschland und Polen 149/100,000, in Finnland 197/100,000 und in Litauen 557/100,000. Der Vergleich der Todesursachen-Struktur ergab länderspezifisch verschieden große Anteile u.a. von kardiovaskulären Todesfällen -insbesondere KHK-, von Demenz und von nicht-informativen Todesursachen an allen Todesursachen. So war 2013 der Anteil von KHK an der Gesamtmortalität in Frankreich mit 6% am niedrigsten, mit 37% in Litauen am höchsten. Nicht-informative Todesursachen hatten einen Anteil von <4% in Litauen oder Finnland, 10% in Deutschland, 15% in Frankreich und 27% in Polen – mit jeweils unterschiedlichen Trends seit 2000. Demenz wurde in 15% aller Todesfällen in Finnland als zugrundeliegende Todesursache festgestellt, in Deutschland in 4% und in osteuropäischen Ländern in weniger als 1% aller Todesfälle. Die erklärte Varianz für den linearen Zusammenhang zwischen nationalen KHK-Mortalitätsraten und dem jeweiligen Anteil von KHK an der Gesamtmortalität betrug für 2000 R²=0,86, für 2013 sogar R²=0,92.

Zusammenfassung: Die Mortalitätsraten für KHK werden durch die Mortalitätsraten für konkurrierenden Erkrankungen beeinflusst. Die Anteile konkurrierender Todesursachen an der Gesamtmortalität verändern sich landesspezifisch über die Zeit. Nationale Besonderheiten bei der Feststellung der Todesursachen, wie z.B. die Häufigkeit der Verwendung nicht-informativer Todesursachen oder die Priorisierung von Demenz als Todesursache müssen daher bei internationalen Vergleichen der KHK-Mortalität berücksichtigt werden. Die Krankheitslast einer Bevölkerung in Bezug auf KHK und die Leistungsfähigkeit von Gesundheitssystemen bei Prävention, Diagnostik und Therapie kann daher nur unvollständig über die KHK-Mortalitätsraten abgeschätzt werden.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

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Ford ES, Capewell S. Proportion of the Deline in Cardiovascular Disease Mortality due to Prevention Versus Treatment: Public Health Versus Clinical Care. Annu Rev Public Health. 2011;32:5-22.
5.
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9.
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