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65th Annual Meeting of the German Association for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology (GMDS), Meeting of the Central European Network (CEN: German Region, Austro-Swiss Region and Polish Region) of the International Biometric Society (IBS)

06.09. - 09.09.2020, Berlin (online conference)

Zwei Strategien der Bluttransfusion bei herzchirurgischen Eingriffen im Vergleich – eine systematische Analyse der Patientensicherheit

Meeting Abstract

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  • Amelie Polutta - Bergische Universität Wuppertal, Essen, Germany
  • Helmut Brunner - Universität Köln, Wuppertal, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 65th Annual Meeting of the German Association for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology (GMDS), Meeting of the Central European Network (CEN: German Region, Austro-Swiss Region and Polish Region) of the International Biometric Society (IBS). Berlin, 06.-09.09.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAbstr. 186

doi: 10.3205/20gmds214, urn:nbn:de:0183-20gmds2147

Veröffentlicht: 26. Februar 2021

© 2021 Polutta et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Bis vor einigen Jahren ging die Medizin davon aus, dass die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten für den empfangenden Patienten fast ausschließlich positive Auswirkungen habe. Unbestritten bleibt diese Annahme in Fällen, bei denen diese Art der Therapie die einzig lebensrettende Maßnahme darstellt. Doch für andere Anwendungsbereiche wurde diese Annahme in den letzten Jahren durch Studien widerlegt [1], [2], [3], [4], [5]. Daher wurden vergleichende operationsübergreifende Studien durchgeführt, die die Wirkung restriktiver und liberaler Transfusionstrigger bei Erwachsenen untersuchten. Die Ergebnisse zeigten, dass zwischen den Strategien kein relevanter Unterschied bezüglich Mortalität und Morbidität bestand [6]. Um spezielle Handlungsempfehlungen abzuleiten, lag der Fokus dieser Arbeit auf dem Einsatz von Bluttransfusionen bei herzchirurgischen Eingriffen, da bei diesen Operationen in circa 50 % der Fälle Blut transfundiert wird [7]. Oberstes Ziel der medizinischen Versorgung ist die Gesundheit und Sicherheit jedes Patienten. Daher wurde in diesem Scoping-Review eine restriktive mit einer liberalen Bluttransfusionsstrategie im Hinblick auf die Outcomes Mortalität und schwere Morbidität verglichen.

Methoden: Zur Auswahl geeigneter Studien wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Für die Suche wurden im Vorfeld definierte Keywords genutzt, die spätere Auswahl erfolgte anhand von festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien. Innerhalb der ausgewählten Literatur werden für die Strategien „restriktiv” und „liberal” verschiedene Schwellenwerte angegeben. In diesem Review wurde entweder ein Hämatokrit von 24 % oder eine Hämoglobinkonzentration zwischen 7 g/dl und 9 g/dl als restriktiver Transfusionstrigger angesetzt. Schwellenwerte oberhalb dieser Grenzen wurden als liberale Trigger definiert. Die Qualität von vier ausgewählten Studien wurde mit Hilfe des CONSORT Statements von vier unabhängigen Gutachtern bewertet. Die Gutachterübereinstimmungen wurden mit dem Fleiss-Kappa berechnet.

Ergebnisse: In den systematischen Review wurden eine Meta-Analyse, eine Follow-up-Studie, zwei Subgruppenanalysen und zwei randomisierte, kontrollierte Studien eingeschlossen [8], [9], [10], [11], [12], [13]. Die Patienten der einzelnen Studien waren unterschiedlichen Risikogruppen zuzuordnen, auch die Altersstruktur der Patientenpopulation der ausgewählten Studien unterschied sich. Somit ist das Ergebnis des Reviews weder auf das Alter noch auf bestimmte Risikogruppen beschränkt. Fünf der sechs ausgewählten Artikel kamen zu dem Ergebnis, dass eine restriktive Bluttransfusionsstrategie einer liberalen Strategie bezüglich der Patientensicherheit nicht unterlegen ist. Das bedeutet, dass die Anwendung einer „beschränkenden” Strategie für den Patienten keinerlei negative Auswirkungen hat. Somit wird deutlich, dass restriktive Transfusionstrigger den liberalen Triggern vorgezogen werden sollten, um vermeidbare Nebenwirkungen zu reduzieren. Die randomisierten Studien belegen außerdem, dass durch restriktive Strategien die verabreichte Menge an Blut reduziert und somit die Kosten der Behandlung gesenkt werden können.

Diskussion: Die Erkenntnis, dass eine restriktive Strategie bei der Übertragung von Blut bei herzchirurgischen Eingriffen für eine große Zahl der Patienten sicher ist, sollte zu einem Umdenken in deutschen Krankenhäusern führen. Die Ergebnisse verdeutlichen nicht nur die Gewährleistung der Sicherheit der Maßnahme für den Patienten, sie regen auch zu weiteren Überlegungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Nachhaltigkeit an. Der ökonomische Druck auf das Gesundheitssystem nimmt stetig zu. Für die Krankenhäuser würde der abnehmende Bedarf an Erythrozytenkonzentraten eine Verringerung der Kosten bedeuten. Nur zwei bis drei Prozent der deutschen Bevölkerung spenden Blut [14]. Gleichzeitig wird der Bedarf aufgrund des demografischen Wandels weiter steigen. Die Ergebnisse dieses Reviews könnten daher nicht nur von medizinischer, sondern auch von ökonomischer Relevanz sein.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

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2.
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14.
Nur zwei bis drei Prozent der Menschen in Deutschland spenden Blut. Deutsches Ärzteblatt. 2018.