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65th Annual Meeting of the German Association for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology (GMDS), Meeting of the Central European Network (CEN: German Region, Austro-Swiss Region and Polish Region) of the International Biometric Society (IBS)

06.09. - 09.09.2020, Berlin (online conference)

Kohortenmodelle zur Wirkungsanalyse von Reformen in der ambulanten Versorgung am Beispiel der Psychotherapie-Richtlinie

Meeting Abstract

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  • Doreen Müller - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Berlin, Germany
  • Hendrik Dräther - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Berlin, Germany
  • Hanna Tillmanns - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Berlin, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 65th Annual Meeting of the German Association for Medical Informatics, Biometry and Epidemiology (GMDS), Meeting of the Central European Network (CEN: German Region, Austro-Swiss Region and Polish Region) of the International Biometric Society (IBS). Berlin, 06.-09.09.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAbstr. 399

doi: 10.3205/20gmds211, urn:nbn:de:0183-20gmds2111

Veröffentlicht: 26. Februar 2021

© 2021 Müller et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Im ambulanten vertragsärztlichen Geschehen finden regelmäßig Reformen statt, die unmittelbar Einfluss auf die Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung nehmen (sollen). Mit der Reform der Richtlinie zur ambulanten Psychotherapie (GBA 2016 u. BA 2016) wurde u. a. das Ziel verfolgt, Versicherten einen niederschwelligeren Zugang zur ambulanten Psychotherapie zu eröffnen und den Kreis an Versicherten zu vergrößern, die im Sinne der ambulanten Richtlinien-Psychotherapie ambulant versorgt werden. Eine zentrale Größe zur Messung der Wirkungen von Reformen stellen Userraten (Anteil der Personen, für die ein Merkmal zutrifft, im Verhältnis zur Grundgesamtheit) dar.

Userraten ändern sich im Zeitverlauf auch unabhängig von Reformmaßnahmen und u. a. deswegen, weil Größe und Struktur der zu untersuchenden Versichertenpopulation sowie der Gruppe an Leistungserbringern einem stetigen Wandel unterliegen, die mit Alters- und Geschlechtsadjustierungen nicht ausreichend kontrolliert werden können. In der vorliegenden Untersuchung werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Kohortenmodelle aufgezeigt sowie die jeweilige Aussagekraft diskutiert.

Methoden: Die Kohortenmodelle wurden auf Basis von Versichertenstammdaten sowie den kassenärztlichen Abrechnungsdaten der AOK der Jahre 2015 bis 2018 aufgebaut und zur Messung von Userraten und zur Ermittlung von Neupatientenanteilen entwickelt.

Es wurden unterschiedliche Quartals-, Ein- und Drei-Jahres-Querschnittskohorten gebildet, in denen Versicherte jeweils ein Quartal (mit insg. 12 Kohorten), ein Jahr (zwei Kohorten) oder bis zu drei Jahren (jeweils eine Kohorte) versichert gewesen sein mussten. Im Drei-Jahres-Kohorten-Modell gingen zudem nur solche Leistungserbringer ein, die AOK-Versicherte sowohl in 2016 als auch in 2018 psychotherapeutisch versorgt hatten.

Für den Neupatientenanteil wurden längsschnittliche Kohortenmodelle gewählt. In das Jahres-Längsschnitt-Modell wurden Versicherte eingeschlossen, die jeweils zwei Jahre lang durchgehend versichert waren. Für den „Quartals-Längsschnitt” wurden zwölf Kohorten gebildet, die im Indikationsquartal sowie in den vier Vorquartalen durchgehend versichert waren.

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Ergebnisse: In Bezug auf die Userrate unterscheiden sich deren Veränderungsraten in der Jahres- und der Quartals-Perspektive leicht (Jahres-Querschnitt: +29%, Quartals-Querschnitt: +25%). Im Drei-Jahres-Querschnitts-Kohortenmodell wird ein Userraten-Anstieg von ca. 19% ermittelt.

In den längsschnittlichen Quartals- und Jahres-Kohortenmodellen wird gemessen, dass zunehmend mehr Neupatienten, aber auch mehr Bestandspatienten versorgt werden. Das Verhältnis von Neu- zu Bestandspatienten bleibt in beiden Modellen weitgehend konstant.

Zusammenfassung: Die Querschnitts-Kohorten-Modelle zeigen vergleichbare Anstiege bei den Userraten und erlauben damit inhaltlich ähnliche Aussagen. In den Längsschnitt-Kohorten-Modellen steigen die Userraten für Neupatienten wie auch Bestandspatienten. Das Verhältnis von Neu- zu Bestandspatienten fällt in der Jahresperspektive wesentlich höher als in der Quartalsperspektive.

In dem Drei-Jahres-Querschnittsmodell sind deutlichere (isolierte) Rückschlüsse auf die Wirkungen der Richtlinien-Psychotherapie-Reform möglich, schließen dafür wesentliche Aspekte der Versorgungsrealität aus.

Für Trendaussagen spielt es also möglicherweise eine geringe Rolle, welches Kohortenmodell angewandt wird. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Userraten in den Quartalsmodellen logischerweise niedriger ausfallen als in den Jahresmodellen. Infolge dessen sind die jeweiligen Veränderungsraten auch unterschiedlich zu interpretieren. Gleichzeitig ist kaum festlegbar, welches Modell die Versorgungsrealität am angemessensten widerspiegelt. So findet in Quartals-Modellen die Fluktuation der Versichertenpopulation (sowie der Leistungserbringer) bessere Berücksichtigung, während Jahresmodelle Aussagen auch über Jahreszeitschwankungen hinweg ermöglichen.

Die hier aufgezeigten Kohortenmodelle sind nicht erschöpfend und weitere (externe) Einflussfaktoren wären zu berücksichtigen, um Veränderungen bei den Userraten im Zeitverlauf auf Reformmaßnahmen einerseits und andere Einflussfaktoren andererseits zurückführen zu können.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.