Artikel
Betrieb einer Vertrauensstelle als Dienstleistung für die medizinische Forschung an der Universitätsmedizin Essen
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 26. Februar 2021 |
---|
Gliederung
Text
Hintergrund: Zur Messung und Bewertung medizinischer Versorgungsqualität benötigt man verlässliche Daten, die eine umfängliche Betrachtung von Krankheitsverläufen über längere Zeiträume hinweg und unter Berücksichtigung der verschiedenen Leistungserbringer – Sektorengrenzen überschreitend – ermöglichen.
Hierzu bietet sich die Analyse routinemäßig anfallender Sozialdaten der gesetzlichen Krankenversicherungen und Kassenärztlichen Vereinigungen – bei Bedarf ergänzt um klinische Daten einzelner Versorgungseinrichtungen – an. Diese Routinedaten stellen eine wichtige Quelle für die Analyse der Versorgungsqualität, die Gesundheitsberichterstattung und die medizinische Forschung (z.B. Gesundheitsökonomie) dar.
Die Übermittlung der zu den Sozialdaten zählenden Routinedaten ist nach §75(1) SGB X für Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung im Sozialleistungsbereich zulässig. Da die übermittelten Daten aus unterschiedlichen Zeitpunkten bzw. von unterschiedlichen Datenquellen stammen können, ist eine Anonymisierung von Seiten der Datenlieferanten nicht durchführbar. Trotzdem muss der Schutz der personenbezogenen Daten jederzeit gewährleistet und insbesondere die Identifizierung einzelner Versicherter verhindert werden. Um diese Aufgabe entsprechend den Empfehlungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) datenschutzgerecht zu erfüllen, wurde am Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie der Universitätsmedizin Essen eine Vertrauensstelle als Datentreuhänder etabliert.
Methoden: Die Vertrauensstelle bildet die einzige Schnittstelle zwischen den Datenlieferanten und der Auswertungsstelle. Die autorisierten Datenlieferanten (z.B. Krankenkassen) übermitteln der Vertrauensstelle die benötigten personenbezogenen Forschungsdaten zusammen mit Lieferpseudonymen. Anschließend werden die Daten aufbereitet und zusammengeführt sowie die Lieferpseudonyme durch neue Vertrauensstellenpseudonyme ersetzt, die zwar die Zusammengehörigkeit von Daten zu einem bestimmten Versicherten erkennen lassen, aber keinen Rückschluss auf die Identität eines einzelnen Versicherten oder den Datenlieferanten erlauben. Dabei werden dem jeweiligen Stand der Technik und Wissenschaft entsprechende standardisierte, deterministische Pseudonymisierungsverfahren und sichere Übertragungswege eingesetzt. Ausschließlich der Vertrauensstelle sind sowohl die Lieferpseudonyme als auch die Vertrauensstellenpseudonyme bekannt.
Die zusammengeführten Daten werden verknüpft mit den Vertrauensstellenpseudonymen an die Auswertungsstelle zur weiteren Verarbeitung weitergeleitet. Nach Beendigung der Auswertung werden alle Daten, die Lieferpseudonyme und die Vertrauensstellenpseudonyme bei der Vertrauensstelle gelöscht. Die Vertrauensstelle ist datenschutzgerecht räumlich und personell von der Auswertungsstelle getrennt.
Optional überprüft die Vertrauensstelle die Datenqualität der Datenlieferungen und meldet festgestellte Defizite an die Datenlieferanten zurück, sodass bei Wiederholung der Datenlieferung korrigierte Daten übermittelt werden können.
Ergebnisse: Die am Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie der Universitätsmedizin Essen angesiedelte Vertrauensstelle blickt auf eine mehr als 10-jährige erfolgreiche Tätigkeit zurück. Die angebotene Dienstleistung wird regelmäßig – auch von Auftraggebern ohne direkten Bezug zur Universitätsmedizin Essen – in Anspruch genommen. Die optionale Überprüfung der Datenqualität und die damit verbundene frühzeitige Erkennung und Behebung von Datenfehlern vor der Auswertung hat sich als sehr sinnvoll herausgestellt und wird deshalb zunehmend von den Auftraggebern angefragt.
Zusammenfassung: Die Einbeziehung einer unabhängigen Vertrauensstelle stellt einen optimalen Weg dar, um Qualitätssicherung und Forschungsinteresse mit dem Datenschutz zu vereinbaren. Die Vertrauensstelle leistet einen wichtigen Beitrag für die medizinische Forschung mit Sozialdaten. Zukünftig ist von einem wachsenden Bedarf an derartigen Forschungen auszugehen, da dieses Lösungsmuster im Rahmen der Digitalisierung im Gesundheitswesen bei der Vernetzung von Patientenversorgung und medizinischer Forschung an Bedeutung gewinnt. Es wird immer entscheidender, Behandlungsverläufe im großen Stil – über Behandlungssektoren, Institutionen, Standorte und Zeiträume der Behandlung hinweg – zu betrachten. Damit wird auch der Bedarf an Unterstützung durch eine Vertrauensstelle zunehmen.
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.