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62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

17.09. - 21.09.2017, Oldenburg

Wearables – Ein erster Schritt mit der Apple Watch

Meeting Abstract

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  • Henning Dathe - Institut für Medizinische Informatik, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Thorsten Rottmann - Institut für Medizinische Informatik, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Thomas Franke - Institut für Medizinische Informatik, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Oldenburg, 17.-21.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocAbstr. 152

doi: 10.3205/17gmds139, urn:nbn:de:0183-17gmds1398

Veröffentlicht: 29. August 2017

© 2017 Dathe et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Sensoren sind eine Verbindung der IT zur Außenwelt. In der eHealth werden sie zunehmend in Wearables eingesetzt, welche die Vitalfunktionen ihrer Nutzer messen und an ein Smartphone senden. Die Werbung für solche Gerätekombinationen suggeriert eine bevorstehende Revolution im Gesundheitsmarkt. Apple (HealthKit) und Google (Google Fit) bieten Frameworks zur Entwicklung von Gesundheits-Apps an; Apple darüber hinaus solche zur Erfassung und Ausgabe klinischer Daten mit Mobilgeräten (ResearchKit, CareKit). Erste Studien, die diese Technologien nutzten, sind bereits veröffentlicht [1]. Der Markt der Gesundheits-Apps ist aber hochgradig unübersichtlich [2] und weitgehend unreguliert, zumindest solange es sich nicht um Medizinprodukte handelt [3]. Am Beispiel von Herzfrequenzmessungen mit der Apple-Watch werden einige in diesem Spannungsfeld auftauchende Probleme beispielhaft und hypothesenbildend erläutert.

Methoden: Das Funktionsprinzip der Apple-Watch ist Photoplethysmograhie im Reflexionsmodus. Es standen die Daten dreier gesunder Freiwilliger im Selbstversuch (2m, 1f jeweils zwischen 30 und 35a) mit je über einem Jahr Tragedauer zur Verfügung. Das exportierte Datenformat entspricht CDA. Die Auswertung geschah unter R mit den Bibliotheken XML und MASS unter Verwendung diverser statistischer Methoden. Das Datenvolumen eines Probanden umfasste ca. 2400 Werte (entsprechend 27MB) pro Jahr Tragedauer. Als Kalibrationsnormal stand ein Masimo-Pulsoximeter (Radical 7) mit serieller Schnittstelle zur Verfügung. Die zeitliche Synchronisation wurde mittels Zeitstempel und NTP durchgeführt.

Ergebnisse: 1. Die Messungen der Herzfrequenz sind irregulär getaktet. Der Hersteller optimiert die Gerätelaufzeit u. a. durch eine adaptive Samplingrate der verwendeten Messalgorithmen. Infolge dieser intransparenten Auswahl der Messwerte sind klinische relevante Parameter, beispielsweise solche der Herzfrequenzvariabilität [4], nicht direkt aus den Daten berechenbar. Dies limitiert die Anwendung im klinischen Bereich. 2. Im Datensatz konnten mehrfach sichtbare Änderungen im von Apple nicht näher spezifizierten Messalgorithmus identifiziert werden. Zugleich wurden mit paarweisen Wilcoxon-Tests Unterschiede bei der Herzfrequenz in Abhängigkeit von der verwendeten Softwareversion detektiert. 3. Unter Verwendung von Fehlerfortpflanzung [5] konnte für das Messsystem der Apple-Watch in Ruhe eine Genauigkeit in der Größenordnung von σ=3bpm ermittelt werden. Dabei beinhaltet das Intervall μ±3σ (also ±9bpm) unter Annahme einer Normalverteilung 99,7% aller wahren Werte. In [6], [7] ist gezeigt worden, dass diese Genauigkeit mit verschiedenen Belastungszuständen variiert. 4. Die interne Signalverarbeitung des Sensors lässt sich durch einen linearen Ortsraumfilter der Kalibrationsdaten beschreiben. Die Filterkoeffizienten können durch eine Regression gewonnen werden. Daraus leitet sich die Hypothese einer linearen Abhängigkeit von den auf Frequenzen in bpm umgerechneten NN-Intervallen ab.

Diskussion: Die Apple-Watch ist nicht als Ultra-Langzeit EKG zu verstehen, hierzu mangelt es an Präzision und Auflösung. Messdaten sind versionsübergreifend nur bedingt vergleichbar. Gegenüber dem nach dem MPG zertifizierten Kalibrationsnormal zeigte sich eine größere Messunsicherheit. Es sollte daher streng zwischen validierbaren Daten aus einem klinischen Anwendungsfall und „crowdsourcing“ Daten aus großen Kollektiven unterschieden werden. Versteht man Statistik als die Kunst, aus einer Stichprobe Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit zu ziehen, dann stellen die im Kontext von eHealth angedachten, prinzipiell unbeschränkten, Fallzahlen keinen echten Fortschritt dar. Das Potential der mobilen Gesundheitsanwendungen besteht, außer in ihrer Allgegenwart, in der Möglichkeit zur Verknüpfung mit anderen Daten. Diese Stufe ist bisher nur in Ansätzen realisiert [1]; der prognostizierten Revolution im Gesundheitsmarkt steht damit noch ein langer Weg bevor.



Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
Chan YFY, Wang P, Rogers L, Tignor N, Zweig M, Hershman SG, et al. The Asthma Mobile Health Study, a large-scale clinical observational study using ResearchKit. Nat Biotechnol. 2017;35(4):354-362. DOI: 10.1038/nbt.3826 Externer Link
2.
Xu W, Liu Y. mHealthApps: A Repository and Database of Mobile Health Apps. JMIR MHealth UHealth. 2015;3(1):e28.
3.
Buckow K, Dathe H, Rottmann T, Rienhoff O. Mobile IT-Werkzeuge. In: Drepper J, Semler SC, Herausgeber. IT-Infrastrukturen in der patientenorientierten Forschung Aktueller Stand und Handlungsbedarf – 2016. Akademische Verlagsgesellschaft AKA GmbH; 2016. S. 143–64. Verfügbar unter: http://www.tmf-ev.de/Produkte/ITReport.aspx Externer Link
4.
Sammito S, Thielmann B, Seibt R, Klussmann A, Weippert M, Böckelmann I. Nutzung der Herzschlagfrequenz und der Herzfrequenzvariabilität in der Arbeitsmedizin und der Arbeitswissenschaft [Internet]. AWMF-Registernummer; 2014. [zitiert 28. März 2017]Verfügbar unter: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/002-042l_S2k_Herzschlagfrequenz_Herzfrequenzvariabilität_2014-07.pdf Externer Link
5.
Working Group 1 of the Joint Committee for Guides in Metrology (JCGM/WG 1). Einführung zum „Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen“ und zu den dazugehörigen Dokumenten , JCGM 104 (Deutsche Fassung) - PTB. Verfügbar unter: http://www.ptb.de/cms/ptb/fachabteilungen/abt8/fb-84/ag-840/publika-840/jcgm-104.html [zitiert 5. April 2017] Externer Link
6.
Wang R, Blackburn G, Desai M, Phelan D, Gillinov L, Houghtaling P, u. a. Accuracy of Wrist-Worn Heart Rate Monitors. JAMA Cardiol. 2017;2(1):104.
7.
Shcherbina A, Mattsson MC, Waggott D, Salisbury H, Christle WJ, Hastie T, u. a. Accuracy in Wrist-Worn, Sensor-Based Measurements of Heart Rate and Energy Expenditure in a Diverse Cohort. J Pers Med. 2017;7(2).