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62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

17.09. - 21.09.2017, Oldenburg

Die Planung einer cluster-randomisierten Studie in der Praxis – die "Komm mit in das gesunde Boot" Gesundheitsstudie

Meeting Abstract

  • Jens Dreyhaupt - Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm, Deutschland
  • Susanne Kobel - Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
  • Romy Lauer - Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
  • Benjamin Mayer - Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm, Deutschland
  • Rainer Muche - Universität Ulm, Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie, Ulm, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 62. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Oldenburg, 17.-21.09.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocAbstr. 144

doi: 10.3205/17gmds061, urn:nbn:de:0183-17gmds0612

Veröffentlicht: 29. August 2017

© 2017 Dreyhaupt et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Cluster-randomisierte Studien sind ein wichtiges Werkzeug zum Erkenntnisgewinn in der medizinischen Forschung [1]. Anstelle einzelner Individuen werden bestehende Gruppen von Individuen randomisiert (Cluster-Randomisierung). Oft wird dies in Situationen praktiziert, in denen die Intervention auf natürliche Weise in ganzen Gruppen erfolgt, z. B. Familien, Schulen, Seminargruppen, Arztpraxen, Rehabilitationseinrichtungen oder administrative Einheiten (wie Regionen, Gemeinden). Im Vergleich zu individuell randomisierten Studien sind bei cluster-randomisierten Studien neben einer komplexeren Organisation oft höhere Fallzahlen, umfangreichere Methoden der Fallzahlplanung sowie spezielle Verfahren zur statistischen Auswertung notwendig.

Methoden: „Komm mit in das gesunde Boot“ (finanziert von der Baden-Württemberg Stiftung) ist ein umfassendes Programm zur Förderung eines gesünderen Lebensstils bei Kindergartenkindern in Baden-Württemberg. Kern des Programms ist eine niedrigschwellige Intervention, die kindergartenbasiert über die Erzieher und unter Einbeziehung der Eltern umgesetzt wird [2]. Die Untersuchung der Wirksamkeit der Intervention erfolgt mit der Gesundheitsstudie („Health Survey“), einer prospektiven, stratifizierten, cluster-randomisierten, longitudinalen Studie mit einer Interventions- und einer Kontrollgruppe [3]. Die Datenerhebung erfolgt zu zwei Zeitpunkten, jeweils im Herbst 2016 (Baseline) und 2017 (Follow-Up). Die Studie wurde mit einem explorativen Ansatz geplant, so dass eine Abschätzung eines Mindesteffektes bei gegebener Power erfolgte [4]. Wegen der Cluster-Struktur der Daten erfolgt die statistische Auswertung mit verallgemeinerten Schätzgleichungen (GEE).

Im Beitrag werden kurz die Methodik cluster-randomisierter Studien, deren Aufbau, wesentliche Voraussetzungen, besonders die Power- und Fallzahlplanung sowie Auswertungsaspekte dargestellt. Weiterhin wird die Anwendung einer cluster-randomisierten Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit eines Gesundheitsförderprogramms vorgestellt sowie verschiedene Szenarien der Powerberechnung diskutiert. Anhand der zum Baseline-Zeitpunkt rekrutierten Kindergärten erfolgt eine Untersuchung der möglichen Effektstärken der Studie.

Ergebnisse: In der Planungsphase wurde aus Machbarkeitsgründen angenommen, dass etwa 1000 bis 1400 Kinder aus 50 bis 70 Kindergärten eingeschlossen werden können. Davon ausgehend wurde eine Berechnung der Effektgröße für eine metrische Zielgröße durchgeführt (explorativer Ansatz), wobei folgende Annahmen gemacht wurden: 20 Kinder pro Kindergarten, Power: 0,80, Fehler 1. Art: 0,05 (zweiseitig), ICC: 0,05 (basierend auf einer Vorgängerstudie). Die Fallzahlberechnung erfolgte mittels bekannter Formeln [5], [6]. In Abhängigkeit der Kindergartenanzahl kann eine Effektstärke von 0,248 (2x25 Kindergärten), 0,227 (2x30 Kindergärten) bis 0,210 (2x35 Kindergärten) mit der Studie gezeigt werden.

Insgesamt konnten 66 Kindergärten auf beide Studienarme randomisiert werden, stratifiziert nach Einrichtungsgröße (Kinderanzahl: klein, mittel, groß). In 62 Einrichtungen konnten bei 1021 Kinder Baseline-Messungen durchgeführt werden (Interventionsgruppe: 31 Einrichtungen, 510 Kinder; Kontrollgruppe: 31 Einrichtungen, 511 Kinder). Vier Einrichtungen haben die Teilnahme an der Studie nach der Randomisierung abgesagt. Mit den derzeit in der Studie verbliebenen 62 Einrichtungen kann bei 1021 Kindern eine Effektstärke von 0,236 gezeigt werden (bei einer Annahme von im Mittel 16 Kindern pro Einrichtung). Bei einem Verlust von je einer Einrichtung pro Gruppe muss die Effektstärke mindestens 0,242 betragen.

Diskussion: Cluster-randomisierte Studien sollten angewendet werden, wenn eine Intervention auf natürliche Art in ganzen Gruppen erfolgt. Durch die Cluster-Struktur ergeben sich statistische Abhängigkeiten (Ergebnisse innerhalb eines Clusters sind sich ähnlicher als Ergebnisse verschiedener Cluster), was bei Fallzahlplanung und Auswertung durch adäquate statistische Methoden berücksichtigt werden muss. Der Verlust ganzer Clustern kann die Power einer solchen Studie stark verringern.



Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass ein positives Ethikvotum vorliegt.


Literatur

1.
Chenot JF. Cluster-randomisierte Studien: eine wichtige Methode in der allgemeinmedizinischen Forschung. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2009;103(7):475-80.
2.
Das gesunde Boot - Kindergarten. http://www.gesundes-boot.de/kindergarten/ Externer Link
3.
Kobel S, Wartha O, Wirt T, Dreyhaupt J, Lämmle C, Friedemann EM, Kelso A, Kutzner C, Hermeling L, Steinacker JM. Design, Implementation, and Study Protocol of a Kindergarten-Based Health Promotion Intervention. Biomed Res Int. 2017;2017:4347675. DOI: 10.1155/2017/4347675 Externer Link
4.
Dreyhaupt J, Mayer B, Keis O, Öchsner W, Muche R. Cluster-randomisierte Studien in der Lehrforschung: Grundlagen und methodische Aspekte. GMS J Med Educ. 2017;34(2):Doc26. DOI: 10.3205/zma001103 Externer Link
5.
Eldridge SM, Kerry S. A Practical Guide to Cluster Randomised Trials in Health Services Research. Wiley; 2012.
6.
Dreyhaupt J. Instrumente für Power- und Fallzahlberechnungen bei komplexen hierarchischen Studiendesigns in der Versorgungsforschung. Monitor Versorgungsforschung. 2015 Dez;6:49-54.