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HEC 2016: Health — Exploring Complexity
2016 Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

28.08. - 02.09.2016, München

Surveillance akuter Atemwegserkrankungen anhand von Aufnahmediagnosen aus der Notaufnahme eines Schwerpunktversorgers in Niedersachsen

Meeting Abstract

  • Felix Greiner - Universitätsklinik für Unfallchirurgie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland
  • Dagmar Ziehm - Niedersächsisches Landesgesundheitsamt, Hannover, Deutschland
  • Ute Rexroth - Robert Koch-Institut, Abteilung 3, Berlin, Deutschland
  • Dominik Brammen - Universitätsklinik für Unfallchirurgie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland
  • Bernadett Erdmann - Zentrale Notfallaufnahme, Klinikum Wolfsburg, Wolfsburg, Deutschland

HEC 2016: Health – Exploring Complexity. Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI. München, 28.08.-02.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocAbstr. 787

doi: 10.3205/16gmds072, urn:nbn:de:0183-16gmds0728

Veröffentlicht: 8. August 2016

© 2016 Greiner et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Akute respiratorische Erkrankungen (ARE) betreffen alle Altersgruppen, treten als sogenannte „Grippewelle“ jährlich auf und führen insbesondere in schwer verlaufenden Saisons zu erhöhter Hospitalisierung und Sterblichkeit in der Bevölkerung. Die ARE-Surveillance in Niedersachsen stützt sich hauptsächlich auf Daten aus Sentinelpraxen sowie Krankenstandserfassung aus Kitas [1]. Die Hospitalisierung von ARE-Patienten wird lediglich über die ausgestellten Krankenhauseinweisungen niedergelassener Ärzte abgebildet [2]. Hier ist von einer Unterschätzung auszugehen, da bei akuter schwerer Symptomatik eine Einweisung auch durch den Rettungsdienst oder eine Selbsteinweisung erfolgen kann. Notaufnahmen können eine wichtige Datenquelle sein, um Häufungen akuter gesundheitlicher Probleme zu erkennen. Im Verbundforschungsprojekt zum Aufbau eines nationalen Notaufnahmeregisters (AKTIN) soll der Zugriff auf dezentral vorgehaltene Daten aus der Patientenversorgung erarbeitet werden. In der vorliegenden Pilotauswertung wurde am Beispiel Wolfsburgs untersucht, ob sich die Grippewelle der Saison 2014/2015 anhand der Diagnosecodes einer Notaufnahme abbilden lässt.

Methoden: Datenbasis waren alle über die zentrale Notaufnahme am Klinikum Wolfsburg zwischen Juli 2014 (KW 27) und Juni 2015 (KW 26) stationär aufgenommenen Patienten. Eine ARE wurde über folgende kodierte Aufnahmediagnosen nach ICD-10-GM definiert: J00 bis J22 (einschließlich möglicher Untergruppen), J44.0 sowie B34.9. Es erfolgte eine Berechnung absoluter sowie relativer Häufigkeiten pro Kalenderwoche, eine explorative Analyse des Patientenalters und der verwendeten Diagnosecodes sowie ein Vergleich mit der virologischen ARE-Surveillance des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes (Nachweis von Influenzaviren in Rachenabstrichen, dargestellt als Positivrate aller eingesandten Proben).

Ergebnisse: Im untersuchten Zeitraum wurden 14.106 Patienten über die Notaufnahme aufgenommen. In 535 Fällen (3,8%) wurde die Aufnahme mit einer ARE-Diagnose begründet. Somit wurden durchschnittlich 10 Patienten pro Woche mit einer ARE aufgenommen. Die Zahl der Fälle steigt zum Jahresanfang 2015 an und erreicht in der KW 10 einen Höhepunkt mit 25 ARE-Fällen, was einem Anteil von 9,5% an den stationären Aufnahmen entspricht. In der virologischen Surveillance Niedersachsens stellte sich die höchste Influenza-Positivrate in der KW 8 mit 51,1% dar. Die epidemischen Kurven korrelieren graphisch miteinander. Das mittlere Alter der ARE-Fälle lag bei 71,7 Jahren (SD ± 16,2; Median 76). Am häufigsten wurden die Diagnosen J18 (Pneumonie, 61,1%), J15 (bakterielle Pneumonie, 13,5%), J44.0 (COPD mit akutem Infekt der unteren Atemwege, 12,3%) sowie J20 (akute Bronchitis, 7,9%) erfasst.

Schlussfolgerung: Die Analysen deuten darauf hin, dass sich der Verlauf der Grippewelle der Saison 2014/2015 auch anhand von Diagnosecodes stationär aufgenommener Patienten in einer Notaufnahme abbilden lässt. Im Vergleich mit den berichteten Krankenhauseinweisungen aus Sentinelpraxen zeigt sich dort eine andere Verteilung der kodierten Diagnosen (z.B. J44.0 mit 3,9%) [2]. Kodierte Aufnahmediagnosen bieten den Vorteil, dass sie routinemäßig zeitnah erfasst werden müssen (Meldung an die Krankenkasse innerhalb von drei Arbeitstagen). Die vorliegende Pilotauswertung liefert erste Hinweise auf Patientengruppen, welche über die etablierte ARE-Suveillance nicht erfasst werden. Somit können Daten aus Notaufnahmen einen weiteren Baustein zur Beurteilung der epidemiologischen Lage von ARE liefern, insbesondere in Bezug auf schwere Krankheitsverläufe. Im Projekt AKTIN wird in Kooperation mit 15 Modellkliniken eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, inwieweit sich die Daten tatsächlich zeitnah elektronisch erfassen und an die zuständigen Stellen übermitteln lassen. Dabei soll zukünftig auch der Nutzen weiterer klinischer Parameter evaluiert werden.

(AKTIN, Förderkennzeichen BMBF: 01KX1319A)


Literatur

1.
Niedersächsisches Landesgesundheitsamt, Hrsg. Surveillance für Influenza und andere akute respiratorische Erkrankungen in Niedersachsen (Jahresbericht Saison 2014 / 2015). Hannover; 2015.
2.
Robert Koch-Institut, Hrsg. Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland Saison 2014/15. Berlin; 2015.