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HEC 2016: Health — Exploring Complexity
2016 Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

28.08. - 02.09.2016, München

Evaluation des Sentinels zur Surveillance von Varizella-Zoster-Virus-bedingten Erkrankungen in Deutschland, 2005-2015

Meeting Abstract

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  • Kristin Kocksch - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Kristin Tolksdorf - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland
  • Anette Siedler - Robert Koch-Institut, Berlin, Deutschland

HEC 2016: Health – Exploring Complexity. Joint Conference of GMDS, DGEpi, IEA-EEF, EFMI. München, 28.08.-02.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocAbstr. 757

doi: 10.3205/16gmds071, urn:nbn:de:0183-16gmds0717

Veröffentlicht: 8. August 2016

© 2016 Kocksch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Begleitend zur empfohlenen Varizellenimpfung mit einer (2004) bzw. zwei (2009) Impfstoffdosen arbeitet seit April 2005 ein Ärztesentinel zur Überwachung der Epidemiologie von Varizellen und Herpes zoster (HZ). An diesem Sentinelsystem beteiligen sich pädiatrische und allgemeinärztliche Arztpraxen freiwillig und unentgeltlich. Sie übermitteln mittels Monatsmeldebögen aggregierte Angaben zu Fallzahlen an Varizellen/HZ, auch in Monaten ohne Fälle („Nullmeldung“). Für Erkrankte mit HZ sowie Erkrankung mit Varizellen nach Varizellenimpfung wird zusätzlich ein anonymisierter Einzelfallbogen mit ergänzenden anamnestischen und klinischen Angaben erbeten.

Die Qualität und Funktionalität des Sentinelsystems wurden anhand objektiver Kriterien intern evaluiert.

Methoden: Basierend auf den Empfehlungen der US-Centers for Disease Control and Prevention zur Evaluierung von Surveillance-Systemen wurden u.a. praktischer Nutzen, Stabilität (Anzahl angemeldeter Arztpraxen sowie An-/Abmeldungen), Akzeptanz (Meldebereitschaft, definiert als Anteil meldender Praxen an angemeldeten Praxen) sowie Repräsentativität (Anteil Meldepraxen an niedergelassenen Ärzten stratifiziert nach Arztkategorie; monatliche Anzahl von Bundesländern (BL) mit Meldepraxen) des Sentinelsystems bewertet. Übermittelte eine angemeldete Praxis mindestens eine Monats- und/oder Einzelfallmeldung im Jahr/Monat, wurde sie als meldende Praxis für das Jahr/den Monat gewertet. Für die Evaluation wurde die Arbeit des Sentinels im Zeitraum April 2005 bis Dezember 2015 (129 Monate) begutachtet.

Ergebnisse: Mithilfe der Sentineldaten können altersgruppenspezifische Aussagen zur Morbidität, zu Morbiditätstrends von Varizellen und HZ nach Einführung der Varizellenimpfung getroffen werden. Datenanalysen wurden für die Stellungnahme der Ständigen Impfkommission zur Evaluation der Varizellenimpfung genutzt. Sentineldaten dienten der Berechnung der Impfeffektivität sowie als Grundlage für die mathematische Modellierung zur Abschätzung von Effekten der Varizellenimpfung. Im Begutachtungszeitraum waren insgesamt 1832 Arztpraxen jemals am Sentinel angemeldet. Die Anzahl angemeldeter Arztpraxen pro Jahr betrug durchschnittlich 1001 Praxen (Spanne: 866-1120), davon 57,2% pädiatrische Praxen (Spanne: 52,8%-64,4%). 413 Praxen, davon 317 (76,7%) pädiatrische Praxen, sind seit 2005 durchgehend am Sentinel angemeldet. Zur Kompensierung der im Zeitverlauf abnehmenden Anzahl teilnehmender Arztpraxen wurden drei Nachrekrutierungen in den Jahren 2007, 2011 und 2012 durchgeführt. Seit 2005 gab es 873 Neuanmeldungen durch 677 Praxen (Mehrfachanmeldungen) sowie 1210 Abmeldungen durch 901 Praxen (Mehrfachabmeldungen). Die jährliche Meldebereitschaft der pädiatrischen Praxen (Mittelwert: 87,0%; Spanne: 82,9%-94,0%) lag im Begutachtungszeitraum durchgehend über jener der allgemeinärztlichen Praxen (Mittelwert: 75,7%; Spanne: 67,7%-82,5%). Im Begutachtungszeitraum nahmen jährlich zwischen 0,6% und 0,9% von allen Allgemeinarztpraxen und zwischen 5,0% und 7,8% von allen Kinderarztpraxen in Deutschland am Sentinelmeldesystem teil. Im gesamten Begutachtungszeitraum meldeten pädiatrische Praxen monatlich jeweils aus allen 16 BL. Meldungen allgemeinmedizinischer Praxen erfolgten für 76/129 Monate (59%) aus 16 BL, für 51 Monate (39,5%) aus 15 und für 2 Monate (1,5%) aus 14 BL.

Diskussion/Schlussfolgerungen: Das Sentinelsystem liefert wertvolle Daten zur Varizellen- und HZ-Epidemiologie nach Varizellen-Impfempfehlung und trug zur Überprüfung und Weiterentwicklung dieser Impfempfehlung bei. Das Sentinel umfasst, auch vor dem Hintergrund der kontinuierlich hohen Meldebereitschaft der angemeldeten Praxen, eine stabile Meldebasis, die für Pädiater durchgehend und für Allgemeinmediziner annähernd durchgehend aus allen BL vorliegt. Aufgrund der konstant höheren Meldebereitschaft pädiatrischer Ärzte im Vergleich zu Allgemeinmedizinern könnten Erkrankungsfälle bei Jugendlichen und Erwachsenen unterrepräsentiert sein. Das sollte ein geeignetes Gewichtungsverfahrens bei der Datenauswertung ausgleichen. Die durchgeführte interne Evaluation sollte perspektivisch um eine nachfolgende Befragung der am Sentinel beteiligten Arztpraxen ergänzt werden.