gms | German Medical Science

GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Stadtgrün und 25-Hydroxyvitamin D? -Ergebnisse der Heinz Nixdorf Recall Studie-

Meeting Abstract

  • Sara Schramm - Universitätsklinikum Essen, Institut für medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Deutschland
  • Robynne Sutcliffe - Universitätsklinikum Essen, Institut für medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Deutschland
  • Kelsey McDonald - Universitätsklinikum Essen, Institut für medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Deutschland
  • Karl-Heinz Jöckel - Universitätsklinikum Essen, Institut für medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Deutschland
  • Raimund Erbel - Universitätsklinikum Essen, Westdeutsches Herzzentrum, Klinik für Kardiologie, Deutschland
  • Dagmar Führer-Sakel - Universitätsklinikum Essen, Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen, Zentrallabor – Bereich Forschung und Lehre, Deutschland
  • Susanne Moebus - Universitätsklinikum Essen, Institut für medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 039

doi: 10.3205/15gmds166, urn:nbn:de:0183-15gmds1664

Veröffentlicht: 27. August 2015

© 2015 Schramm et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Vitamin D ist für die allgemeine Gesundheit wichtig und es spielt eine Rolle bei vielen metabolischen Abläufen im Körper. Vitamin D wird zu ca. 80-90% endogen produziert. Dafür ist eine adäquate Sonnenexposition notwendig. Ein kleiner Anteil von ca. 10-20% wird über die Nahrung aufgenommen [1]. Ultraviolette B Strahlung bewirkt die Bildung von endogenem Vitamin D3 in der Haut. Die Menge hängt von der Stärke der ultravioletten B Strahlung, von der Zeit in der Sonne, von der exponierten Hautfläche und von der Pigmentierung der Haut ab [2]. In unseren Breiten schwank der Vitamin D Spiegel jahreszeitenabhängig, er erreicht am Ende des Sommers (30-60 Tage nach maximaler Sonnenexposition) Spitzenwerte und am Ende des Winters sind die Werte am niedrigsten [3], [4]. Es gibt eine Vielzahl von Vitamin D Metaboliten. 25-Hydroxyvitamin D [25-(OH)D] im Serum steigt proportional zur Synthese in der Haut und zur Aufnahme über die Nahrung. Die Konzentration von 25-(OH)D im Serum wird aktuell als bester Indikator für den Vitamin D Status angesehen [3].

Der normalisierte differenzierte Vegetationsindex (NDVI) berechnet das Niveau der grünen Vegetation und wird oft in der Umweltforschung verwendet. Der NDVI wird mittels Satellitendaten von reflektierten infrarotnahen (IR) und roten Lichtwellenlängen kalkuliert: NDVI=(IR–rot)/(IR+rot). Die Werte des NDVIs liegen zwischen -1 und +1. Negative Werten entsprechen Wasser und Schnee, Werte um Null entsprechen Stein und nackter Erde, Werte zwischen 0 und 0,2 können als vegetationsfreie Flächen eingestuft werden. Ab Werten über 0,2 nimmt die Vegetation zu. Werte ab 0,6 können schon Wald entsprechen. Werte, die nahe an 1 liegen entsprechen einer sehr üppigen grünen Vegetation [5], [6].

Es wird vermutet, dass ein Zugang zu Grünflächen und Outdoor-Aktivitäten in städtischen Gebieten begünstigende Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit haben. Wir vermuten, dass sich Personen, die in einem grünen Wohnviertel wohnen häufiger der Sonne exponieren als Personen, die in einem vegetationsarmen Viertel wohnen, und damit höhere 25-(OH)D Spiegel aufweisen, was sich wiederum positiv auf die Gesundheit auswirken kann. Soweit uns bekannt ist, gibt es keine Studien, die den Zusammenhang zwischen Vitamin D und Stadtgrün untersuchen. Wir haben die Assoziation zwischen dem 25-(OH)D Spiegel und dem mittleren NDVI des jeweiligen Wohnstadtviertels anhand von Daten der Probanden der Heinz Nixdorf Recall Studie analysiert.

Material und Methoden: Wir haben Baselinedaten (2000-2003) von 4,140 Probanden zwischen 45-75 Jahren (mean±SD: 59,7±7,8 Jahre, 49,7% Frauen) der Heinz Nixdorf Recall Studie mit vorhandenen 25-(OH)D-Spiegeln und NDVIs analysiert. Die Probanden lebten im hoch urbanisierten Ruhrgebiet der Städte Bochum, Essen und Mülheim an der Ruhr, in 108 unterschiedlichen Stadtvierteln. Der Stadtviertel des geokodierten Wohnsitzes jedes Probanden wurde in ArcGIS 10.1 identifiziert. Der NDVI im Studiengebiet wurde aus Landsat 5 TM Bildern des United States Geological Survey (USGS) vom 18. Juli 2006 mit einer Bildauflösung von 30m² in ArcGIS gebildet. Der mittlere NDVI jedes Stadtviertels wurde in Geospatial Modeling Environment berechnet um einen entsprechenden Wert für das Niveau an grüner Vegetation eines Stadtviertels zu erhalten. Negative Werte (entspricht Wasser) wurden aus der Analyse ausgeschlossen, da wir davon ausgehen, dass um Gewässer herum eine höhere Outdoor Aktivität stattfindet und viele negativen Werte in einem Stadtteil mit großen Gewässern den mittleren NDVI stark verkleinern können auch wenn der Stadtteil ansonsten sehr grün ist. Mit dem Roche Cobas Assay wurde 25-(OH)D im Serum gemessen. Mittels linearer Regression wurde die Assoziation zwischen 25-(OH)D und mittlerem NDVI eines Stadtteils geschätzt sowie 95% Konfidenzintervalle (95%KI), adjustiert nach Alter, Geschlecht, Body Mass Index (BMI), Rauchen, körperlicher Aktivität, Schulbildung und Kalenderwoche der Blutabnahme (um die jahreszeitlichen Schwankungen von Vitamin D zu berücksichtigen).

Ergebnisse: Der mittlere 25-(OH)D Spiegel zu Baseline betrug 21,6ng/ml (SD: 9,6ng/ml). Der mittlere NDVI für die Stadtviertel lang zwischen 0,12 (Stadtteil mit wenig Grün) und 0,63 (sehr grüner Stadtteil), der Mittelwert aller Probanden lag bei 0,37 (SD: 0,06). Steigende mittlere NDVIs waren mit steigenden 25-(OH)D Spiegeln assoziiert [crude: 6,3ng/ml (95%KI: 1,5ng/ml; 11,0ng/ml), adjustiert: 4,6ng/ml (0,2ng/ml; 9,1ng/ml)].

Diskussion: Unsere Studie zeigt eine Assoziation zwischen 25-(OH)D und grüner Vegetation eines Stadtviertels. Probanden, die in einem Stadtteil mit viel grüner Vegetation wohnen, haben höhere 25-(OH)D Spiegel als Probanden in Stadtvierteln mit wenig grüner Vegetation. Stärken der Heinz Nixdorf Recall Studie sind das bevölkerungsbezogene Studiendesign und die hohe Qualität der standardisiert erhobenen Daten. Schwächen sind, (a) dass der mittlere NDVI eines Stadtteils nur eine Schätzung für die tatsächliche grüne Vegetation ist, (b) wir nicht alle Faktoren gemessen haben, die das individuelle Outdoor-Verhalten beeinflussen und (c) wir nicht berücksichtigt haben, dass die grüne Vegetation sehr unterschiedlich in den jeweiligen Stadtteilen verteilt sein kann. Des Weiteren gibt es einige bislang unvermeidliche Probleme den Vitamin Status einer Person zu bestimmen. (d) 25-OHD ist letztendlich ein ungenaues Mittel den tatsächlichen klinisch relevanten Vitamin D Haushalt abzubilden, aber eine bessere Möglichkeit gibt es zurzeit nicht. (e) Die Intra-Assay Variation des Roche Cobas Assays beträgt <6%, jedoch stehen bessere Analysen aktuell nicht zur Verfügung. (f) Da die Definition von Vitamin D Mangel eine laboranalytische ist, die auf dem Assay basiert, sollten 25-OHD Werte im klinischen Alltag kritisch betrachtet werden.

Unsere Studie ermöglicht einen ersten Einblick in den Zusammenhang zwischen Vitamin D und Stadtgrün. Der Aspekt, dass durch ausreichenden Zugang zu Grünflächen in einem Stadtviertel auch der Vitamin D Spiegel der Bewohner steigen könnte, sollte im Rahmen von Stadtentwicklung zur Entwicklung eines gesundes Wohnumfeldes berücksichtigen werden.


Literatur

1.
Bundesinstitut für Risikobewertung. Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin D. 2012 [Letzter Zugriff: 12.3.2015]. http://www.bfr.bund.de/de/ausgewaehlte_fragen_und_antworten_zu_vitamin_d-131898.html Externer Link
2.
Kulie T, Groff A, Redmer J, Hounshell J, Schrager S. Vitamin D: an evidence-based review. J Am Board Fam Med. 2009;22:698-706.
3.
Adams JS, Hewison M. Update in vitamin D. J Clin Endocrinol Metab. 2010;95:471-8.
4.
Sherman SS, Hollis BW, Tobin JD. Vitamin D status and related parameters in a healthy population: the effects of age, sex, and season. J Clin Endocrinol Metab. 1990;71:405-13.
5.
ArcGIS Resources. Funktion "NDVI". http://resources.arcgis.com/de/help/main/10.1/index.html#//009t00000052000000 [letzter Zugriff: 12.3.2015] Externer Link
6.
USGS. NDVI, the Foundation for Remote Sensing Phenology. http://phenology.cr.usgs.gov/ndvi_foundation.php [letzter Zugriff: 12.3.2015] Externer Link