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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Verblindete Fallzahlrekalkulation für zeitabhängige negativ binomialeverteilte Zähldaten

Meeting Abstract

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  • Thomas Asendorf - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland
  • Heinz Schmidli - Novartis Pharma AG, Basel, Schweiz
  • Tim Friede - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 213

doi: 10.3205/15gmds121, urn:nbn:de:0183-15gmds1212

Veröffentlicht: 27. August 2015

© 2015 Asendorf et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die Berechnung der Fallzahl stellt ein zentrales Element der Planung klinischer Studien dar. Eine besondere Schwierigkeit bei der Fallzahlberechnung stellen Parameter dar, die unbekannt sind und die zur anschließenden Auswertung bestimmten Teststatistik beeinflussen. In der Regel müssen diese Parameter mit großer Unsicherheit aus Vorstudien geschätzt werden, wie Beispielsweise im Kontext von schubförmiger Multiple Sklerose (RMS) demonstriert wird [1]. Um der großen Unsicherheit bei dem initialen Schätzen der Parameter vorzubeugen, eignet sich eine verblindete Fallzahlrekalkulation. In dieser werden, nach dem Beginn einer Studie, Parameter, welche die Fallzahl beeinflussen, aus bereits vorhandenen Daten geschätzt um mit den Schätzungen eine genauere Fallzahlberechnung durchzuführen. Die Schätzung der Parameter erfolgt verblindet, und ist daher aus regulatorischer Sicht geeigneter als ein unverblindetes Verfahren [2].

Wir betrachten ein statistisches Modell welches zeitabhängige Zähldaten (Poisson und negativ binomial) erlaubt [3] und führen innerhalb dieses Modells die Fallzahlrekalkulation durch. Motiviert wird das Modell durch Daten aus RMS Studien in denen Läsionen durch Magnetresonanztomographie (MRT) gemessen werden. Die Läsionen werden monatlich an Patienten gemessen und die erhobenen Daten [4] weisen eine ähnliche Struktur zum gewählten statistischen Modell auf.

Material und Methoden: Nach einer umfassenden Recherche in nationaler und internationaler Literatur wurde zur Modellierung der zeitabhängigen Zähldaten aus RMS Studien das binomial thinning Modell von McKenzie gewählt [3]. Eine auf den Verfahren von Friede und Schmidli [5] basierende Teststatistik wurde entwickelt und hinsichtlich Niveau und Power untersucht. Eine Fallzahlformel wurde basierend auf dieser Teststatistik erstellt und auf korrekte Einhaltung der Power überprüft. Mithilfe der Fallzahlformel wurde die Fallzahlrekalkulation im erläuterten Modell durchgeführt und mit der initialen Fallzahlberechnung verglichen. Zusätzlich wurden die Fallzahlen und die Streuung der durch die Fallzahlrekalkulierung vorgeschlagenen Änderungen simuliert. Diese wurden unter verschiedenen Bedingungen mit bisherigen Methoden verglichen. Alle Simulationen wurden mit dem Statistikprogramm R durchgeführt und ausgewertet.

Ergebnisse: Die entwickelte Teststatistik hielt unter der Nullhypothese das Niveau ein und zeigte mit zunehmender Effektstärke einen Poweranstieg. Die hergeleitete Fallzahlformel berechnete, bei korrekter Spezifikation der Parameter, die richtige Fallzahl um eine gewünschte Power zu erzielen. Es zeigte sich, dass eine fehlerhafte Spezifikation der Parameter zu einer fehlerhaften Fallzahlberechnung führt. Somit führten fehlerhafte Spezifikationen zu Studien mit zu wenig oder zu viel Power. Eine Anpassung der Fallzahl durch eine Fallzahlrekalkulation führte in allen simulierten Situationen zu einer Einhaltung der im Vorfeld spezifizierten Power. Ein Vergleich mit alternativen Auswertungsmethoden [6] zeigte, dass die neue Prozedur nicht unterlegen war. Bei fehlenden Werten und unvollständigen Beobachtungen, wie sie in laufenden Studien häufig vorkommen, zeigte die neue Prozedur eine niedrigere Streuung der geschätzten Fallzahl als bisherige Verfahren.

Diskussion: Mithilfe des gewählten Modells [3] und der Vorgehensweise aus anderen Arbeiten über Fallzahlrekalkulierung [5] ist es gelungen eine Prozedur zu entwickeln die es ermöglicht Fallzahlrekalkulierungen in Studien mit longitudinalen Zähldaten durchzuführen. Im Vortrag werden noch weitere Möglichkeiten erläutert, um das Modell und damit die Prozedur zu erweitern. Zum einen besteht bei den betrachteten Daten die Möglichkeit, die gewünschte Studienpower durch eine Erhöhung der Anzahl der Messzeitpunkte zu erreichen. Eine weitere Modellerweiterung, die anhand aktueller Daten [7] auch als Notwendig angesehen werden kann, ist die Erweiterung für in den Studien vorliegenden zeitlichen Trends. Eine Möglichkeit dazu wird ebenfalls vorgestellt.

Diese Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. DFG-Projekt: "Blinded sample size reestimation in clinical trials with recurrent event data and time-dependent event rates" (FR 3070/1-1).


Literatur

1.
Nicholas R, Straube S, Schmidli H, Schneider S, Friede T. Trends in annualzied relapse rates in relapsing-remitting multiple sclerosis and consequences for clinical trial design. Mult Scler. 2011; Oct 17(10):1211-7.
2.
ICH E9 Expert Working Group. Statistical Principles for Clinical Trials: ICH Harmonized Tripartite Guideline. Stat Med. 1999; 18:1905-1942.
3.
McKenzie E. Autoregressive Moving-Average Processes with Negative-Binomial and Geometric Marginal Distributions. Adv Appl Prob. 1986; 18:679-705.
4.
Tubridy N, Ader HJ, Barkhof F, Thompson AJ, Miller DH. Exploratory treatment trials in multiple sclerosis using MRI: sample size calculations for relapsing-remitting and secondary progressive subgroups using placebo controlled placebo groups. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 1998; 64:50-55.
5.
Friede T, Schmidli H. Blinded sample size reestimation with negative binomial counts in superiority and non-inferiority trials. Methods Inf Med. 2010; 49:618-624.
6.
Friede T, Schmidli H. Blinded sample size reestimation with count data: Methods and applications in multiple sclerosis. Stat Med. 2010 May;29(10):1145-56.
7.
Stellmann JP, Stürmer KH, Young KL, Siemonsen S, Friede T, Heesen C. Regression to the Mean and Predictors of MRI Disease Activity in RRMS Placebo Cohorts – Is There a Place for Baseline-to-Treatment Studies in MS?. PLoS ONE. 2015; 10(2): e0116559.