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Fehlende Werte in klinischen Studien: eine neue Hürde für die Nutzenbewertung?
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Veröffentlicht: | 27. August 2015 |
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Einleitung: Die Interpretation von Ergebnissen klinischer Studien ist potentiell verzerrt, wenn nicht für alle Patienten alle erforderlichen Daten erhoben werden konnten. Daher werden bereits während der Planung und Durchführung klinischer Studien zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der „missings“ möglichst gering zu halten. Dennoch ist es nicht vermeidbar, dass die Studien auch fehlende Werte aufzeigen.
Auf der anderen Seite fordert das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) eine möglichst valide und unverzerrte Aussage zum Ausmaß des Zusatznutzens eines neuen Wirkstoffes. Sind die Schätzer potentiell verzerrt, führt das zu einer Reduktion der „Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens“, der in die Beschlussfassung des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) und damit unmittelbar in die Preisverhandlungen des pharmazeutischen Unternehmens (pUs) mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (SpiBu) einfließt.
Im Rahmen dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Anforderungen die Dossierbewerter (IQWiG und GBA) an den Umgang mit fehlenden Werten stellen, welche Methoden von den pharmazeutischen Unternehmen (pUs) angewandt wurden und wie mit diesen im Rahmen der Dossierbewertung umgegangen wurde.
Material und Methoden: In einem ersten Schritt wurde eine Recherche nach Empfehlungen und Vorgaben zur Behandlung von fehlenden Werten auf den Seiten des IQWiG und des GBA durchgeführt. In einem zweiten Schritt werden Umsetzungen durch den pU sowie das IQWiG in abgeschlossenen Verfahren der Nutzenbewertung untersucht, deskriptiv dargestellt sowie auf Konsistenz der Bewertung hin überprüft.
Anhand der Erfahrungen aus bisherigen Verfahren wird versucht, Empfehlungen für den Umgang mit fehlenden Werten im Rahmen der Nutzenbewertung abzuleiten.
Ergebnisse: In seinem Methodenpapier verweist das IQWiG darauf, dass es für den Umgang mit fehlenden Werten im Rahmen der Auswertung von Studien keine Patentlösung gibt. Mögliche Gründe für fehlende Werte, sowie deren Konsequenzen auf die Ergebnisse und Aussagekraft der Studien müssen diskutiert werden. Darüber hinaus verweist das IQWiG auf verschiedene Methoden zum Umgang mit den fehlenden Werten, insbesondere die Imputation von fehlenden Werten und die Anwendung mehrerer Verfahren (Sensitivitätsanalysen) zur Überprüfung der Robustheit getroffener Aussagen.
Zum Spezialfall fehlender Werte bei Behandlungswechsel nach Therapieversagen hat das IQWiG kürzlich konkrete Auswertungsstrategien vorgeschlagen.
Im Rahmen der Nutzenbewertungen wurden von den pUs meist Verfahren wie „last observation carried forward“ (LOCF), worst case imputation (non-responder; zero-change), aber auch „observed cases only“ Analysen vorgelegt.
Die Konsequenzen fehlender Werte auf die Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens waren abhängig davon, wie hoch die Rate an fehlenden Werten war, wie stark sich diese zwischen den Therapiearmen unterscheidet, ob und welche Sensitivitätsanalysen vorgelegt wurden, sowie ob diese zu einheitlichen Schlussfolgerungen kamen.
Diskussion: Fehlende Werte in klinischen Studien führen zu potentiell verzerrten Schätzern und haben dadurch potentiell einen negativen Impact auf die Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens. Neben dem Versuch, fehlende Werte bereits in der Studienplanung und Durchführung zu minimieren, sollten Sensitivitätsanalysen zum Umgang mit "missings" herangezogen, transparent dargestellt und verglichen werden. Kommen diese zu einheitlichen Ergebnissen, können bei entsprechender Studienlage auch trotz fehlender Werte zuverlässige Aussagen zum Ausmaß des Zusatznutzens abgeleitet werden.